Die Spannungen im Südchinesischen Meer und in den Gewässern um Taiwan nehmen zu. Sollte die PLA (Volksbefreiungsarmee) die Insel isolieren, könnten nur die Träger-Gruppen der USA die Blockade aufbrechen.
Im Zentrum einer solchen Gruppe befindet sich der Träger, er wird von einem ganzen Schwarm von Kampfschiffen und manchmal auch U-Booten geschützt. Wie sicher der wertvolle Träger ist, ist umstritten. In Übungen der Nato gelingt es U-Booten immer wieder, durch geschicktes Ausnutzen von Strömungen und Wasserschichten unbemerkt den schützenden Kordon zu überwinden und den Träger zu "versenken".
Angriff in mehreren Wellen
In der chinesischen Simulation wurde die Gruppe aber nicht mit einem U-Boot, sondern mit Anti-Schiffs-Hyperschall-Raketen angegriffen. Durch die hohe Geschwindigkeit und große Reichweite decken derartige Waffen enorme Flächen ab. Die bedrohten Zonen der Meere sind viel größer als früher, die unbedenklichen sehr viel kleiner. Die Chinesen setzten 24 Raketen gegen die US-Gruppe ein. Da es eine Simulation im Computer war, spielten sie die Attacke 20 Mal durch. Als Basis diente ein kommerzielles Kriegsspiel, dessen Daten allerdings angepasst wurden.
Der Hintergrund der Simulation ist hochpolitisch: Die US-Flotte näherte sich trotz Warnung einer von China beanspruchten Insel. Tatsächlich erhebt China Ansprüche auf einen großen Teil des Südchinesischen Meeres. Die USA und die meisten Staaten der Welt erkennen diese Ansprüche nicht an. Damit es nicht zu einer chinesischen Defacto-Souveränität über die Gebiete kommt, schickt die US-Navy regelmäßig Schiffe in die umstrittenen Zonen.
Derartige Simulationen sind nicht ungewöhnlich, doch die "South China Morning Post" berichtet, dass die Ergebnisse in einem chinesischen Fachjournal veröffentlicht wurden. Die leitende Wissenschaftlerin Cao Hongsong von der North University of China sagte, dass fast alle US-Überwasserschiffe durch die Angriffe zerstört wurden. Nach Ansicht der Forscherin lassen sich die Träger-Gruppen mit einem abgestimmten Raketenangriff leicht ausschalten.
Billige Lockvögel
In der Simulation wurden zwei verschiedene Hyperschall-Anti-Schiffs-Raketenmodelle eingesetzt, einige wurden sogar aus der Wüste Gobi abgeschossen. Die 24 Raketen griffen in drei Wellen an. Es wurden die neuesten Schiffe der USA ausgewählt, die die besten Chancen haben, so einen Angriff abzuwehren. Unter anderem verfügen sie über die RIM-161E SM-3, eine Abwehrrakete, die ballistische Raketen in der Zwischen- und Endphase abfangen kann. Im Prinzip lassen sich auch Hyperschallwaffen abfangen, vor allem dann, wenn sie sich der Abwehrbatterie direkt nähern. Die US-Gruppe bestand aus der CVN-78 "Gerald R. Ford", einem Kreuzer der Ticonderoga-Klasse (CG56) und vier Lenkwaffenzerstörern der Arleigh Burke-Klasse (DDG-103) (Der mächtigste und teuerste Flugzeugträger der Welt).
Hyperschallwaffen haben beim Angriff auf ein bewegliches Ziel wie eine Träger-Gruppe eine andere Bedeutung als beim Einsatz gegen statische Ziele. Die Träger bewegen sich ununterbrochen mit hoher Geschwindigkeit, doch bei einem sehr schnellen Angreifer befindet sich die Gruppe bei seinem Eintreffen immer noch in dem Zielgebiet, das die Rakete im Endanflug erreichen kann. Während die Chancen der US-Flotte sehr großzügig ausgelegt waren, musste die chinesische Seite mit Einschränkungen leben. Sie durfte nur eine begrenzte Zahl von Waffen einsetzen und konnte nicht auf Satellitendaten zurückgreifen. "Sei nachsichtig mit dem Feind und streng mit dir selbst", erklärt Cao Hongsong das Prinzip.
Die Chinesen setzten zwei Typen unterschiedlicher Güte ein. Die weniger präzisen und billigen Waffen sollten vor allem das Arsenal der Abwehrraketen der Flotte erschöpfen. Nach der ersten Welle griffen vier der hochpräzisen Waffen den Träger an, weitere vier die Zerstörer und zwei der einfacheren Raketen den Kreuzer. Diesen Angriff überstanden nur vier der ursprünglich sechs Schiffe. Die überlebenden US-Schiffe wurden in einer dritten Welle mit sechs der einfachen Raketen attackiert. Der Angriff wurde 20-mal wiederholt, um zufällige Faktoren auszuschließen. Im Durchschnitt wurden 5,6 von sechs Überwasserschiffen versenkt.
Begrenzte Aussagekraft
Derartige Simulationen sind immer nur so gut, wie die Daten, die in sie einfließen. Wenn jemand beginnt, diese Daten zu manipulieren, kommt er immer zu dem gewünschten Ergebnis. Doch Cao Hongsong gilt als ausgewiesene Expertin für militärische Simulationen. "Die Genauigkeit der in Kriegssimulationen verwendeten Daten ist entscheidend für ihre Nützlichkeit bei der Bewertung möglicher Szenarien", sagte ein Ingenieur der Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie der SCMP, der nicht namentlich genannt werden wollte. "Wenn die in dieser Kriegssimulation verwendeten Daten über chinesische Hyperschallraketen weit von der Realität entfernt sind, könnte dies die Qualität der Simulation beeinträchtigen und zu ungenauen Schlussfolgerungen führen".
Interessant an der Simulation ist, dass die Chinesen auf exakte Satellitendaten verzichtet haben und die US-Flotte vom Meer aus beobachtet haben. Erschreckend ist die "Lockvogeltaktik" mit billigeren, aber ebenso tödlichen Raketen. Der US-Flotte blieb gar nichts anderes übrig, als die wertvollen Abwehrraketen gegen die erste Welle einzusetzen. Ein tödliches Spiel, das die Schiffe nicht gewinnen können. Selbst wenn es gelingt, die Zahl Abwehrwaffen zu erhöhen, wird es dem Angreifer leichter fallen, immer mehr Billig-Raketen zu starten.