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479 Euro iPhone SE im Test: Totgesagte leben länger

Huch, wir kennen uns doch? Das iPhone SE (2020) sieht von vorne aus wie das iPhone 8.
Huch, wir kennen uns doch? Das iPhone SE (2020) sieht von vorne aus wie das iPhone 8.
© Christoph Fröhlich/stern
Apple und günstig, diese beiden Worte fallen selten in einem Satz. Mit dem neuen iPhone SE für 479 Euro attackiert der Konzern nun die Mittelklasse. Für den Preis gibt es viel Technik - und einen alten Bekannten. Wir haben das Gerät bereits vor Verkaufsstart getestet.

Hello again: Als ich den Karton des neuen iPhone SE öffne und vorsichtig die Folienummantelung des Smartphones entferne, erlebe ich ein Déjà-vu. Ich fühle mich zurückversetzt in den September 2017, als ich das iPhone 8 ausprobierte - jenes Telefon, dem nur sechs Wochen als bestes iPhone aller Zeiten vergönnt waren, bevor es vom iPhone X mit seinem Randlos-Bildschirm entthront wurde. "Das Letzte seiner Art", titelte ich damals in meinem Test, weil die Ära des Home-Buttons vorüber schien. 

Ich habe mich geirrt.

Diesen Freitag bringt Apple die zweite Generation des iPhone SE auf den Markt. Die Abkürzung steht für "Special Edition", wie Apple einst verriet. Schon der Name macht deutlich, dass dieses Telefon anders ist als jene Geräte, die traditionell im Herbst vorgestellt werden und einer Zahlen-Nomenklatur folgen. Und wie anders es ist: Das iPhone SE ist gewissermaßen der Gegenentwurf zu allen Apple-Telefonen der vergangenen Jahre. Es ist eine Abkehr von den übergroßen Displays, den hohen Preisen, den auffälligen Multilinsen-Kameras, der Gesichtserkennung Face ID.

Doch genau diese Kombination könnte das iPhone SE, das ab Freitag zum Preis von 479 Euro verkauft wird, zum Bestseller der kommenden Monate machen. Warum, verrät der ausführliche Test.

iPhone SE: Der Home-Button ist zurück

Altes Design mit modernem Innenleben - das war die Erfolgsformel des ersten iPhone SE, das im Frühjahr 2016 auf den Markt kam. Warum also etwas ändern, scheint man sich in Kalifornien gedacht zu haben: Beim neuen iPhone SE handelt es sich um eine Mischung aus iPhone 8 und dem aktuellen iPhone 11.

Vom 8er stammt der Formfaktor. Das Gehäuse besteht aus einem glatten Glasrücken und einem gebürsteten Aluminiumrahmen, ist wasserdicht und mit 148 Gramm erfreulich leicht. Auf der Front befindet sich das 4,7 Zoll große LC-Display, das zwar nicht ganz so brillant und hell ist wie die Bildschirme der Pro-Modelle, für die meisten Nutzer aber vollkommen ausreichen dürfte. Lediglich die dicken Balken ober- und unterhalb des Bildschirms wirken etwas in die Jahre gekommen.

Unter dem Bildschirm befindet sich der Home-Button, der zugleich als Fingerabdruckscanner (Touch ID) fungiert. Die Gesichtserkennung Face ID gibt es nicht. Das mag für einige, vor allem technisch affine Nutzer, antiquiert wirken. Doch sie sind auch nicht die Zielgruppe des iPhone SE.

Die einen freuen sich über seine Rückkehr, die anderen halten ihn für antiquiert: Der Home-Button ist beim iPhone SE zurück.
Die einen freuen sich über seine Rückkehr, die anderen halten ihn für antiquiert: Der Home-Button ist beim iPhone SE zurück.
© Christoph Fröhlich/stern

Vielmehr schielt der Konzern auf einen Teil jener 500 Millionen Nutzer weltweit, die in den vergangenen Jahren ein 4,7-Zoll-iPhone erworben haben und nun auf ein neueres, schnelleres Modell umsteigen wollen, ohne sich an eine neue Bedienung gewöhnen zu müssen. Es sind Nutzer, denen Bequemlichkeit und ein niedriger Preis wichtiger sind als ein paar zusätzliche Zentimeter Bildschirmdiagonale.

Ohnehin haben beide Technologien ihre Eigenheiten. Zwar ist Gesichtserkennung häufig komfortabler, trägt man jedoch Atemschutzmasken, funktioniert die Technik nicht mehr. In solchen Situationen ist die scheinbar veraltete Technik sogar überlegen.

Der Prozessor als Aushängeschild

Das Prunkstück des iPhone SE ist der verbaute Prozessor. Es handelt sich um den A13-Bionic-Chip, der auch im mehr als doppelt so teuren iPhone 11 Pro steckt. Dessen Leistungsfähigkeit ist so hoch, dass normale Nutzer sie mit heute gängigen Anwendungen nicht ansatzweise ausreizen dürften.

Apple hätte durchaus einen älteren, schwächeren Prozessor verbauen und das SE damit günstiger machen können. Doch das hätte nicht zur Strategie gepasst, die der Konzern mit dem Gerät verfolgt. Indem das Unternehmen den besten Chip einbaut, den es derzeit zu bieten hat, stellt es sicher, dass auch in drei, vier Jahren keine Anwendung und kein iOS-Update zu anspruchsvoll für das iPhone SE sind. Während viele Android-Mittelklassegeräte maximal zwei Jahre Updates erhalten, möchte Apple mit Langlebigkeit punkten.

Das könnte das iPhone SE auch für Geschäftskunden interessant machen, bei denen angesichts fixer Budgets Pragmatismus wichtiger ist als Design.

iPhone SE als Einstieg in die Apple-Welt

Mit 479 Euro ist das iPhone SE das Apple-Smartphone mit dem bislang günstigsten Einführungspreis. Trotz besserer Ausstattung kostet es 50 Euro weniger als das bis vor Kurzem erhältliche iPhone 8. Selbst das alte iPhone SE war zum Start zehn Euro teurer. Es dürfte kein Zufall sein, dass Apple unter der 500-Euro-Marke bleibt: Im Jahr 2019 betrug laut Statista der Durchschnittspreis aller verkauften Smartphones in Deutschland rund 492 Euro, im Jahr zuvor waren es 489 Euro.

Für Tim Cook ist das Gerät trotzdem ein essenzieller Baustein seiner langfristigen Strategie. Denn dem Apple-Chef geht es nicht mehr darum, jedem Nutzer alle zwei Jahre ein neues iPhone zu verkaufen (auch wenn ihm das zweifelsohne gelegen käme). Ihm ist es viel wichtiger, die Nutzer so lange wie möglich im Apple-Kosmos zu halten. Und dazu gehört, die Geräte jahrelang mit Updates zu versorgen.

Sein Kalkül: Wer ein iPhone besitzt, kauft sich irgendwann womöglich auch mehr Cloud-Speicher, abonniert den vorinstallierten firmeneigenen Musikstreaming- oder Spieledienst oder liebäugelt vielleicht sogar mit einer Apple Watch oder Apple-Kopfhörern. Auf diese Weise werden Erlöse generiert, lange nachdem die eigentliche Hardware verkauft wurde.

Dank der Glasrückseite kann das iPhone SE kabellos aufgeladen werden.
Dank der Glasrückseite kann das iPhone SE kabellos aufgeladen werden.
© Christoph Fröhlich/stern

Kamera mit einer Linse

Eine der wichtigsten Funktionen bei Smartphones ist die Kamera. Im iPhone SE steckt der gleiche 12-Megapixel-Sensor, der bereits vor drei Jahren im iPhone 8 steckte. Das klingt zunächst enttäuschend. Der A13-Chip hat jedoch einen besseren ISP (Image Signal Processor), wodurch das iPhone SE mehr Tricks auf Lager hat als frühere Modelle mit nur einer Kamera.

So beherrscht der Porträtmodus nun alle sechs Lichteffekte sowie die regulierbare Tiefen-Kontrolle, bei der man die Hintergrundunschärfe nach Belieben anpassen kann. Ebenso sind 4K-Aufnahmen mit 60 Einzelbildern pro Sekunde sowie Zeitlupen- und Zeitrafferaufnahmen möglich. Auf den ersten Blick haben das iPhone SE und das mehr als doppelt so teure iPhone 11 Pro somit einige Gemeinsamkeiten.

Aber es gibt auch Unterschiede:

  • Das iPhone SE hat - wie das iPhone 11 (ohne Pro) - nur einen digitalen Zoom. Vergrößert man den Bildausschnitt, geht das zu Lasten der Qualität. Das iPhone 11 Pro hat dagegen einen zweifach optischen Zoom.
  • Auch die Ultraweitwinkel-Linse aller iPhone-11-Modelle fehlt. Die ist praktisch, wenn man bei geringem Abstand Menschengruppen oder hohe Gebäude fotografieren möchte.
  • Das iPhone SE hat keinen Nachtmodus. Der sorgt beim iPhone 11 und den dazugehörigen Pro-Modellen für eine längere Belichtungszeit bei schlechten Lichtbedingungen.
  • Die Bildverbesserungs-Technologie "Deep Fusion" wird ebenfalls nicht vom iPhone SE unterstützt. Diese sorgt für eine bessere Bildqualität bei mäßiger Beleuchtung.

Tagsüber macht das iPhone SE helle, detailreiche Aufnahmen. Der Porträtmodus funktioniert bei Personen zuverlässig, bei strubbeligen Haaren oder filigranen Ohrringen gibt es jedoch gelegentlich Patzer. Deshalb am besten immer mehrere Fotos knipsen. Objekte können in diesem Modus nicht erkannt werden. Bei schummrigem Licht und nachts sind die Unterschiede zu den Flaggschiff-Geräten jedoch offenkundig: Wo das iPhone 11 noch viele Details zeigt, ist beim SE nur noch wenig erkennbar. Doch angesichts des Preisunterschiedes ist das erwartbar.

Tipp: Wer auch auf dem iPhone SE einen Nachtmodus ausprobieren möchte, kann im App Store die Apps "NeuralCam NightMode" (kostet 5,49 Euro) oder "NightCap Kamera" (kostet 3,49 Euro) herunterladen. Diese Apps ermöglichen eine längere Belichtungszeit, vor allem mit Stativen können dabei tolle Aufnahmen gelingen.

Die Selfie-Kamera knipst mit sieben Megapixeln und unterstützt ebenfalls Porträtaufnahmen in allen sechs Modi. Die von den teureren Modellen bekannten Slow-Motion- und Gruppen-Selfies mit erweitertem Bildausschnitt gibt es jedoch nicht.

Ein mit dem iPhone SE geknipstes Selfie im Park, über das der "High-Key-Licht Mono"-Filter gelegt wurde.
Ein mit dem iPhone SE geknipstes Selfie im Park, über das der "High-Key-Licht Mono"-Filter gelegt wurde.
© Christoph Fröhlich/stern

iPhone SE mit Wifi 6 und eSIM

Die Akkulaufzeit entspricht weitgehend der des iPhone 8. Man kommt also über den Tag, Heavy User müssen eventuell schon vor dem Schlafengehen eine Steckdose aufsuchen. Aufgeladen wird das Gerät entweder drahtlos via Qi-Ladegerät oder per Lightning-Stecker. Das geht auf Wunsch sogar schnell, sofern man separat ein entsprechendes Schnellladenetzteil erwirbt. Im Lieferumfang ist neben den Lightning-Kopfhörern lediglich ein 5-Watt-Netzteil enthalten.

In puncto Netzwerk-Kompatibilität ist das iPhone SE ebenfalls gut gerüstet: Mit an Bord ist jetzt die eSIM-Karte, so dass zwei verschiedene Telefonnummern genutzt werden können. Das ist vor allem im Ausland praktisch, wenn man über die eigene Mobilfunknummer erreichbar sein, aber einen günstigen lokalen Datentarif dazubuchen möchte. Der aktuelle Wlan-Standard Wifi 6 und Gigabit-LTE werden ebenfalls unterstützt. Lediglich der neue Mobilfunkstandard 5G ist - wie bei bislang allen iPhones - nicht an Bord.

Das iPhone SE unterstützt den Porträtmodus, dennoch muss man bei der Kamera Kompromisse zu den Pro-Modellen eingehen.
Das iPhone SE unterstützt den Porträtmodus, dennoch muss man bei der Kamera Kompromisse zu den Pro-Modellen eingehen.
© Christoph Fröhlich/stern

Fazit: Das pragmatischste iPhone, das man kaufen kann

Zugegeben: Aufregend ist das neue iPhone SE nicht. Keine Funktion ist neu, alles hat man schon einmal gesehen. Doch dieses Telefon soll auch keinen Nervenkitzel auslösen und angesichts des Preises sollte man es auch nicht direkt mit den Flaggschiffen vergleichen. 

Vielmehr positioniert es sich als pragmatische Wahl in Apples iPhone-Lineup: Wer auf der Suche nach einem neuen iPhone zu einem moderaten Preis ist, wem egal ist, ob er das Telefon mit dem Gesicht oder dem Finger entsperrt, und wen das in die Jahre gekommene Design nicht stört, der kann bedenkenlos zugreifen. Denn die wichtigen Funktionen der aktuellen Geräte sind an Bord, darunter kabelloses Laden, diverse Bildverbesserungs-Technologien und ein moderner Prozessor. Das Gesamtpaket kann sich angesichts des Preises sehen lassen.

Doch natürlich muss man Kompromisse eingehen: Der Bildschirm ist gut, zählt aber nicht zu den besten am Markt. Die Kamera beherrscht 4K-Videos und Porträtaufnahmen, aber weder Ultraweitwinkelfotos noch Nachtaufnahmen. Die Gesichtserkennung ist nicht eingebaut, auch wenn das für manchen sogar ein Vorteil sein dürfte. Wer also nach einem modernen Design und einer Top-Kamera sucht, dürfte mit dem neuen iPhone SE vermutlich nicht glücklich werden - muss dann jedoch auch mehr Geld auf den Tisch legen.

Preis und Verfügbarkeit

Das iPhone SE ist ab dem 24. April im Handel. Die Basisvariante mit 64 Gigabyte Speicher kostet 479 Euro, die Variante mit 128 GB Speicher kostet 50 Euro mehr. Verdoppelt man den Speicher noch einmal auf 256 Gigabyte, werden 649 Euro fällig. Der Speicher ist wie immer nicht erweiterbar, man sollte die Entscheidung also vor dem Kauf genau durchdenken.

Das iPhone SE ist in den drei Farben Weiß, Schwarz und Rot verfügbar.

Alternativen

Die naheliegende Alternative zum iPhone SE ist das iPhone XR, welches 2018 auf den Markt kam. Dieses Modell ist größer, hat den Gesichtsscanner Face ID an Bord und ein beinahe die gesamte Front bedeckendes Display. Dafür ist der Prozessor jedoch langsamer, die Kamera nicht besser und der Preis höher. Die mächtigere Option ist das iPhone 11, das mit 670 Euro jedoch 40 Prozent teurer ist.

Im Preisbereich um 500 Euro gibt es auch viele gut ausgestattete Android-Smartphones. Empfehlenswert ist etwa das Huawei P30: Es war das letzte Flaggschiff-Modell der Marke mit Android-Betriebssystem und kostet rund 400 Euro. Dafür erhält man ein 6,1-Zoll-Display und eine starke Dreifach-Kamera (hier finden Sie unseren Test des P30 Pro). Allerdings ist unklar, wie lange dieses Gerät noch Betriebssystem-Updates erhält. Eine gute Wahl ist auch das Samsung Galaxy S10e (ebenfalls von uns getestet), das derzeit rund 500 Euro kostet und ebenfalls auf das Android-Betriebssystem setzt.

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