Neues Smartphone iPhone 11 Pro im Test: Apple bricht mit drei Traditionen

iPhone 11 Pro versus Huawei P30 Pro: Welche Smartphone-Linse schneidet besser ab?
Porträtfotograf Guido Rottmann hat die Kameras des neuen iPhones 11 Pro mit dem Konkurrenzmodell von Huawei für den stern verglichen.
© stern-online
Und plötzlich waren’s drei: Das iPhone Pro will mit einer neuartigen Kamera die Android-Konkurrenz alt aussehen lassen. Auch sonst macht Apple einiges anders als in den Vorjahren. Unser Redakteur hat das Gerät bereits vor Verkaufsstart getestet. 

Als Steve Jobs am 9. Januar 2007 die Bühne des Moscone Center in San Francisco betritt und das erste iPhone vorstellt, schwärmt er vom Browser, der sich mit Fingern bedienen lässt. Er führt den Musikplayer vor, in dem man durch Alben wischen kann. Worüber er dagegen fast kein Wort verliert: die Kamera. Die knipst damals noch Fotos mit zwei Megapixeln und kann nicht einmal Videos aufnehmen. Für Jobs ist sie so unbedeutend, dass er sie nur zweimal in der 80 Minuten langen Keynote erwähnt. 

Oh boy, wie haben sich die Zeiten geändert. Als Apple vergangene Woche seine drei neuen iPhones enthüllte, gab es kaum ein anderes Thema. 63-mal kam das Team um Tim Cook auf die Kamera zu sprechen. In gerade einmal 42 Minuten! Die Botschaft war eindeutig: Die neuen iPhones, allen voran die Pro-Modelle, solle man nicht als Telefone mit eingebauten Kameras missverstehen. Längst sind es Kameras mit eingebautem Telefon. 

Drei Kameras und ein mattgrünes Gehäuse: das neue iPhone 11 Pro Max
Drei Kameras und ein mattgrünes Gehäuse: das neue iPhone 11 Pro Max
© Christoph Fröhlich

Doch was unterscheidet die Pro-Modelle vom "normalen" iPhone 11? Und was hat sich abseits der Kamera getan? Ich habe das Spitzenmodell iPhone 11 Pro Max ausführlich getestet und professionelle Fotografen einen Blick auf das Smartphone werfen lassen.

Das iPhone 11 Pro Max hat einen riesigen 6,5-Zoll-Bildschirm.
Das iPhone 11 Pro Max hat einen riesigen 6,5-Zoll-Bildschirm.
© Christoph Fröhlich

iPhone 11 Pro: Edler, robuster, teurer

Während das iPhone 11 Apples neues Jedermann-Telefon ist - warum, können Sie hier in unserem ausführlichen Test nachlesen -, deutet der Namenszusatz "Pro" an, dass sich Apples Flaggschiffe an Nutzer mit höheren Ansprüchen richten. Erhältlich sind sie in zwei Varianten - dem iPhone 11 Pro (5,8 Zoll) und iPhone 11 Pro Max (6,5 Zoll). Bis auf die Bildschirmgröße und den Akku ist das Max identisch mit dem kleineren Modell.

Die Verarbeitung ist hochwertig: Der Rahmen zwischen Vorder- und Rückseite besteht aus hochglanzpoliertem Edelstahl, die Rückseite ist matt und nicht mehr glänzend, wodurch sie erfreulicherweise immun gegen Fingerabdrücke ist. Neben den bereits bekannten Tönen in Gold, Silber und Space Grau gibt es eine neue Farbvariante in Nachtgrün, die in der Realität etwas dunkler wirkt als auf Apples Werbebildern. 

Beim Bildschirm setzt Apple erneut auf die aus den Vorgängern bekannte OLED-Technik, die mit satten Kontrasten und einem tiefen Schwarz begeistert. Das Display wurde noch einmal aufgebohrt und stellt Farben noch realistischer dar. 

Dafür fehlt jetzt 3D Touch: Die mit dem iPhone 6s eingeführte Technologie konnte erkennen, wie fest man auf den Bildschirm drückt und so zusätzliche Aktionen starten. Technisch gesehen war das eine clevere Idee, die jedoch nicht intuitiv umgesetzt war. Um die Zusatz-Menüs aufzurufen, muss man nun den Button oder das App-Symbol einfach länger gedrückt halten. Daran gewöhnt man sich schnell, 3D Touch wird kaum jemand vermissen.

In Benchmarks erreicht der A13-Chip im iPhone 11 extrem hohe Werte. Schneller ist derzeit kein Mobilprozessor.
In Benchmarks erreicht der A13-Chip im iPhone 11 extrem hohe Werte. Schneller ist derzeit kein Mobilprozessor.
© Christoph Fröhlich

Leistung satt

Neues iPhone, neuer Prozessor - da macht auch der 2019er-Jahrgang keine Ausnahme. Der neue "A13 Bionic"-Chip steckt in allen drei Modellen und ist der schnellste derzeit verbaute Smartphone-Chip, sowohl bei Prozessor- als auch Grafikleistung. Überprüft wurde die Rechenpower mit Benchmark-Apps, das sind spezielle Programme zum Ermitteln der Leistungsfähigkeit. 

Wer es genauer wissen will, anbei eine Übersicht mit den Ergebnissen des Geekbench-5-Testprogramms:

Gerät

Single-Core Score

Multi-Core-Score

iPhone 11 Pro Max

1332

3510

iPhone XS

1106

2663

iPad Pro (2018, 11 Zoll)

1118

4636

Samsung Galaxy Note10+ 5G 

750

2489

OnePlus 7 Pro

722

2632

Google Pixel 3 XL

505

1998

Die Kamera ist ein Bruch in Apples Welt

Für viel Gesprächsstoff nach der Vorstellung sorgte das auffällige Design der Kameras. Diese sind beim Pro-Modell dreieckig in einer quadratischen Erhebung auf der Rückseite untergebracht, entsprechend wurde sie in einigen Kommentaren als Ceranfeld verspottet oder mit Herrenrasierern verglichen. Die Optik ist zweifellos ungewöhnlich - doch genau das ist von Apple beabsichtigt. 

Die Kamera ist das mit Abstand wichtigste Feature der neuen iPhone-Generation. Dementsprechend will der Konzern sie gar nicht verstecken, sondern stellt sie prominent zur Schau. Nicht umsonst hebt sich das Kamera-Quadrat glänzend vom matten Rest ab (beim iPhone 11 ist es übrigens genau umgekehrt). Die Kamera stellt somit auch eine Zäsur in Apples Design-Philosophie dar: Wurden früher Features auch mal der Form untergeordnet - man denke an die immer schlanker werdenden iPhones -, steht nun die Funktionalität im Vordergrund. Es ist die erste Tradition, die Apple mit dem iPhone 11 Pro bricht.

Der auffällige Look der Revolver-Kamera hat übrigens keine technischen Gründe. Die Optik ist vielmehr als Reminiszenz an die frühen Filmkameras zu verstehen, etwa jenes Modell von Bell & Howell. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis dieses Design in der Android-Welt aufgegriffen wird.

Mehr Linsen bedeuten mehr Möglichkeiten

Wichtiger als die Optik sind die inneren Werte. Das iPhone 11 Pro setzt nach wie vor auf einen 12-Megapixel-Sensor. Zudem ist es Apples erstes Smartphone mit Dreifach-Kamerasystem, hier kommt neben der Standard- und Ultraweitwinkellinse des iPhone 11 noch eine Telefoto hinzu. Alle drei Kameras stehen sowohl für Fotos als auch Videos zur Verfügung. Damit sind scharfe Bilder mit hoher Tiefenschärfe möglich.

Erstmals bietet das iPhone einen sogenannten Nachtmodus. Bei schummrigem Licht nimmt das iPhone mehrere Bilder auf und verschmilzt diese miteinander, um mehr Details zu gewinnen. Android-Nutzer kennen solch eine Funktion bereits vom Google Pixel 3, Huawei P30 Pro oder dem Galaxy S10. Beim iPhone ist dies kein spezieller Modus, der händisch aktiviert werden muss, er schaltet sich automatisch ein. Dann erscheint eine Sekundenzeige, die darüber informiert, wie lange das iPhone für die Belichtung der Fotos benötigt. Je dunkler die Umgebung, desto länger muss man das Telefon still halten. 

Einschätzung eines Porträtfotografen

Doch wie bewerten Profis die Möglichkeiten der Kamera ? Ich bat zwei Fotografen um eine Einschätzung. Der Hamburger Porträtfotograf Guido Rottmann konzentrierte sich auf den verbesserten Porträtmodus und ließ das neue iPhone gegen das Huawei P30 Pro (hier bei uns im Test) antreten.

"Als Porträtfotograf möchte ich eine Kamera, die ich in jeder Lichtsituation einsetzen kann. Besonders herausfordernd sind Gegenlichtsituationen: Hier sollte der Vordergrund schön anzusehen und der Hintergrund nicht einfach nur weiß sein. Insgesamt machen beide Telefone tolle Porträts. Was die Schärfe, den Detailreichtum und die Durchzeichnung angeht, liegt das iPhone meiner Ansicht nach vorne. Auch beim Dynamikbereich schneidet das iPhone 11 besser ab. Bei extremem Gegenlicht, etwa Reflexionen auf dem Wasser, geraten aber beide Telefone an ihre Grenzen." 

Ebenfalls herausfordernd sind Shootings in schummrigen Umgebungen, etwa im Alten Elbtunnel in Hamburg. "In solchen Lichtsituationen wird es kompliziert, wenn das Model auf mich zuläuft. Zwar werden die Bilder nicht so scharf und knackig wie bei einer Systemkamera. Aber auch hier hat im direkten Vergleich das iPhone die Nase vorn. Insgesamt wirkt die Software als auch die Abstimmung bei Apple deutlich runder."

Sein komplettes Fazit sowie Beispielbilder des Porträt-Shootings können Sie hier ansehen: 

iPhone 11 Pro versus Huawei P30 Pro: Welche Smartphone-Linse schneidet besser ab?
Porträtfotograf Guido Rottmann hat die Kameras des neuen iPhones 11 Pro mit dem Konkurrenzmodell von Huawei für den stern verglichen.
© stern-online
iPhone 11 Pro versus Huawei P30 Pro: Welche Smartphone-Linse schneidet besser ab?

Paul Ripke über das iPhone 11 Pro Max

Der zweite Fotograf, den ich um eine Einschätzung gebeten habe, ist der Mode- und Lifestyle-Fotograf Paul Ripke. Er begleitete unter anderem die Fußballnationalmannschaft beim WM-Finale in Rio 2014 und Formel-1-Fahrer Nico Rossberg bei seinem Titeltriumph. "Die Ultraweitwinkel-Linse eröffnet völlig neue Möglichkeiten - beim Fotografieren, vor allem aber bei Videos. Befinden sich die Motive in der Mitte des Bildes, erhält man einen abgefahrenen Look. Menschen wirken viel nahbarer. Ich hatte vorher große Bedenken, doch das Ultraweitwinkel macht extrem viel Spaß."

Beim Nachtmodus hat es ihm die Einfachheit angetan: "Apple ist es gelungen, jede technische Hürde auszumerzen. Jetzt sind sogar Achtjährige in der Lage, ein gutes Nachtfoto zu schießen." Aber auch Profis können mit Stativ und Langzeitbelichtung mehr aus ihrem Smartphone herausholen. Auf einem mit dem iPhone 11 Pro geschossenen Foto inszeniert sich Ripke in einem hell erleuchteten Pool auf einer Terrasse, während über ihm der kalifornische Sternenhimmel zu sehen ist. "So ein Bild war zuvor nicht mit Bordmitteln möglich."

Bad unter dem kalifornischen Sternenhimmel: Paul Ripke schoss ein Selbstporträt der etwas anderen Art. 
Bad unter dem kalifornischen Sternenhimmel: Paul Ripke schoss ein Selbstporträt der etwas anderen Art. 
© Paul Ripke / Fremdproduktion

Wie schlägt sich der Nachtmodus des iPhones im Vergleich zum Vorgänger und zur Android-Konkurrenz? Low-Light-Bilder werden heller und detailreicher als auf dem iPhone XS. Bei längerer Belichtungszeit fängt das iPhone mehr ein, als das menschliche Auge zu sehen vermag. Dann kann man selbst in stockdunklen Räumen noch das Notenblatt auf dem Papier lesen. Das ist technisch beeindruckend. Aber alles andere als realistisch: Das iPhone, so viel ist klar, stellt bei Nachtaufnahmen die Welt nicht dar, wie sie ist. Die Software konstruiert stattdessen eine bessere, schönere Wirklichkeit. Das ist die zweite Tradition, mit der Apple bricht.

Links ist der 
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© Christoph Fröhlich

Und den meisten Nutzern gefällt das. "Die Farben sind viel besser", "Endlich erkenne ich etwas" - solche Kommentare hört man, führt man Menschen den neuen Nachtmodus vor. In einer nicht-repräsentativen Befragung zog ein Großteil der Menschen den künstlerischen Look des iPhone 11 den dunklen Aufnahmen des iPhone XS vor.

Zu schnelle Bewegungen sind für die Kamera im Nachtmodus dennoch kaum zu fassen, etwa ein shakender Barkeeper am spärlich beleuchteten Tresen. Bei solchen Motiven kommen aber auch Kompaktkameras schnell an ihre Grenzen.

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