Die Dame aus New York trägt edle Sportschuhe zum Gucci-Kostüm, dezentes Blond und ein leichtes Lifting. So jemand hat perfekte Manieren, sollte man meinen. Aber offenbar hat sie ihre gute Kinderstube vergessen, denn mitten auf der Kunstmesse Art Basel schreit und kreischt sie hemmungslos: "Ich will dieses Bild kaufen. Ich habe mich darauf verlassen, dass ich es bekomme!" Zu spät. Schon weg. Sie war zu langsam. Wütend schmeißt sie ihre handgeschriebene Künstlerliste in die Ecke. Neo Rauch steht drauf, Jonathan Meese, Elizabeth Peyton. Alle nicht mehr zu haben. Sie hat versagt. Was werden jetzt ihre Freunde denken?
Kunst zu besitzen ist ein Statussymbol geworden: schick, angesagt und, so scheint es, eine lukrative Geldanlage. Leute, die bisher keinen Gedanken an Malerei verschwendet haben, sind angefixt von Auktionsrekorden und Märchenpreisen: 135 Millionen Dollar für ein Gemälde von Gustav Klimt. 3,1 Millionen Dollar für ein Bild von Gerhard Richter. Plötzlich wollen alle dabei sein. Aber wie geht das eigentlich: Kunst kaufen? Wie bekommt man die richtig guten Bilder? Wo anfangen, wenn man keine Ahnung hat und auch keine Millionen?
Die erste Frage, die sich jeder Käufer selbst beantworten muss: Was will ich eigentlich mit der Kunst anfangen? Darauf gibt es drei mögliche Antworten:
1. Freunde beeindrucken.
2. Geld vermehren.
3. Spaß haben.
Punkt 1:
Wer angeben will, braucht große Bilder von angesagten Künstlern. Und ein paar Millionen zum Rumspielen. Steve Cohen etwa, milliardenschwerer New Yorker Hedge-Fonds-Manager, kaufte mal eben einen Jackson Pollock für 52 Millionen Dollar, einen Warhol und einen Picasso für je 25 Millionen Dollar. Und als Zuckerl obendrauf noch Damien Hirsts in Formaldehyd eingelegten Hai für 12 Millionen Dollar. Wahrscheinlich hat Cohen damit nichts falsch gemacht, denn diese Künstler sind Stars des Kunstmarktes. Und seine Freunde dürften ordentlich gestaunt haben. Aber ob er besonders viel Spaß beim Kauf hatte, darf bezweifelt werden. Auch mächtige Gewinne wird er nicht machen. Sein Fehler: Er ist viel zu hoch eingestiegen.
Nun gut, das wird unsereinem nicht passieren. Für Normalverdiener ist die einzige Chance, früh zuzuschlagen, bevor ein Künstler weltweit bekannt wird. Und da sind wir schon bei Punkt 2: Geld vermehren. Dazu braucht man Glück und den richtigen Riecher. Der Verkäufer des Richter-Rekordbildes hatte vor 40 Jahren gerade mal 3.000 Mark dafür bezahlt. Wer vor zehn Jahren Gemälde des heutigen Kunstmarkt-Stars Neo Rauch kaufte, kann sich derzeit über eine satte Wertsteigerung von 3.000 Prozent freuen und über einen enormen Neidfaktor. Das Problem ist nur: Wie erkennt man, ob einer ein Star wird oder nicht? Wo ist der Gerhard Richter von morgen?
Promis mit "Sammel-Gen"
Manche spüren es einfach. So wie Francesca von Habsburg, Tochter des Mega-Sammlers Heinrich von Thyssen-Bornemisza. Sie hat ein "Sammel-Gen" geerbt, behauptet sie. "Niemand kann einem beibringen, ein großer Sammler zu sein." Kunst ist für sie "Lebensqualität". Leute, die Gemälde als Investment betrachten, findet sie "nur langweilig". Wahrscheinlich liegt hier das Geheimnis: Wer bei Kunst ständig nur ans Geld denkt, bekommt einen Tunnelblick und verpasst das Beste. Denn Bilder haben mit Gefühlen zu tun, sie müssen zum Käufer auch passen.
Kunstfonds sind deshalb mit Vorsicht zu genießen. Bernd Salomon baut gerade einen auf. Noch in diesem Jahr soll es losgehen. Das Konzept: Die Art Estate AG, deren Geschäftsführer er ist, und die angeschlossene Galerie Vonderbank kaufen Gemälde für rund 15 Millionen Euro und bilden einen Pool. Wer sich am Fonds beteiligen will, zahlt mindestens 10.000 Euro ein. Salomon: "Viele junge Anwälte oder Mediziner sind kunstaffin und wollen ein gutes Investment machen." Garantierte Rendite: vier bis fünf Prozent, "deutlich über der eines normalen Immobilienfonds". Gekauft wird ausschließlich zeitgenössische Kunst, "alles Blue Chips", so Salomon im Börsenjargon, also abgesicherte Werte.
Kunstfonds sind mit Vorsicht zu genießen
Aber was sind schon "Blue Chips" in der Kunst? Der Fonds orientiert sich an Hitlisten wie dem alljährlich von "Capital" veröffentlichten Kunstkompass und setzt auf Werke von US-Malern wie Andy Warhol, Robert Rauschenberg und James Rosenquist oder anerkannten Europäern wie Markus Lüpertz und A. R. Penck. Dumm nur: Die Spitzenwerke dieser Künstler sind längst in Museen oder Privatsammlungen. Was jetzt noch auf den Markt gelangt, ist meist Durchschnittsware.
So ein Kunstfonds ist deshalb risikoreich. Die Ersten bekommen vielleicht noch die versprochenen Gewinne. Aber wehe, wenn das Kartenhaus zusammenbricht und die Kunst nicht mehr loszuschlagen ist.
"Sammeln lohnt sich nur langfristig"
"Das Fiasko kommt in wenigen Jahren", glaubt Helge Achenbach, Kunstberater in Düsseldorf. Er fürchtet "eine Hausfrauen-Hausse. Dann springen alle hinterher und wollen am Kuchen teilhaben". "Gerade ist ein großer Immobilienfonds der Deutschen Bank aus dem Verkehr genommen worden, weil er riesige Verluste gemacht hatte. Das wird auch bei den Kunstfonds passieren", prophezeit er. "Wer sich auf so was einlässt, der ist selbst schuld."
Achenbach ist schon seit den 80er Jahren im Geschäft, damals war er einer der ersten Kunstberater Deutschlands. "Sammeln lohnt sich nur, wenn langfristig geplant wird", glaubt er und empfiehlt: "Keine Moden. Kein Hinterherrennen." Anfänger sollten sich an Kunstvereinen, Museen und deren Freundeskreisen orientieren. Und an seriösen Galerien.
Nicht von Moden beeinflussen lassen
Aber wie erkennt man eine seriöse Galerie? "Grauenhaft" findet Achenbach Galerien, die "keine langfristige Aufbauarbeit für Künstler machen", sondern nur kaufen und verkaufen. Die "über teure Anzeigen in schicken Modezeitungen" trendbewusste Kunden zu werben versuchen. Und dann auch noch "Kunst zu überteuerten Preisen" anbieten. Wer sichergehen will, sollte sich an der strengen Galerienauswahl der großen Kunstmessen orientieren.
Die Berliner Galerie Contemporary Fine Arts etwa ist regelmäßig in Basel, London, Berlin und Miami dabei. Nicole Hackert und ihr Mann Bruno Brunnet bauten Kunstmarkt-Stars wie Jonathan Meese und Daniel Richter auf. "Viele hören nur irgendwo, dass man dies oder das haben muss." Nicole Hackert nennt das: "Mit den Ohren schauen." Aber: "Die Leute, an die wir verkaufen, sind nicht geldgeil und nervös, sondern intelligent und markterfahren", sagt sie, "die lassen sich nicht so schnell von Moden beeinflussen."
Und wie wird man "markterfahren"? Ingvild Goetz, Groß-Sammlerin mit eigenem Museum in München, hat nur einen einzigen Ratschlag: "Gucken, gucken, gucken." Ein Jahr lang schulte sie auf Ausstellungen ihre Augen, bevor sie in den 60er Jahren anfing, Kunst zu kaufen. Heute ist sie ihren Konkurrenten meist ein paar Jahre voraus.
Und wie ist das nun mit
Punkt 3:
Spaß haben? Am meisten Spaß macht es, einfach nur Kunst zu entdecken, die einem gefällt. Die irgendwas bewegt. Die nicht nur dekorativ ist, sondern auch herausfordernd und intelligent. Wie die aussehen soll, muss man selbst herausfinden, und genau das ist der ganz große Kick.
Entdeckungen in jungen Berliner Galerien
Wer Entdeckungen machen will, sollte sich zum Beispiel in junge Berliner Galerien wagen wie die von Joanna Kamm, Johann König, Giti Nourbakhsch, Klara Wallner, Jan Wentrup oder Jan Winkelmann. "Erst mal muss man den ganz persönlichen Stil finden", rät Winkelmann. "Ich muss mich fragen: Warum gefällt mir das? Worin liegt der Zauber?" Ein bisschen Wissen gehört auch dazu. Das ist wie beim Aktienkauf. Wer viele Ausstellungen gesehen hat und oft in Kunstzeitschriften blättert, weiß gute von schlechter Kunst zu unterscheiden. Und wer sich nicht sicher ist, sollte auf einen Berater vertrauen.
Für Fortgeschrittene ist die Internetplattform artnet.de. Hier sind 180.000 Künstler und fast drei Millionen Kunstwerke mit den Preisen gespeichert, die sie auf Auktionen seit 1985 erzielten. Ein großartiger Überblick, der aber ganz junge Kunst nur zum Teil erfasst. Ab nächstem Jahr soll es auf artnet.de auch die Möglichkeit geben, Kunst per Internet zu kaufen. Qualitätskontrolle garantiert.
Kunstverein beitreten
Junge Kunst findet man auf der Art Forum in Berlin. Dort waren vor wenigen Wochen die erstaunlichen Arbeiten einer jungen polnischen Künstlerin zu entdecken: Monika Szwed. Geheimnisvolle Farbzeichnungen, aufregend und für einen Preis von 1.800 Euro vergleichsweise günstig.
Galerist Johann König, Sohn des weisen Kölner Museumsdirektors Kasper König, rät Sammel-Anfängern: "Treten Sie einem Kunstverein bei. Die bieten schöne Jahresgaben zu günstigen Preisen. Und sorgen immer mal wieder für feine Überraschungen." Paradebeispiel: Das "Wunder von Goslar". 1988 hatte Gerhard Richter das Bild einer brennenden Kerze als Jahresgabe für den Goslarer Kunstverein gedruckt und signiert. Auflage: 250 Stück. Mitglieder konnten ein Blatt für 50 Mark erwerben. Spottbillig. 16 Jahre später wurde eine der "Kerzen" auf einer New Yorker Auktion für 26 000 Dollar verkauft. Von solchen Renditen können Aktienbesitzer nur träumen. Aber die kann man nicht planen, mit Glück fallen sie einem zu. Wenn nicht, sollte man nicht allzu traurig sein, dann bleibt zumindest ein schönes Bild.
Allerbeste Anlaufstelle für Kunstanfänger ist die kleine, gemeinnützige Vereinigung der "Griffelkunst". Geschäftsführer Harald Rüggeberg sitzt mit seinen sechs Mitarbeitern in einem ehemaligen Schulgebäude in Hamburg-St. Pauli. "Wir sind die Sammlerschule", sagt er. "Bei uns kann man Sehen lernen."
Für einen Jahresbeitrag von 112 Euro bekommen die 4350 "Griffelkunst"-Mitglieder vier Grafiken pro Jahr. Das Besondere: Jeder muss mehrere Bildreihen in einer Ausstellung begutachten und dann auswählen. Immer ist auch Ungewohntes, Sperriges dabei. In kaum einer Ausstellung wird deshalb so heftig und leidenschaftlich diskutiert wie hier.
"Griffelkunst" hilft Anfängern
Mitglied der "Griffelkunst" wird man allerdings nicht von einem Tag auf den anderen. Es gibt eine Warteliste. Bis zu einem Jahr kann es dauern, ehe man nachrücken darf auf einen frei werdenden Platz. Wer schon in den Siebzigern oder Achtzigern dabei war, hat heute Werke von Gerhard Richter und Sigmar Polke an der Wand hängen. In der neuesten Auswahl gab es eine wunderschöne, kleine Bleiskulptur von Stefan Balkenhol, einem der Lieblingskünstler des Ex-Kanzlers Schröder. Kunstmarkt-Stars wie Jonathan Meese arbeiten hier zum Freundschaftspreis von 1.000 Euro. Einfach so. Weil sie die "Griffelkunst" mögen.
Allerdings darf niemand Handel treiben mit den preisgünstigen "Griffelkunst"-Werken. "Wir haben mittlerweile eine SoKo Handel und schmeißen verdächtige Mitglieder sofort raus", sagt Mitarbeiterin Britta Peters. Schon früh gewöhnte die "Griffelkunst" ihre Mitglieder auch daran, dass Fotografie und Fotokunst ernsthafte Sammelgebiete sind - und noch dazu relativ preisgünstig.
Auch Fotos sind ernsthafte Sammelobjekte
Einer der Ersten, der eine reine Fotogalerie eröffnete, war Rudolf Kicken. Damals, vor rund 30 Jahren, wurde er misstrauisch beäugt. Heute kann er ein 20 Meter langes Foto der Berliner S-BahnBögen problemlos für 20 000 Euro verkaufen. Das winzige Bild "Satiric Dancer" von André Kertesz, das in den 70er Jahren 20 000 Mark kostete, ist heute zwei Millionen Dollar wert. Glücklich, wer frühzeitig einen der wenigen Abzüge gekauft hat - aus Liebe zur Kunst und gegen jeden Trend.
Auf den Fototrend aufgesprungen ist 2004 die Fotogalerie Lumas. Mit günstigen Preisen und Filialen in schicken Großstadtquartieren wie Berlin-Mitte zieht sie junge Sammler an. Allerdings sind die Auflagen hoch, mit Wertsteigerungen ist kaum zu rechnen.
Kunstmarkt so kompliziert wie Aktienkauf
Fazit: Der Kunstmarkt ist mindestens so kompliziert wie der Aktienmarkt. Garantie auf Gewinne gibt es nicht, mit Wissen, Glück und Intuition kommt man aber an gute Bilder ran. Am besten, Sie kaufen bei seriösen Institutionen Werke, die Ihnen einfach nur gefallen. Alles andere ist Glückssache. Und mal ehrlich: An dem schönen Polke-Bild von der "Griffelkunst" kann man sich jeden Tag erfreuen. Verkauf kommt überhaupt nicht infrage - selbst wenn's erlaubt wäre.