"Wenn Menschen ohne Aufenthaltsrecht in der EU bleiben, wird das gesamte Migrations- und Asylsystem untergraben", heißt es in dem Gesetzentwurf. Derzeit kämen nur etwa 20 Prozent der Drittstaatler einer Ausreiseaufforderung durch die Behörden nach. "Es muss besser werden", betonte der Österreicher Brunner.
Das neue Gesetz soll die geltenden Regeln von 2008 in einigen Punkten vereinheitlichen und verschärfen: Erstmals sollen die EU-Länder eine Rechtsgrundlage erhalten, um abgelehnte Asylbewerber in Abschiebezentren in Drittstaaten zu bringen. Denn viele Heimatländer verweigern die Rücknahme der Migranten. In der deutschen Union gibt es Forderungen nach solchen Zentren, Kritik kommt dagegen aus der SPD als möglichem Koalitionspartner sowie von Grünen und Linkspartei.
In der EU hat bisher nur Italien mit dem Beitrittsanwärter Albanien eine ähnliche Abmachung geschlossen. Sie stößt allerdings auf massive juristische Bedenken. Außerhalb der EU hatte Großbritannien mit dem ostafrikanischen Ruanda Abschiebelager vereinbart, das teure Programm jedoch nach dem Wahlsieg der Labour-Partei im vergangenen Sommer gestoppt. In Deutschland hatte der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bereits 2004 "Aufnahmeeinrichtungen" in Nordafrika vorgeschlagen, der Vorstoß verlief jedoch im Sande.
Mit dem Gesetzentwurf will die EU-Kommission zudem "Schlupflöcher" für ausreisepflichtige Ausländer schließen - etwa wenn ein in Deutschland abgelehnter Asylbewerber einen zweiten Antrag in einem anderen EU-Land stellt. Dafür sollen Mitgliedsländer ihre Ausreise-Anordnungen für Drittstaatler künftig gegenseitig anerkennen und elektronisch im Schengen-Informationssystem (SIS) hinterlegen.
Darüber hinaus soll leichter Abschiebehaft verhängt werden können - etwa wenn Migranten ein "Sicherheitsrisiko" darstellen. Zudem sieht die EU-Kommission "abschreckende Maßnahmen" vor, wenn abgelehnte Asylbewerber sich den Behörden widersetzen. So soll etwa das Beschlagnahmen von Ausweisdokumenten einfacher möglich sein. Die Kommissionspläne bedürfen der Zustimmung der Mitgliedsländer und des Europaparlaments.
Bundesinnenministerin Faeser erklärte, effektivere EU-Verfahren würden Rückführungen "beschleunigen und effektiver durchsetzbar machen". Die Details des Vorschlags werde Deutschland intensiv und konstruktiv prüfen.
Die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont begrüßte den Vorschlag und sprach von einem der "ersten Testfälle" für das im Juni neu gewählte Europaparlament, im dem die AfD und andere Rechtsaußenparteien stärker vertreten sind. Der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber erklärte, europäische Rückführungszentren "könnten dabei helfen, Abschiebeverweigerern entgegenzuwirken".
Die EU-Grundrechteagentur hatte in einem im Februar veröffentlichten Bericht gewarnt, in solchen Außenlagern dürften keine "rechtsfreien Zonen" entstehen. Amnesty International nannte den Kommissionsvorschlag einen "neuen Tiefpunkt" beim Umgang mit Migranten. Die Menschenrechtsorganisation rechnet mit langwierigen Prozessen gegen solche Abschiebelager.
Brunner betonte dagegen, die Kommission habe "Sicherungsmaßnahmen" für Abkommen mit Drittländern vorgesehen, damit die Grundrechte gewahrt blieben. So sollen etwa keine Familien mit Kindern oder unbegleitete Minderjährige in Außenlager kommen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten von der Kommission bei ihrem Oktober-Gipfel "dringend" neue Abschieberegeln gefordert. Zuvor war der politische Druck in Deutschland, Österreich und anderen Ländern deutlich gestiegen.
In der Bundesrepublik erzeugen tödliche Angriffe durch ausreisepflichtige Ausländer immer wieder ein riesiges Medienecho. Zuletzt hatte ein offenbar psychisch kranker Afghane im bayerischen Aschaffenburg im Januar zwei Menschen getötet, darunter ein Kleinkind.
Statistisch gesehen hat sich die Lage dagegen entspannt: Die Zahl der Einreisen von Migranten ohne gültige Papiere ging in Europa zuletzt um mehr als ein Drittel zurück. Im vergangenen Jahr verzeichnete die EU-Grenzschutzagentur Frontex 239.000 sogenannte irreguläre Grenzübertritte, 38 Prozent weniger als 2023.