Scharfe Kritik Israels und der USA an Macrons Vorstoß zur Anerkennung eines Palästinenserstaats

Protest gegen den Nahrungsmittelmangel im Gazastreifen in Sachnin, Israel
Protest gegen den Nahrungsmittelmangel im Gazastreifen in Sachnin, Israel
© AFP
Die Ankündigung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Anerkennung eines Palästinenserstaates ist in Israel und den USA auf scharfe Kritik gestoßen. US-Außenminister Marco Rubio sprach am Freitag von einer "rücksichtslosen Entscheidung, die nur der Hamas-Propaganda dient", Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu von einer "Belohnung für Terror". Indes forderten Paris, Berlin und London in einer gemeinsamen Erklärung das Ende der "humanitären Katastrophe" im Gazastreifen.

Macron hatte am Donnerstagabend erklärt, Frankreich werde bei der UN-Generalversammlung im September einen palästinensischen Staat offiziell anerkennen. Netanjahu kritisierte, der Plan biete eine "Startrampe für die Vernichtung" Israels. "Die Palästinenser wollen keinen Staat neben Israel, sie wollen einen Staat anstelle von Israel", betonte er. 

US-Außenminister Rubio erklärte im Onlinedienst X, die USA lehnten den Plan Macrons "entschieden" ab. Der Schritt sei auch "ein Schlag ins Gesicht der Opfer vom 7. Oktober", fügte Rubio mit Blick auf den brutalen Angriff der Hamas auf Israel an dem Tag im Jahr 2023 hinzu.

US-Präsident Donald Trump hingegen spielte Macrons Äußerungen herunter. Macron sei "ein sehr guter Typ, ich mag ihn, aber diese Aussage hat kein Gewicht", sagte Trump zu Journalisten vor seinem Abflug nach Schottland. 

Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot wies die Vorwürfe aus Israels und den USA zurück. "Die Hamas hat eine Zweistaatenlösung immer ausgeschlossen. Indem Frankreich Palästina anerkennt, stellt es sich gegen diese terroristische Organisation", erklärte Barrot auf X. 

Palästinensische Vertreter begrüßten die geplante Anerkennung durch Frankreich. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einem "Sieg für die palästinensische Sache". Die radikalislamische Hamas forderte andere Staaten auf, einen Palästinenserstaat ebenfalls anzuerkennen. 

Der Sprecher der Bundesregierung, Stefan Kornelius, erklärte seinerseits, Berlin betrachte die Anerkennung eines palästinensischen Staates "als einen der abschließenden Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung" in Nahost. Gleichzeitig sei die Bundesregierung aber auch "bereit, den Druck zu erhöhen", wenn Fortschritte bei der Lösung des Konflikts ausblieben, betonte Kornelius.

Zur Begründung der deutschen Position sagte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) zudem, die Bundesregierung sehe die Frage der Anerkennung als "einen gegenseitigen Prozess an". Dies bedeute für ihn: "Israel müsste dann Palästina anerkennen und Palästina Israel", sagte er am Freitag dem ARD-Hauptstadtstudio. 

Eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Befreiung der dort weiter festgehaltenen israelischen Geiseln schienen unterdessen weiter in die Ferne zu rücken: Fast drei Wochen nach Beginn der jüngsten Gesprächsrunde im katarischen Doha hatten Israel und die USA am Donnerstag beschlossen, ihre Delegationen abzuziehen und der Hamas vorgeworfen, die Verhandlungen zu blockieren. "Die Hamas wollte wirklich keinen Deal abschließen. Ich denke, sie wollen sterben", sagte Trump am Freitag. 

Gemeinsam mit den USA werde Israel nun alternative Optionen erwägen, "um unsere Geiseln nach Hause zu holen, die Terrorherrschaft der Hamas zu beenden und einen dauerhaften Frieden für Israel und unsere Region zu sichern", erklärte Netanjahu am Freitag. 

Die Hamas warf den USA vor, ein falsches Bild der Verhandlungen wiederzugeben. Washington wolle lediglich die "israelische Position" unterstützen.

Die bei den Gaza-Verhandlungen neben den USA als Vermittler auftretenden Länder Ägypten und Katar erklärten, sie hielten eine Wiederaufnahme der Gespräche für möglich. Eine Unterbrechung sei "angesichts der komplexen Verhandlungen normal", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Kairo und Doha würden sich weiterhin "intensiv" um einem Durchbruch bemühen.

Indes riefen Deutschland, Frankreich und Großbritannien Israel zur Aufhebung aller Beschränkungen für humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen auf. "Die humanitäre Katastrophe in Gaza, deren Zeugen wir aktuell werden, muss ein sofortiges Ende finden", forderten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Macron und der britische Premierminister Keir Starmer am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung, deren deutsche Fassung die Bundesregierung am Freitagabend verbreitete. Zudem riefen sie zu einem sofortigen Waffenstillstand in dem Palästinensergebiet und zur "bedingungslosen" Freilassung aller Hamas-Geiseln auf. 

Israelischen Angaben zufolge soll es in Kürze wieder Hilfslieferungen aus der Luft für die Palästinenser geben. "In den nächsten Tagen werden wieder humanitäre Hilfslieferungen über dem Gazastreifen abgeworfen", sagte ein israelischer Vertreter, der anonym bleiben wollte, am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Die Flüge würden von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Jordanien koordiniert. 

Der Krieg in dem Palästinensergebiet war durch den Großangriff der Hamas auf Israel ausgelöst worden. Dabei wurden nach israelischen Angaben mehr als 1210 Menschen getötet, 251 wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Noch immer werden 49 Geiseln von den Islamisten festgehalten, mindestens 27 von ihnen sind nach israelischen Angaben jedoch tot.

Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seither massiv militärisch in dem Küstenstreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Behörden bislang mehr als 59.600 Menschen getötet.

AFP