Um 21.10 Uhr lehnt sich Ernst Uhrlau im Zeugenstuhl zurück, schmunzelnd. Die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss sind erledigt. Seinen kunstvoll ausweichenden Ausführungen können sie nicht mehr folgen. Folter umschreibt der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) so: "In Syrien gelten und galten andere Grundrechtsstandards, das ist schon immer so gewesen, es war kein einfacher Partner." Nach zwölf Stunden Vernehmungen von früheren und aktiven Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden wird die Sitzung vergangenen Donnerstagabend vertagt. Am Donnerstag dieser Woche muss er wiederkommen.
Dann muss auch der Außenminister vor den Untersuchungsausschuss in Berlin. Ein lästiger Auftritt für Frank-Walter Steinmeier.
Es geht um seine Zeit als Chef im Bundeskanzleramt, die "wenig glitzernden Seiten der Macht", wie er einmal sagte. Aussagen muss Steinmeier über seine Rolle im Fall Mohammed Haydar Zammar. Der deutsche Islamist wurde Ende 2001 auf Betreiben der CIA in sein Herkunftsland Syrien verschleppt, landete dort in einem Kerker, deutsche Beamte verhörten ihn in Damaskus. Frank-Walter Steinmeier war damals politisch verantwortlich.
Seit drei Jahren war die rot-grüne Regierung im Amt. Gerhard Schröder und sein Berater Steinmeier wollten ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Syrien aufschlagen.
Als erster deutscher Kanzler besucht Schröder im Oktober 2000 Damaskus.
Was die neuen Beziehungen zum Westen wert sind
Nach dem Herztod seines Vaters ist #link,http://www.stern.de/politik/baschar-al-assad-90282062t.html;Baschar al-Assad#, 34, gerade mit 97 Prozent der Stimmen ins Präsidentenamt "gewählt" worden. Schröder will sich als Türöffner profilieren. Er spricht von "politischen Reformen" in Syrien, vom "Neuanfang" in den Beziehungen. Am Geld soll das nicht scheitern:
Syrien schuldet Deutschland 2,5 Milliarden Mark und muss weniger als ein Viertel zurückzahlen, bis zum Jahr 2025. Zudem verspricht der Kanzler erstmals seit acht Jahren Entwicklungshilfe.
Was die neuen Beziehungen zum Westen wert sind, zeigt sich schon ein Jahr nach Schröders Besuch in Damaskus. Nach den Terrorangriffen am 11. September 2001 auf die USA beteiligen sich die Syrer am Kampf gegen al Qaeda auf eine ganz spezielle Art:
Ihre Kerker werden zu Folterkammern für den zivilisierten Westen. stern-Recherchen belegen nun, dass die Bundesregierung, und dort vor allem Kanzleramtsminister Steinmeier und BND-Chef Uhrlau, viel enger mit den Syrern kooperierte, als bisher bekannt ist.
Gemeinsame Sache mit einem Folterstaat
Die Verantwortlichen für die deutschen Geheimdienste waren früher in illegale CIA-Praktiken eingeweiht, als sie bislang zugegeben haben. Sie waren in die Entführung von Zammar tiefer verstrickt als bisher eingeräumt. Sie machten sich gemein mit einem Folterstaat und pumpen bis heute Millionensummen in das Land.
Nach den Anschlägen in Amerika ermitteln BKA-Fahnder in Hamburg auch gegen den deutschen Islamisten Mohammed Haydar Zammar, der als Al-Qaeda- Rekrutierer und Freund der Attentäter gilt.
Die Ermittlungsergebnisse reichen in Deutschland nicht für einen Haftbefehl. In solchen Fällen sind die Amerikaner jetzt bereit, alle Rechtsmaßstäbe über Bord zu werfen: Die CIA lässt weltweit Terrorverdächtige kidnappen und verschleppt sie in Drittstaaten, wo sie dann verhört und gefoltert werden - wie Zammar in Syrien.
Die Verantwortlichen in Deutschland wollen von solchen US-Praktiken jahrelang nichts gewusst haben. Frank-Walter Steinmeier sagte 2006 bei einem früheren Auftritt vor dem BND-Ausschuss, von Verschleppungen durch die Amerikaner erst im Juni 2004 erfahren zu haben, als sich der Anwalt des entführten Deutschlibanesen Khaled el-Masri an die Bundesregierung wandte. Ernst Uhrlau verwies damals auf erste Presseberichte Ende 2004 und beteuerte: "Wir in der Abteilung 6" des Kanzleramtes "hatten dazu keine eigenen Erkenntnisse, die über die Presseberichterstattung hinausgingen".
Gespräche über das Entführungsprogramm bereits im Herbst 2001
Dieser Darstellung von Steinmeier und Uhrlau widerspricht jetzt ein früherer CIA-Verantwortlicher gegenüber dem stern. Bereits im Herbst 2001 habe es zwischen Vertretern deutscher Sicherheitsbehörden und der CIA Gespräche über das Entführungsprogramm gegeben - also Wochen vor der Verschleppung von Zammar.
Tyler Drumheller, damals Europa- Chef der CIA und einer der Stellvertreter von CIA-Chef George Tenet: "Das war die Hauptsorge unserer Verbündeten: unilaterale US-Aktionen auf europäischem Boden, Terroristen abfischen ohne ihre Genehmigung, um die dann in einen Drittstaat zu schicken." Diese Sorge hätten die Europäer in den Wochen nach dem 11. September den Chefs der CIA-Stationen an den US-Botschaften in der EU mitgeteilt.
"Unser Station-Chief in Deutschland war deswegen im Herbst 2001 sehr besorgt", so Drumheller. Die CIA habe dann "versprochen, unsere Verbündeten bei Operationen einzubeziehen".
Bekanntschaft mit "Mister Steinmeier"
Tyler Drumheller, 55, steuerte zwischen Juli 2001 und Februar 2005 vom CIAHauptquartier in Langley aus geheime Operationen in Europa. Nach dem 11. September war es sein Job als "Chef der Europa- Division" in der operativen Abteilung der CIA, die Verantwortlichen der EUPartnerdienste auf die neue Gangart gegen Terrorverdächtige einzuschwören. Der damalige BND-Chef "Mister Hanning, ein ruhiger Typ", sei Ende September 2001 nach Langley gekommen, sagt Drumheller, er selbst sei im Oktober in Europa gewesen. Später "habe ich bei Uhrlau im Kanzleramt gesessen, und wir hatten mit wirklich komplizierten Dingen zu tun".
Auch "Mister Steinmeier" kenne er.
"Deutschland wollte helfen, jeder wollte helfen nach den Anschlägen. Aber bald gab es auch Bedenken, dass wir sie in Bereiche drängten, wo ihre Gesetze nicht reichten", sagt Drumheller. Und wenn die Mitwirkung bei Verschleppungen publik wird, dann könnten sogar "Regierungen stürzen".
Drumheller kannte die juristischen Schranken der Europäer aus seiner Zeit als Agent an den US-Botschaften in Berlin und Wien. Nun ging es also um "eine Zusammenarbeit im Stillen".
Was dann geschieht, scheint gut geplant
Was das bedeutet, zeigt sich Ende Oktober 2001, als Zammar in Hamburg ein Flugticket nach Marokko kauft. Das BKA observiert ihn, Telefone der Familie werden abgehört. Im Kanzleramt sind Steinmeier und Uhrlau über den bevorstehenden Abflug informiert und diskutieren Zammars Ausreise in einer Runde mit den Chefs der deutschen Sicherheitsbehörden.
Was dann geschieht, scheint gut geplant:
Drei Tage nach Zammars Abflug fordert die CIA über das US-Konsulat in Frankfurt vom BKA "zusätzliche Informationen über das Umfeld und die Aktivitäten von Mohammed Zammar". Die CIA interessiert sich besonders für Ergebnisse der deutschen "Abhörmaßnahmen". Obwohl Generalbundesanwalt Kay Nehm das Verfahren gegen Zammar nach dessen Abflug "strafprozessual auf Eis" gelegt hat, wird jetzt in Hamburg für die Amerikaner mit Hochdruck ermittelt. Nach der CIA-Anfrage verhören BKA-Beamte neue Zeugen.
Fahnder hören zu, wenn Zammar aus Marokko in Hamburg anruft. Für "Überstellungen", wie im CIA-Jargon Entführungen genannt werden, "musst du die Geschichte der Zielperson kennen", sagt Ex-CIA-Offizier Tyler Drumheller. Er hat in seiner aktiven Zeit selbst das Verschleppen von Terrorverdächtigen organisiert.
Für die Operation Zammar sind die Amerikaner auch auf deutsche Hilfe angewiesen.
Die Amerikaner bekommen ungefragt Details
Am 20. November 2001 übermittelt das FBI eine erneute, "modifizierte" Anfrage an das BKA: Die CIA in Berlin will wissen, ob sich das BKA sicher ist, "dass Zammar sich in Marokko befindet". Das BKA teilt den Amerikanern nun Datum und Flugnummer für die geplante Rückreise von Zammar mit und die Erkenntnis aus vier abgehörten Telefonaten zwischen Zammar in Marokko und seiner Familie in Hamburg: Er beabsichtige, "den gebuchten Rückflug anzutreten".
Diese zweite CIA-Anfrage "hat uns selbst überrascht", sagte Paul Kröschel, damals BKA-Einsatzleiter in Hamburg, vor dem BND-Ausschuss im November 2007 aus. "Wir waren aufgefordert, tatsächlich alle uns vorliegenden Informationen zur Person des Zammar" mitzuteilen. Wer auf deutscher Seite die BKA-Beamten dazu aufforderte, sagte er nicht. Der BND-Ausschuss wird sich dafür interessieren.
Fest steht: Die Amerikaner bekommen auch ungefragt Details wie Nummer und Datum der deutschen Einbürgerungsurkunde von Zammar, Schulzeit und Berufsweg, Anschriften, Geburtsdaten, Handyund Passnummern von Geschwistern und Verwandten in Hamburg und selbst in Syrien.
Zammar war Chefsache
Das Material aus Hamburg eignet sich perfekt, um ein Kidnapping vorzubereiten und Zammar dann bei Verhören unter Druck zu setzen - etwa mit konkretem Wissen über Familienangehörige im Folterstaat Syrien.
Am 8. Dezember 2001 wird Zammar auf Geheiß der Amerikaner von marokkanischen Sicherheitskräften festgenommen.
Die USA sorgen dafür, dass er um den Jahreswechsel 2001/02 in einem Folterkeller des Militärgeheimdienstes in Damaskus landet. Davon wollen Steinmeier und Uhrlau erst Mitte Juni durch die CIA erfahren haben, ein halbes Jahr nach seiner Festnahme in Marokko. Laut Dokumenten der Bundesregierung wusste es der BND schon drei Monate zuvor. Zammar war Chefsache bei den deutschen Sicherheitsbehörden.
"Wegen der offenkundigen Bedeutung und Sensibilität dieses Falles" waren nur wenige damit befasst, sagte der frühere BND-Vertreter in Damaskus vor dem Untersuchungsausschuss:
"BND-Leitungsebene in Rücksprache mit dem Bundeskanzleramt".
"Syrien ist eine ganz schlimme Diktatur"
Am 21. Juni 2002 reden die Spitzen der Sicherheitsbehörden im Kanzleramt erstmals über "die beabsichtigte Befragung von Zammar" in Syrien. Gut zwei Wochen später kommt Assif Schaukat, 55, ins Kanzleramt.
Der Generalmajor, ein Schwager von Staatschef Assad, ist der starke Mann beim syrischen Militärgeheimdienst. Mit ihm will Uhrlau eine Geheimdienst-Kooperation aushandeln - gegen den Rat von Experten. "Syrien ist eine ganz schlimme Diktatur", sagt Guido Steinberg, damals Terrorismus- und Nahostexperte im Kanzleramt, im BND-Ausschuss. Er habe gegen eine Kooperation argumentiert. Steinmeier und Uhrlau aber waren dafür.
Wie die in der Praxis aussieht, zeigt das Geheimprotokoll der Verhandlungen, die Uhrlau und Schaukat am frühen Nachmittag des 10. Juli 2002 führen. Uhrlau verlangt Informationen zu Zammar. Schaukat gibt vor, den Namen Zammar nicht zu verstehen. Uhrlau bietet an, Spionageverfahren gegen zwei syrische Agenten in Deutschland einzustellen. Doch da haben die Syrer ohnehin noch ein Ass im Ärmel:
Das Ass im Ärmel
Sie haben im Mai Adib H. verhaftet - den Kronzeugen gegen die beiden Spione. Adib H. hat einen deutschen Pass, mit dem er einen Besuch bei seiner Familie in Syrien riskierte.
Prompt wurde Adib H. bei der Einreise von Schaukats Schergen verhaftet, die von seinen Aussagen gegenüber den deutschen Ermittlern wussten.
Die beiden mutmaßlichen syrischen Agenten sitzen damals in Untersuchungshaft, in Frankenthal und Rheinbach.
Ahmad I., 49, studierte in Siegen 13 Jahre lang Maschinenbau, bevor er als "Kulturreferent" bei der syrischen Botschaft in Bonn arbeitete. Gleichzeitig leitet er einen syrischen Studentenverband und ist Vizechef der Arabischen Sozialistischen Baath- Partei, Sektion Deutschland. Seit seiner später geschiedenen ersten Ehe ist er Deutscher.
Ahmad al-Y. aus Mainz ist 42, Politikstudent und Vater von drei Kindern.
Bei dem Verfahren der Bundesanwaltschaft gegen die beiden geht es um tragische Schicksale. Der Anklageschrift zufolge spionierten sie für den syrischen Militärnachrichtendienst in Deutschland.
Angeschrien und geschlagen
Abteilung 283 des Dienstes soll im Ausland syrische Regimegegner neutralisieren, Studenten kontrollieren, Anhänger der Moslembruderschaft, Kurden und Personen mit Verbindungen zum israelischen Geheimdienst Mossad bekämpfen. Die beiden Spione meldeten, wenn Studenten nicht zu Schulungen der Baath-Parteizellen in Deutschland erschienen. Sie meldeten Kontakte von in der Bundesrepublik lebenden Syrern zu Juden. Ahmad al-Y. stahl syrischen Flüchtlingen ihre Asylanträge und gab sie dem "Militärbüro" in der syrischen Botschaft.
Die Denunzierten setzte der Geheimdienst auf Fahndungslisten der Grenzkontrollstellen in Syrien und im Libanon. Daraufhin wurden mehrere von ihnen bei der Einreise verhaftet, verhört und geschlagen, in einem Fall bis zur Bewusstlosigkeit. Väter und Brüder einiger Syrer, die Ahmad I. und Ahmad al-Y. gemeldet hatten, wurden in Verhören angeschrien und geschlagen, damit sie Informationen über ihre Angehörigen in Deutschland preisgeben.
An den monatelangen Ermittlungen gegen die Spione sind BKA-Beamte und Verfassungsschützer beteiligt, sie hören ab und observieren, durchsuchen Wohnungen, vernehmen Dutzende Zeugen. Am Ende steht die Anklageschrift, die Beschuldigten sollen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beihilfe zur Freiheitsberaubung verurteilt werden. Der Beginn der Hauptverhandlung ist auf den 23. Juli 2002 terminiert, der Richter am Oberlandesgericht Koblenz hat sich vorbereitet, Zeugen sind geladen. Den Kronzeugen Adib H. aber hält in Syrien der Geheimdienst fest.
Der Prozess sollte "Signalwirkung" haben
Unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung kommt es zu einem im deutschen Rechtsstaat höchst ungewöhnlichen Vorgang: Kanzleramtschef Steinmeier ruft Justiz-Staatssekretär Hansjörg Geiger an und verlangt, dass das Verfahren gegen die zwei syrischen Spione eingestellt wird.
Laut Grundgesetz ist das Justizministerium für eine solche Entscheidung zuständig.
Niemand sonst darf diese Befugnis an sich ziehen oder dem Justizministerium Weisungen erteilen.
Geiger selbst empfindet die Einstellung des Verfahrens "als fast schon peinlich", wie er später vor dem BND-Ausschuss sagt. Der Prozess sollte "Signalwirkung" haben. Doch er ruft Generalbundesanwalt Kay Nehm an.
Der verlangt etwas Schriftliches. Das bekommt er: Das Papier trägt weder die Unterschrift von Geiger noch die von Steinmeier - es ist ein Unterabteilungsleiter im Bundesjustizministerium, der abzeichnet.
So wird Steinmeiers Einflussnahme auf die unabhängige Justiz verschleiert. Steinmeier selbst wollte gegenüber dem stern zu diesem Vorgang nichts sagen.
Zammar bleibt in Syrien in Haft
Nur Stunden vor Prozess beginn kommen die Spione frei. Als Gegenleistung lassen die Syrer den Kronzeugen Adib H. etwa zwei Wochen später nach Deutschland ausreisen. Dort sind seine Vertrauten schockiert, als er ihnen Folterspuren am Körper zeigt.
Ein anderer Deutscher hingegen bleibt in Syrien in Haft: Mohammed Zammar.
Spitzenbeamte im Auswärtigen Amt werden sogar davon abgehalten, bei den Syrern weiter auf einen "konsularischen Zugang" zum Gefangenen Zammar zu pochen: "Nicht daran rühren. Wir haben unsere Pflicht getan", zitiert ein Ministerialdirigent aus der Rechtsabteilung Staatssekretär Gunter Pleuger. Dabei droht dem deutschen Staatsbürger die Todesstrafe.
Mit dem Segen von Steinmeier reisen vier deutsche Geheimdienstmitarbeiter und ein Polizist im November 2002 nach Syrien. Sie nutzen die Gelegenheit, Zammar im Beisein syrischer Aufpasser über seine Terrorverbindungen zu verhören. Er sagt ihnen, dass er in syrischer Haft "geschlagen" wurde, wie es in einem BNDProtokoll über die "Befragung" heißt.
Um seine Haftbedingungen oder gar eine Freilassung geht es ihnen jedoch nicht.
Freilassung Zammars aus humanitären Gründen angestrebt
Nun, gut fünf Jahre später, ist im BNDAusschuss bekannt geworden, dass die Syrer im Fall Zammar offenbar zu einer "einvernehmlichen Lösung" bereit waren. Mit diesen Worten deutet Ex-BKA-Präsident Ulrich Kersten am vergangenen Donnerstag an, was vor dem Syrien-Besuch der deutschen Beamten aus Damaskus zu hören war. Wollten die Syrer Zammar etwa nach Deutschland zurückschicken? "Das erinnert sehr an den Fall Kurnaz", sagt Max Stadler, FDP-Obmann im BND-Ausschuss.
"Bei Kurnaz hat die Bundesregierung auch nicht alle Möglichkeiten ausgelotet, um ihn aus Guantánamo herauszuholen." Der Türke aus Bremen blieb deswegen im umstrittenen US-Gefängnis auf Kuba, als amerikanische und deutsche Geheimdienstbeamte längst von seiner Harmlosigkeit überzeugt waren. Auch Zammar sitzt noch immer in syrischer Haft.
Steinmeier weiß, auf welche brisanten Fragen er diesen Donnerstag im Untersuchungsausschuss antworten muss. Wohl auch deshalb ließ er vor wenigen Tagen mitteilen, dass das Auswärtige Amt eine Freilassung Zammars aus humanitären Gründen anstrebe. Auch Ernst Uhrlau betont inzwischen, wie er sich in Syrien für eine "konsularische Betreuung" von Zammar einsetzte. Unerwähnt ließ Uhrlau, dass dies erst im September 2003 geschah, fast ein Jahr nach dem Verhör durch deutsche Beamte.
Die Deutschen helfen auch finanziell
Zammar war fast fünf Jahre im Folterknast in Damaskus, als eine deutsche Diplomatin erstmals zu ihm durfte. Syrien spioniert weiterhin in der Bundesrepublik, wie der Verfassungsschutz meldet.
Trotzdem setzt Frank-Walter Steinmeier auch als Außenminister auf die syrische Karte.
Im Januar 2008 empfing er in Berlin offiziell seinen Amtskollegen Walid al-Muallim, libanesische und amerikanische Diplomaten beschwerten sich im Kanzleramt.
Ein hochrangiger Beamter des US-Außenministeriums zum stern: "Solche Treffen helfen dabei, einem völlig isolierten Regime Legitimität zu verschaffen, das nichts tut, sich diese zu verdienen." Muallim soll in den Mord am libanesischen Ex-Premierminister Rafik Hariri in Beirut verwickelt sein - UN-Ermittlern liegt ein Telefonmitschnitt vor, der dokumentiert, wie Muallim Hariri eine Woche vor dessen Tod drohte.
Die Deutschen gewähren Damaskus nicht nur diplomatische Unterstützung, sie helfen auch mit viel Geld. Von 2000 bis 2005 zahlte das Entwicklungshilfeministerium (BMZ) über 87 Millionen Euro an Syrien - 35 Millionen mehr als im Haushalt ursprünglich veranschlagt.
Schuldenerlass von über 37 Millionen Euro
Im Dezember 2006 besuchte Außenminister Steinmeier Assad. Danach erließ das Bundesfinanzministerium Syrien Schulden in Höhe von über 37 Millionen Euro.
Im Sommer 2007 gab es die nächste Finanzspritze aus Berlin: Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) verkündete nach einem Treffen mit Assad, Syrien bekomme 44 Millionen Euro vom BMZ. Bis 2008 sollen insgesamt 70 Millionen Euro Entwicklungshilfe fließen.
Das begründet Wieczorek-Zeul mit vielerlei - von der Förderung der Marktwirtschaft über die Stabilisierung des Friedensprozesses in Nahost bis zur Verbesserung der Wasserversorgung in Aleppo. "Scheckbuch- Diplomatie!", schimpft Hellmut Königshaus, FDP-Bundestagsabgeordneter im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Während die Bundesregierung zahlt, warten deutsche Opfer von Terroranschlägen mit syrischer Beteiligung auf Entschädigung.
Faisal Sammak, Onkel von Baschar al-Assad
Am 25. August 1983 riss eine 24- Kilo-Bombe ein tiefes Loch in das "Maison de France" am Berliner Kurfürstendamm.
Es gab einen Toten und 23 Verletzte, darunter Andreas Genten, heute 50. Er ist wegen der Spätfolgen des Anschlages erwerbsunfähig.
Der Staatsanwalt sah Syrien als "Hauptsponsorstaat" für den Anschlag.
Unter den Mittätern, die im Januar 2000 vor dem Kammergericht in Berlin verurteilt wurden, ist ein syrischer Diplomat.
Mit internationalem Haftbefehl wird bis heute nach einer weiteren Person gefahndet:
Faisal Sammak, einst Syriens Botschafter in Ost-Berlin und Onkel von Baschar al-Assad. Ernst Uhrlau versuchte übrigens im Herbst 2003 vergebens, die Berliner Justiz zur Aufhebung dieses Haftbefehls zu bewegen.
"Syrien bekommt Millionen"
Im März 2004 baten Anwälte der Opfer das Auswärtige Amt um Hilfe bei Entschädigungsverhandlungen mit Syrien. Das Ministerium gab sich interessiert - und tat nichts. Die Korrespondenz mit den Diplomaten füllt mittlerweile Aktenordner. Seit Steinmeier Außenminister ist, herrscht völliger Stillstand.
Terroropfer Andreas Genten sagt: "Syrien bekommt Millionen aus deutschen Steuerkassen, und wir bekommen nichts.
Das will mir einfach nicht in den Kopf." Sein Anwalt Andreas Schulz reicht nun beim Verwaltungsgericht Klage ein. Das Auswärtige Amt soll sich verpflichten, Syrien zugesagte Entwicklungshilfe erst zu zahlen, wenn die Schadensersatzforderungen von Andreas Genten "seitens der Republik Syrien erfüllt sind".