Der Mississippi ist einer der vielleicht mythischsten Flüsse der USA. Mit einer Länge von 3770 Kilometern ist er der zweitlängste Fluss des Landes, schlängelt sich von seinem Ursprungsort, dem Late Itasca im Norden Minnesotas, an zehn Staaten vorbei bis in den Süden des Landes, wo er in den Golf von Mexiko mündet. Bereits 4000 Jahre vor Christus finden sich die ersten Spuren des indigenen Lebens an seinem Ufer. Während des Bürgerkriegs von 1861 bis 1865 war er ein wichtiges strategisches Ziel für Nordstaaten, aber auch die Konföderierten. Nicht zuletzt wurde der Fluss weltweit durch Mark Twains Meisterwerk "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" bekannt, bei dem der junge Huck gemeinsam mit dem Sklaven Jim auf einem Floß den Mississippi stromabwärts fährt. Doch nun ist Amerika besorgt um den Strom, denn eine lange Dürre im Norden und mittleren Westen des Landes haben die Pegel auf Rekordwerte fallen lassen.
Seit Monaten hat es in fast allen Staaten entlang des Flusses kaum geregnet. Über die Nebenflüsse landen sonst ein Drittel des Regens in dem Mississippi, doch wo kein Regen, da gibt es auch kaum eine Wasserzufuhr. Und das beeinträchtigt die Schifffahrt enorm. Anfang Oktober liefen binnen einer Woche laut der US-Küstenwache acht Frachtkähne auf Grund, auch Flusskreuzfahrten mussten wegen der niedrigen Pegelstände abgebrochen werden – gebessert hat sich die Situation seit Anfang Oktober jedoch nicht. Wie sehr sich das auswirkt, zeigt ein Blick auf die Pegelstände in einigen Regionen.
Salzwasser gelangt in den Mississippi
In New Orleans, kurz bevor der Mississippi in den Golf von Mexiko mündet, lag der Pegelstand am Samstag noch bei knapp 3,5 Fuß (rund 1,06 Meter). Andere Regionen sind noch stärker betroffen. Die "Washington Post" berichtete bereits Mitte Oktober, dass an einigen Stellen die Pegelstände mit einem Negativwert angegeben werden – ein Indiz dafür, wie niedrig das Wasser unter seinem normalen Level ist. Ähnlich verhielt es sich bei der Dürre im Sommer in Deutschland, wo auch beim Rhein negative Pegelstände gemessen wurden. Der National Weather Service, der Wetterdienst der Vereinigten Staaten, gab den Pegelstand in Memphis am Samstag mit fast minus 10 Fuß an, nur 1988 lag er mit minus 10,7 Fuß niedriger. Sinkt der Pegel auf unter minus zwölf Fuß, muss die Schifffahrt an der Stelle eingestellt werden. Zum Vergleich: Im Vorjahr lag der Pegel bei zwei Fuß, also fast zwölf Fuß (3,60 Meter) höher als aktuell. Brady Dennis, ein Journalist der "Washington Post", teilte in einem Artikel ein Video, bei dem er auf dem trockenen Grund eines Yacht-Clubs steht, im Hintergrund liegen die Boote auf schlammigem Grund. Normalerweise sei der Hafen ein Teil des Flusses gewesen, die Pegelhöchststände lagen bei 15 Fuß (rund 4,50 Meter).
Die Dürre hat aber auch drastische Folgen für die Menschen, die am Fluss leben. Wie die "Washington Post" und weitere US-Medien berichteten, strömt in Louisiana durch den niedrigen Pegelstand das salzige Meerwasser des Golfs von Mexiko ins Landesinnere und gefährdet die Trinkwasserversorgung. Plaquemines Parish, ein Bezirk im Süden Louisianas hat laut "NPR" bereits den Notstand aufgerufen und Trinkwasser-Hinweise veröffentlicht. Benny Rouselle, Ratsherr in dem Bezirk, erklärte, dass Salzwasser bereits in zwei Wasseraufbereitungsanlagen vorgedrungen sei. Auch im Rest des Staates schrillen die Alarmglocken, Ingenieure versuchen einen Unterwasserdamm zu bauen, um das Vordringen des Salzwassers zu stoppen.
Landwirte bangen um Mais und Soja
Jedoch auch an anderen Teilen des Flusses gibt es Probleme, denn für viele Landwirte ist der Mississippi auch eine Einkommensquelle. Laut dem US-Landwirtschaftsministerium werden rund 60 Prozent der für den Export bestimmten Mais- und Sojabohnenernte über den Fluss transportiert. Der Warenwert wird auf rund 17,2 Milliarden Dollar geschätzt. Doch mit den gesunkenen Pegelständen können die Schiffe nicht oder nur in deutlich verringerter Zahl fahren, ein Transport über die Schiene ist vielerorts nicht möglich, weil die Transportwege im Frühjahr gebucht werden müssen.
Für viele Anwohner und Touristen ist das ausgetrocknete Flussbett aber auch zu einem Anziehungspunkt geworden. "Mein Sohn ist sieben Jahre alt und ich habe ihm gesagt, dass wir hierherkommen müssen, weil wir so etwas vielleicht nie wieder in unserem Leben sehen", erklärte Jarrod Tipton der "Washington Post". Das Wasser sei so niedrig, dass man fast direkt nach Tennessee laufen könnte. Nahe Baton Rouge in Louisiana entdeckte ein Elfjähriger das Wrack eines Schiffs aus dem späten 19. Jahrhundert. In Missouri klettern Menschen auf den Tower Rock, einer Steinformation, die sonst eigentlich nur mit dem Boot zu erreichen ist. Dass sie auch in den nächsten Wochen weiter auf die Steine klettern können, scheint sicher. Denn Regen ist weiter nicht vorhergesagt.
Quellen: Washington Post (1), Washington Post (2), NPR, AP, The Advocate, United States Geological Service