Die Sensation war perfekt, noch bevor das Buch überhaupt erschienen war: Michael Wolff hat für sein neues Enthüllungsbuch "Fire and Fury: Inside the Trump White House" laut Verlagsangaben über 200 Interviews im engsten Machtzirkel von US-Präsident Donald Trump geführt - und dabei derart pikante Geschichten ausgegraben, das bereits die Vorabdrucke im britischen "Guardian" und dem "New York Magazine" hohe Wellen in Washington und der gesamten Welt geschlagen haben.
Eine ähnlich unliebsame mediale Präsenz wurde auch Medienmogul Rupert Murdoch zu Teil, als der US-Journalist 2008 dessen kontroverse Biographie "The Man Who Owns the News" vorgelegt hat. Das wirft Fragen auf: Warum wurde Donald Trump nicht vor dem Mann gewarnt, der laut Sprecherin Sarah Sanders "trashige Tabloid-Fiktion" über den US-Präsidenten zusammengefegt hat? Wie hat es Michael Wolff überhaupt geschafft, in den tiefsten Machtzirkel Trumps vorzudringen - und angeblich über 200 Interviews zu führen, etwa mit dem Ex-Chefstrategen Steve Bannon?
Hätte Trump bei Murdoch angerufen ...
"Alles, was sie tun mussten, war Murdoch anzurufen und er hätte gesagt, dass man nicht mit Wolff kooperieren sollte, weil er ein fieses Buch über ihn geschrieben hat", schreibt Gabriel Sherman auf Twitter. Der US-Journalist und Buchautor ist verblüfft, dass Wolff scheinbar problemlos die Pforten zur "Trumpworld" geöffnet worden. Zumal "Jared/Trump (Kushner, Chefberater von Trump, und Sohn Trump Jr., Anm. d. Red.) ständig mit Murdoch sprechen!" Nur wenige Minuten später antwortet Michael Wolff via Twitter: "Ich habe auf diesen Anruf nur gewartet."
Warum Wolff keinen Anruf bekommen hat und schließlich intime Einblicke aus dem Weißen Haus sammeln konnte, hat laut US-Magazin "Politico" mehrere Gründe. Der grundlegendste und folgenreichste: "Trump wurde gewolffed."
Wie das Politmagazin (nach-)skizziert, wurde auch Medienmogul Murdoch erfolgreich "gewolffed", der für die Biographie rund 50 Stunden mit dem Journalisten verbracht hat. So habe Wolff die "journalistische Fertigkeit perfektioniert", Momente aufzusaugen und sie umgehend auf dem Papier festzuhalten - für einen "Klatsch verehrenden" ("New York Times") Journalisten ist das natürlich ein Sechser im Lotto. Wie er an diese begehrten Klatsch-Momente (der "Guardian" spottete damals, Wolff sei daher nur Murdochs "Quasi-Biograph" gewesen) gelangte, sei eine schmale Gratwanderung gewesen. Er habe gegenüber Murdoch erfolgreich die Waagschale gehalten, sich als kritischer, aber auch als bewundernder Beobachter zu positionieren.
Wenige Wochen vor der Veröffentlichung, als das Buch fertig war, soll der Medienmogul seinem Biografen eine E-Mail geschrieben haben: "Es beinhaltet einige extrem schädliche falsche Angaben, über die wir reden können, wenn wir uns treffen könnten. Anderenfalls bleibt mir keine andere Möglichkeit, als mit Random House (Wolffs Verlag, Anm. d. Red.) zu reden", berichtet "Politico".
... würde es "Fire and Fury" vielleicht nicht geben
Auch Trump, beziehungsweise sein Umfeld, soll auf Wolff gewissermaßen reingefallen sein. "Sie deuteten einige von Wolffs großzügigen Trump-Stücken dummerweise als eine Art Solidaritätserklärung", schreibt "Politico"-Autor Jack Shafer. Als Beispiele führt er wohlwollende Stücke über Donald Trump und über dessen Chefstrategen Steve Bannon an. Es hagelte scharfe Kritik von Kollegen, berichtet das Politmagazin weiter. Die Texte seien nicht ausgewogen, gar parteiisch gewesen, hieß es. Wolff habe mächtig einstecken müssen. Besser geht es nicht.
Denn: "Umso größer die Kritik aus der Presse wurde, desto wahrscheinlicher wurde es, dass die Trumpies ihn aufnehmen werden", schreibt "Politico". Sprechen sich Trump und seine Gefolgschaft doch regelmäßig über die "voreingenommene" und "falsche" Berichterstattung der "Fake News" aus. Wolff sprang offenbar auf diesen Zug auf, rechnete in "Newsweek" mit Medien gewissermaßen ab.
Im Februar 2016 ist Wolff in der CNN-Sendung "Reliable Sources" zu Gast. Laut "Politico" räumte er dort ein, ein "bisschen einzustecken, um Zugang zu bekommen". Fast genau ein Jahr später scheint sein Kalkül aufgegangen zu sein: Wolffs "Fire and Fury: Inside the Trump White House" hat Platz eins der Amazon-Bestsellerliste erklommen, der Veröffentlichungstermin wurde - nach Trumps Versuch, die Publikation zu verhindern - auf den heutigen Tag vorgezogen.
Wolff twitterte: "Danke, Mr. President."