Der neue Prozess gegen den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny findet nicht vor einem Gericht in Moskaus statt, sondern in dem Straflager, in dem der Kremlkritiker schon inhaftiert ist. Nawalny sprach deswegen zum Prozessauftakt von einer willkürlichen Inszenierung. "Meine Prozesse sind ziemlich seltsam, was den Ablauf und die Urteile angeht, aber hier haben sie jede Grenze überschritten", sagte der Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstag in dem improvisierten Gerichtssaal. Dort traf er auch seine Frau Julia Nawalnaja wieder, das Paar umarmte sich und konnte die Pausen für sich nutzen.
Verantworten muss sich Nawalny diesmal wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern für seine inzwischen verbotene Anti-Korruptionsstiftung und wegen Beleidigung einer Richterin. Nach Angaben seines Teams drohen Nawalny 15 Jahre Haft.
Scholz bei Putin in Moskau: alle Karten auf den (Riesen-)Tisch

Gericht lehnte Verlegung nach Moskau ab
Das Gericht lehnte es ab, den Prozess in die rund 100 Kilometer weit entfernte russische Hauptstadt Moskau zu verlegen. Die Auftraggeber des Verfahrens hätten Angst, dass dann jeder sehen könne, dass die Anklage erfunden sei, meinte der 45-Jährige. Mehrere Journalisten fanden sich allerdings in dem Straflager in Pokrow im Gebiet Wladimir ein, wie etwa das Portal Mediazona berichtete.
Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch meinte, Putin räche sich mit dem Verfahren, "nachdem es ihm nicht gelungen ist, ihn zu töten". Nawalny hatte einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok im August 2020 nur knapp überlebt. Der Präsident wies eine Beteiligung zurück. Die EU hatte wegen des Attentats Sanktionen gegen Russland verhängt.
Nawalny war nach seiner Genesung in Deutschland, wo ihn Merkel in der Charité in Berlin besucht hatte, vor einem Jahr nach Russland zurückgekehrt. Er wurde am 17. Januar 2021 noch am Flughafen in Moskau festgenommen, weil er gegen Auflagen in einem anderen Strafverfahren während seiner Genesung verstoßen haben soll.
Olaf Scholz kritisiert Verurteilung Nawalny erneut
Bei seinem Treffen mit Putin kritisierte Bundeskanzler Olaf Scholz die Verurteilung des Kreml-Kritikers und das Verbot der Menschenrechtsorganisation Memorial. Bei Nawalny sei seine Haltung "sehr klar", sagte Scholz am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Russlands Präsident Wladimir Putin: "Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ist seine Verurteilung nicht vereinbar."
Deutschland sehe "mit Sorge", dass in Russland "die Räume für die Zivilgesellschaft schwieriger werden", betonte der Kanzler. Das gelte insbesondere im Hinblick auf solche Partner, "mit denen wir lange und wichtig zusammengearbeitet haben".