Anti-EU-Stimmung in Berlin Italiens Ministerpräsident warnt vor zu viel "Merkozy"

Klare Worte von Italiens "Anti-Berlusconi": Monti warnt vor zu viel "Merkozy" in Europa. Kanzlerin Merkel sieht das Euro-Schwergewicht auf gutem Weg und zollt Monti demonstrativ Respekt.

Italiens Ministerpräsident Mario Monti fürchtet wegen der Schuldenkrise anti-europäische Proteste in seinem Land und geht auf Distanz zum deutsch-französischen Euro-Krisenmanagement.

Monti hatte unmittelbar vor seinem Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in einem Interview mit der "Welt" gesagt: "Wenn es für die Italiener in absehbarer Zeit nicht greifbare Erfolge ihrer Spar- und Reformbereitschaft gibt, wird in Italien ein Protest gegen Europa entstehen - auch gegen Deutschland, das als Anführer der EU-Intoleranz gilt, und gegen die Europäische Zentralbank."

Deutschland und Frankreich sollten sich in punkto Haushaltsdisziplin "nicht allzu sehr erheben". Er fordere von den Italienern schwere Opfer, betonte Monti. "Ich kann aber mit meiner Politik keinen Erfolg haben, wenn sich die Politik der EU nicht ändert." Ansonsten könnte Italien "in die Arme von Populisten flüchten". Merkel ging auf die Kritik nicht ein und lobte stattdessen Montis Sparkurs.

Zeit für das Wachstum

Der Nachfolger von Silvio Berlusconi forderte die Märkte auf, die Fortschritte seines Landes anzuerkennen und niedrigere Zinsen zu akzeptieren. Italien, das Investoren zuletzt Rekordprämien bieten musste, will in den nächsten Tagen fast 20 Milliarden Euro frisches Geld an den Kapitalmärkten einsammeln.

Seine Landsleute hätten den Reformbedarf begriffen, sagte Monti nach dem Treffen im Kanzleramt. Nun brauche Italien aber Zeit, um Wachstum und Jobs zu schaffen. Die drittgrößte Volkswirtschaft im Euroraum hat nach Griechenland auch die höchste Schuldenquote. Die Wirtschaft gilt seit Jahren als wachstumsschwach.

Merkel erklärte nach dem über zweistündigen Gespräch, die Finanzmärkte zweifelten, ob jedes Land alleine seine Verpflichtungen erfüllen könne. Hier habe die Regierung Monti aber rasch "außerordentlich wichtige und bemerkenswerte Maßnahmen" umgesetzt.

Lob von Merkel

Rom habe bei Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen Geschwindigkeit und Substanz gezeigt. "Das ist etwas, was Italien stärken wird." Auch seien die Märkte unsicher, ob die Euro-Staaten wirklich zusammenhielten. "Das können wir nur gemeinsam beantworten." Erfreulich sei, dass die Verhandlungen über den "Fiskalpakt" zu mehr Haushaltsdisziplin in Europa gut vorankämen, erklärte Merkel.

Monti hatte im November den Ministerpräsidentenposten von Berlusconi übernommen, der auf Druck der Märkte und EU-Partner zurücktrat. Auf Anspielungen, der frühere EU-Kommissar Monti besitze deutsche Tugenden und sei so ein angenehmerer Partner, entgegnete die Kanzlerin, das Schöne in Europa sei doch, dass das Schubladendenken vorbei sei. Jedes Volk habe seine Tugenden und Schwächen. Aber: "Gemeinsam sind wir reicher und kräftiger als wir es alleine sind."

Monti hatte in dem Interview eine wichtigere politische Rolle Italiens in der EU verlangt. "Die gute Kooperation des französisch- deutschen Tandems ist eine notwendige Voraussetzung für Europas Fortentwicklung. Aber das reicht nicht, schon gar nicht in einem Europa der 27." Den schlimmsten Fehler in den vergangenen zehn Jahren hätten Deutschland und Frankreich begangen, als sie 2003 die Maastricht-Kriterien missachtet hätten. "Europa muss mehrere Zentren haben. Und Italien ist eines von ihnen."

DPA
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