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Der britische Premierminister Boris Johnson will offenbar zurücktreten. Das berichteten mehrere britische Medien am Donnerstag. Demnach werde Johnson noch am heutigen Donnerstag seinen Posten als Vorsitzender der konservativen Tory-Party räumen, berichteten BBC und Sky News unter Berufung auf Regierungskreise. Er wäre damit in Kürze auch sein Amt als Regierungschef los. Den Berichten zufolge wolle Johnson jedoch bis Herbst Regierungschef bleiben, bis ein neuer Tory-Vorsitzender gefunden sei.
In einer offiziellen Erklärung aus 10 Downing Street, dem Amtssitz des britischen Premierministers, heißt es: "Der Premierminister wird heute eine Erklärung gegenüber dem Land abgeben." Laut "Guardian" wird mit Johnsons Wortmeldung gegen Mittag gerechnet. Unmittelbar davor will der Premier offenbar neue Kabinettsmitglieder ernennen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Kommentatoren werteten die Ankündigung als Zeichen, dass Johnson als Übergangspremier weitermachen wolle, obwohl ihn zahlreiche Parteifreunde zum sofortigen Rückzug aufforderten.
Unklar ist bisher, ob Boris Johnson schon im Austausch mit der Queen gestanden hat. Der Buckingham Palast lehnte den Berichten zufolge eine Stellungnahme dazu bislang ab. Sollte ein Premierminister zurücktreten, muss diese Entscheidung normalerweise dem Palast mitgeteilt werden.
Tory-Politiker fordern sofortigen und vollständigen Rückzug
Der "Guardian" zitierte zwei ranghohe Tory-Politiker, die den sofortigen und vollständigen Rückzug Johnsons forderten. "Er muss heute die Amtssiegel abgeben und gehen", so eine der nicht namentlich genannten Quellen. Gegenüber Sky News meldete ein früheres Kabinettsmitglied Johnsons lautstarke Zweifel an, dass die Partei den mutmaßlichen Plan des Premiers mittragen würde.
Nicola Sturgeon, Erste Ministerin von Schottland, äußerte sich via Twitter erleichtert, dass das "Chaos der letzten Tage (eigentlich Monaten) ein Ende haben wird", wenngleich der schottischen Regierungschefin die "Vorstellung, dass Boris Johnson bis zum Herbst Premierminister bleibt, alles andere als ideal und sicherlich nicht nachhaltig" erscheine.
Auch Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng schloss sich den Forderungen an, dass Johnson eher früher als später gehen soll. "Wir brauchen jetzt so schnell wie möglich einen neuen Anführer", wurde Kwarteng von Sky News zitiert. Es sei "so viel unnötiger Schaden" verursacht worden.
Stühlerücken in London setzt Boris Johnson unter Druck
Johnson war in den vergangenen Tagen massiv unter Druck geraten. Mehrere Kabinettsmitglieder waren zurückgetreten. Zuletzt hatte ihn sogar der erst am Dienstag ins Amt berufene Finanzminister Nadhim Zahawi zum Rücktritt aufgefordert.
Noch am Abend zuvor hatte ein enger Johnson-Vertrauter verkündet, der Premier werde nicht aufgeben. "Der Premierminister ist in einer optimistischen Stimmung und wird weiterkämpfen", sagte Johnsons parlamentarische Assistent James Duddridge dem Sender Sky News. Johnson habe bei der vergangenen Parlamentswahl das Mandat von 14 Millionen Wählern bekommen und "so viel zu tun für das Land".
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Doch am Donnerstag drehte sich der Wind. Johnson wolle noch bis zur Wahl eines Nachfolgers als Regierungschef im Amt bleiben, berichtete der Nachrichtensender Sky News unter Berufung auf Regierungskreise.
Ausgelöst wurde die jüngste Regierungskrise in Westminster durch eine Affäre um Johnsons Parteikollegen Chris Pincher, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Zuvor war herausgekommen, dass Johnson von den Anschuldigungen gegen Pincher wusste, bevor er ihn in ein wichtiges Fraktionsamt hievte. Das hatte sein Sprecher zuvor jedoch mehrmals abgestritten.