Nach der gewaltsamen Erstürmung des Präsidentenpalasts in Brasília wird nun auch gegen Ex-Präsident Jair Bolsonaro persönlich ermittelt. Brasiliens Oberster Gerichtshof gab der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft statt, den rechtsradikalen Politiker auf eine Liste von Verdächtigen zu setzen, gegen die wegen der Gewalt am 8. Januar ermittelt werden soll. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Bolsonaro "Anstiftung und geistige Urheberschaft" vor. Seine Anwälte wiesen die Vorwürfe entschieden zurück.
Der zuständige Oberste Richter Alexandre de Moraes teilte mit, er gebe dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und setze Ex-Präsident Bolsonaro mit auf die Ermittlungsliste. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte zuvor dargelegt, mit der Veröffentlichung eines Videos, das "die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahlen 2022 in Frage stellt", habe Bolsonaro "öffentlich zur Begehung eines Verbrechens angestiftet".
Das Video wurde zwei Tage nach der gewaltsamen Stürmung des Präsidentenpalasts, des Kongresses und des Obersten Gerichtshofs durch Anhänger Bolsonaros veröffentlicht und später gelöscht. Die Generalstaatsanwaltschaft argumentierte, obwohl das Video nach den Krawallen aufgenommen wurde, könne es als "beweiskräftiger Zusammenhang" dienen, der "eine umfassende Untersuchung der Handlungen des Angeklagten vor und nach dem 8. Januar 2023" rechtfertige.
Mit Unterschrift von Bolsonaro: Offenbar Pläne zur "Korrektur" des Wahlergebnisses gefunden
In einer Mitteilung an die Nachrichtenagentur AFP versicherten Bolsonaros Anwälte, dieser habe "niemals auch nur die geringsten Verbindungen" zu den Verantwortlichen für die Erstürmung staatlicher Institutionen gehabt. Die Anwälte machten "eingeschleuste" Akteure für die Gewalt vom 8. Januar verantwortlich.
Am Samstag wurde zudem ein ehemaliger brasilianischer Minister aus der Bolsonaro-Regierung festgenommen. Ex-Justizminister Anderson Torres wurde laut Medienberichten bei seiner Rückkehr aus den USA in der Hauptstadt Brasília verhaftet. Gegen ihn lag ein Haftbefehl des Obersten Gerichts wegen mutmaßlicher Geheimabsprachen mit den Randalierern vor. Er beteuert seine Unschuld und hatte angekündigt, nach Brasilien zurückzukehren, um sich den Behörden zu stellen.
Vergangenen Sonntag waren hunderte Bolsonaro-Anhänger in der Hauptstadt in das Kongressgebäude, den Präsidentenpalast und den Sitz des Obersten Gerichts eingedrungen und hatten dort stundenlang schwere Verwüstungen angerichtet. Dabei entlud sich ihr Zorn über den Wahlsieg des Linkspolitikers Luiz Inácio Lula da Silva, der sich in einer Stichwahl knapp gegen Bolsonaro durchgesetzt hatte und seit Jahresbeginn im Amt ist.
Dramatische Bilder zeigen Angriff auf Regierungsviertel in Brasília

Die Protestierenden erkennen Lulas Wahlsieg nicht an. Auch Bolsonaro selbst hat dies nicht getan und reiste noch vor der Amtsübergabe in die USA ab.
Am Donnerstag hatte die Zeitung "Folha de S. Paulo" berichtet, dass im Haus des Bolsonaro-Vertrauten und ehemaligen Justizministers Anderson Torres ein Dokument gefunden worden sei mit Plänen für die "Korrektur" des Wahlergebnisses, die allerdings nicht in die Tat umgesetzt wurden.
Der dreiseitige Entwurf sieht demnach vor, dass Bolsonaros Regierung die Kontrolle über das Oberste Wahlgericht übernimmt – anscheinend um dann Lulas Wahlsieg zu annullieren. Ein solches Vorgehen wird von zahlreichen Juristen des Landes als verfassungswidrig eingestuft. Am Ende des undatierten Dokuments steht Bolsonaros Name mit Platz für seine Unterschrift. Torres kritisierte, die Zitate aus dem Dokument seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Bolsonaros Ausgaben mit der offiziellen Präsidenten-Kreditkarte sorgen für Empörung
Für Empörung sorgten derweil auch Bolsonaros Ausgaben mit der offiziellen Präsidenten-Kreditkarte, die von Lulas Regierung veröffentlicht wurden. Demnach wurden beispielsweise rund 217.000 Euro während der offiziellen Weihnachtsurlaube Bolsonaros in den Jahren 2019, 2020 und 2021 ausgegeben. Von einem bescheidenen Restaurant in Boa Vista im nördlichen Amazonasstaat Roraima, in dem das teuerste Gericht neun Euro kostet, wurden auf einen Schlag umgerechnet rund 20.000 Euro abgebucht.
Bolsonaro hatte sich während seiner Amtszeit mehrfach damit gebrüstet, im Gegensatz zu seinen Vorgängern "keinen einzigen Cent" mit der Kreditkarte des Präsidenten ausgegeben zu haben.