Vor kurzem warb der Chemieriese BASF mit ganzseitigen Anzeigen in Tageszeitungen für ein Erzeugnis des Hauses mit dem klangvollen Namen "Amflora". Es handelt sich um eine Kartoffel.
Obwohl die Kartoffel ein ziemlich bodenständiges Produkt ist, dürfte die BASF-Werbung an den meisten Haushalten vorbei zielen. Denn die Amflora ist nicht zum Essen da - schon gar nicht für den Menschen. Sie entstammt dem Labor der Unternehmensabteilung "agricultural solutions", worunter der Konzern jene Bereiche versteht, in denen er der Natur ins Handwerk greift: Pflanzenschutz, Biotech. Die Amflora ist eine Industriekartoffel und dient der Stärkegewinnung. Um die Stärke leichter separieren zu können, wurde die Amflora genverändert. BASF hofft mit der Vermarktung der Lizenzen für die Power-Knollen 20 bis 30 Millionen Euro im Jahr einzunehmen. Die Stärke lässt sich bei der Papierveredlung oder der Klebstoffherstellung nutzen.
Johannes Röhrig
Johannes Röhrig ist stern-Korrespondent in Brüssel. In seiner Kolumne "Brüssel en bloc" schreibt er regelmäßig über Figuren, Hintergründe und Skurrilitäten im EU-Zirkus.
Doch bislang lässt der Geldsegen auf sich warten. Seit acht Jahren blockiert die EU die Anbau-Zulassung der Industriekartoffel. Wenn es denn das Ziel der BASF-Werbekampagne gewesen sein sollte, die Kommission zur Eile zu treiben, so fiel das Resultat nun erneut ernüchternd aus. Der für Umwelt zuständige Kommissar Stavros Dimas schickte den Vorgang "Amflora" auf eine weitere Genehmigungsrunde; zunächst zur europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Dort liegt die Causa bereits zum dritten Mal. Zweimal hatte die EFSA ihr Plazet bereits für die Amflora gegeben; doch diese Empfehlung ist nicht bindend. Von einer Zulassung ist die Kartoffel also noch entfernt.
Ein Bekenntnis ist endlich nötig
Bei der Amflora, und das hatte BASF wohl unterschätzt, geht es nicht einfach um ein Industrieprodukt. Es geht um die Frage, ob Europa den Anbau genetisch veränderter Pflanzen wirklich will. Ein Bekenntnis ist endlich nötig, pro oder contra, wie auch immer es ausfällt. Seit Jahren lavieren die Regierungen um das Thema herum.
Zwar wird in der Europäischen Union bereits genmanipulierter Mais als Futterpflanze angebaut - vornehmlich in Spanien auf rund 20000 Hektar Land. Im Vergleich zu den USA mit über 50 Millionen Hektar Fläche ist der europäische Vorstoß in die Gen-Landwirtschaft jedoch äußerst überschaubar. Gerade mal 0,1 bis 0,2 Prozent der EU-weiten Anbauflächen sind mit genveränderten Pflanzen bestellt. Seit Jahren schon genehmigt die EU hier gar nichts mehr. Nach dem Mais hat es keine Gen-Pflanze mehr auf die hiesigen Felder geschafft.
Heikle Entscheidungen werden an die Kommission zurückverwiesen
Eigentlich ist es Sache der zuständigen Länderminister, Fälle wie den der Amflora zu entscheiden. Doch in der Ministerrunde fehlt es regelmäßig an den erforderlichen Mehrheiten. Das führt dazu, dass heikle Entscheidungen einfach an die Kommission zurückverwiesen werden.
Aus Sicht der Minister scheint das ein komfortabler Weg zu sein: Wenn mit Genpflanzen mal schief laufen sollte, lässt sich die Verantwortung schnell auf Brüssel lenken. Politisch ist das Abtauchen der Herrschenden jedoch ein Übel: Für eine Verwaltung wie die Kommission ist eine solche Richtungsentscheidung einfach eine Nummer zu groß.
Amflora könnte zur Antibiotika-Resistenz führen
Bei der Diskussion um die BASF-Kartoffel Amflora kommt allerdings noch etwas erschwerend hinzu: Sie ist für den menschlichen Verzehr möglicherweise nicht völligen unbedenklich. Sollte sie irgendwie in den Nahrungskreislauf gelangen, könne das die Resistenz bei bestimmten Antibiotika fördern, stellten Gutachter fest. Abgesehen von der Industrieverwertung hat BASF beantragt, die Überreste aus der Stärkeverarbeitung als Tierfuttermittel zuzulassen. Das war möglicherweise zu engagiert. Die Antibiotika-Resistenz sei eine rein theoretische Möglichkeit, die sich in keinem einzigen Praxistest habe nachweisen lassen, meint dazu eine BASF-Sprecherin.
Eine Prognose lässt sich schon heute treffen: Solange eine schädigende Wirkung durch Amflora nicht ausgeschlossen ist, wird BASF die ersehnte Anbau-Zulassung nicht erhalten. Der griechische Kommissar Dimas hat sich schon in weniger heiklen Fällen als in diesem kompromisslos gezeigt. Da helfen keine Werbekampagnen.