Nach rund anderthalb Jahren Wahlkampf und vier Wochen im Amt sollten die Amerikaner denkwürdige Auftritte ihres neuen Präsidenten langsam gewohnt sein. Eigentlich. Doch Donald Trump ist immer bereit, noch eine Schippe draufzulegen. Am Donnerstag war es mal wieder soweit. Und mal wieder war es ist nicht klar, ob dahinter nicht vielleicht doch eine perfide Strategie steckt.
Angesetzt jedenfalls war eine Pressekonferenz im East Room des Weißen Hauses, um den neuen Kandidaten für den Posten des Arbeitsministers vorzustellen, immerhin der erste Latino im Kabinett. Was folgte war ein Auftritt, der selbst die Reporter des Trump-freundlichen Senders Fox News entsetzt zurückließ. "Es ist verrückt, was wir hier jeden Tag zu sehen bekommen. Er wiederholt ständig lächerliche Behauptungen, die einfach nicht wahr sind", echauffierte sich Fox-Moderator Shepard Smith. Was ist bloß los mit Donald Trump?
Keine drei Minuten hat der Ex-Immobilienmogul gebraucht, um von der Personalie Alexander Acosta, dem designierten Arbeitsminister, auf den "unglaublichen Fortschritt" seiner Regierungsarbeit zu kommen. Noch nie sei ein Präsident in so kurzer Zeit so erfolgreich gewesen, behauptete er. Als habe es nie die Querelen um seinen zurückgetretenen Sicherheitsberater gegeben, als hätte kein Gericht sein Dekret zum Einreiseverbot für Muslime abgeschmettert und als sei er keine weitere Erklärung über die Verbindungen seines Teams nach Russland schuldig. Dabei war es nicht so, dass er die Themen ignoriert hätte. Doch von Startschwierigkeiten oder gar Chaos wollte der US-Präsident nichts wissen. Im Gegenteil. Seine Regierung laufe wie eine "gut geölte Maschine".

Donald Trump verbreitet Unsinn
Dass Politiker, frisch gewählte dazu, ihre Arbeit gegen Kritik verteidigen - verständlich. Dass sie dabei vielleicht auch übertreiben und die Dinge ein wenig schönreden - geschenkt. Es war die Art und Weise, wie Trump das tat. Da war zum Beispiel die Szene, als er behauptete, seit Ronald Reagan habe kein Kandidat mehr Wahlmänner gewonnen als er. Ein NBC-Journalist widerspricht und listet feinsäuberlich alle Präsidenten auf, die erfolgreicher bei US-Wahlen waren (so gut wie alle). Trump verteidigt sich, kein Kandidat der Republikaner. Der NBC-Journalist widerspricht erneut und nennt George Bush, den älteren. Trump schlägt als Kompromiss vor, sein Sieg sei immerhin "beträchtlich" gewesen. Der NBC-Journalist fragt, warum man ihm angesichts solcher falschen Äußerungen eigentlich trauen solle. Antwort Trump: "Das sind Informationen, die ich bekommen habe."
Befremdlich ist nicht nur, dass es das Staatsoberhaupt des mächtigsten Landes der Welt mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Oder dass er von Leuten umgeben ist, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Erschütternd wird es, dass er den Medien in drastischen Worten vorwirft, im Umgang mit der Wahrheit nicht besonders genau zu sein. Der Grad der "Unehrlichkeit" in den Medien sei "außer Kontrolle", er spüre geradezu den Tonfall des "Hasses", mit dem über ihn berichtet werde. Die Stunde, die der Präsident hinter seinem Pult stand, war eine einzige Generalabrechnung mit Journalisten. Als sei eine Pressekonferenz ein Treffen, bei dem man über die Presse spricht und nicht mit ihr. Donald Trump mag, wie viele Mächtige, ein zwiegespaltenes Verhältnis zu den Medien haben, vielleicht nahm ihm die Beschimpfungsarie auch etwas Druck aus dem Kessel, doch bei allem Gewettere gegen "Fake-News" bestätigte er, eher unfreiwillig, im gleichen Atemzug die Berichterstattung.
Aus echten Interna werden Fake-News
Seit seinem Amtsantritt vor einem Monat tropfen Interna nicht nur aus dem Weißen Haus, sie ergießen sich geradezu wie ein Schwall in die Öffentlichkeit. Michael Flynn, Trumps umstrittener Ex-Sicherheitsberater musste gehen, weil seine unerlaubten Telefonate mit einem russischen Botschafter durchgestochen wurden. Diese Indiskretionen seien das eigentliche Problem, so Trump, der damit en passant einräumte, dass diese Informationen durchaus zutreffend seien. Sobald sie aber in den Medien veröffentlicht werden, würden daraus plötzlich "Fake-News". Das soll einer verstehen.
Im Grunde folgte dieser wieder einmal denkwürdige Auftritt dem typischen Muster des Neuen im Weißen Haus: Wer gegen ihn austeilt, bekommt es zehnmal heftiger zurück. "Angriff, Angriff, Angriff - keine Verteidigung. Gib nichts zu, streite alles ab, geh' zum Gegenangriff über." Diese Taktik hat Trump einst von seinem Lehrmeister Roger Stone übernommen, einem berüchtigten Politikberater und Strippenzieher. Im Wahlkampf mag das funktionieren, doch am Schreibtisch des Oval Office wirkt diese Form der Realitätsverdrängung mindestens bizarr. Entweder lebt Donald Trump schon in seiner eigenen Welt oder er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Das frustrierende wie gruselige Fazit nach diesen 77 Minuten in Washington: Gibt es eigentlich noch irgendwas oder irgendwen, der es schafft, Donald Trump aus seiner ganz persönlichen Version der Truman-Show herauszuholen?