Der frühere US-Präsident Donald Trump hat sich bei einer Wahlkampfveranstaltung in Texas als Opfer völlig haltloser Anschuldigungen der Justiz präsentiert. Er habe sich "kein Verbrechen, kein Fehlverhalten" zu Schulden kommen lassen, sagte er am Samstag (Ortszeit) vor tausenden Anhängern. Dem Republikaner, der 2024 das Weiße Haus zurückerobern will, droht eine Anklage wegen einer Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin. Für seine erste große Wahlkampfkundgebung wählte Trump mit Waco einen symbolträchtigen Pilgerort für Rechtsradikale.
"Der Bezirksstaatsanwalt von New York hat unter der Federführung des 'Unrechtsministeriums' in Washington DC wegen etwas gegen mich ermittelt, das kein Verbrechen, kein Fehlverhalten, keine Affäre ist", sagte Trump in seiner Rede. Er sei Opfer von "einer Hexenjagd und erfundenen Ermittlung nach der anderen". Dahinter steckten "linksradikale Wahnsinnige". Freunde hielten ihn für den wahrscheinlich "unschuldigsten Mann" in der Geschichte der USA.
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
Donald Trump spottet über Staatsanwalt
Dem 76-Jährigen droht derzeit eine Anklage wegen einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels im Jahr 2016. Vor einer Woche hatte Trump erklärt, dass er in dem Fall festgenommen werden solle, und seine Anhänger zu Protesten aufgerufen.
Als Tag der angeblichen Festnahme nannte er den vergangenen Dienstag. Allerdings ist bis heute keine Anklage geschweige denn Festnahme erfolgt. In den vergangenen Wochen hatten sich aber die Anzeichen verdichtet, dass Trump bald angeklagt werden könnte.
Der Rechtspopulist hat seine Attacken auf den zuständigen Oberstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, zuletzt verschärft, und ihn als "verdorbenen Psychopathen" beschimpft, "der wirklich die USA hasst". Eine Anklage könne zu "Tod und Zerstörung" führen, warnte Trump. In Waco verwendete Trump wieder seinen Spottnamen für Bragg: "Ich mochte Pferdegesicht noch nie", sagte er.
Offenbar mit Blick auf seinen mutmaßlichen Seitensprung mit Stormy Daniels sagte Trump: "Das wäre nicht diejenige. Es gibt keine. Wir haben eine großartige First Lady."
Trump geriet auch durch andere Vorfälle ins Visier von Ermittlungen. So ernannte US-Justizminister Merrick Garland im November einen Sonderermittler, der Trumps Rolle bei der Erstürmung des Kapitols im Januar 2021 untersuchen soll. Wegen der Ausschreitungen seiner Anhänger war gegen den Ex-Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet worden, das aber im Senat scheiterte.
Trump provoziert mit Lied von Männerchor
Trump behauptete, jeder Teil seines Lebens werde durchleuchtet wie bei niemanden sonst in der US-Geschichte. Im Publikum hielten Zuschauerinnen und Zuschauer Schilder mit dem Wort "Hexenjagd" in den Händen - der üblichen Parole Trumps. Zu Beginn seiner rund anderthalbstündigen Rede wurde das Lied "Justice for all" (Gerechtigkeit für alle) gespielt. Es wird von einem Männerchor gesungen, dessen Mitglieder wegen ihrer Beteiligung an der Kapitol-Attacke am 6. Januar 2021 verurteilt wurden. Die mit dem Song erzielten Einnahmen sind für die rechtliche Unterstützung von Angeklagten bestimmt, die sich wegen der gewaltsamen Krawalle vor Gericht verantworten müssen. In dem Lied rezitiert Trump den Treueschwur auf die USA, während der Chor die Nationalhymne singt.
Trumps Anhänger halten die gegen ihn gerichteten Vorwürfe entweder für erfunden oder für unbedeutend. "Alles wird verzerrt, um ihm ein schlechtes Image zu verpassen", sagte etwa die 49-jährige Kelly Heath in Waco. Dadurch solle Trump zum Schweigen gebracht werden.
Ein 72-jähriger Rentner namens Louis sagte: "Alle Präsidenten hatten Geliebte. Warum nicht er?" Eine andere Trump-Anhängerin sagte, die Behauptung von Stormy Daniels, sie habe Sex mit Trump gehabt, sei "keine große Sache". Die Porno-Darstellerin sei "aus dem Nichts gekommen, um zu sehen, wieviel Geld sie da rausholen kann".
Seinen Auftritt in Waco hatte Trump vorab als seine erste große Wahlkampfveranstaltung im Präsidentschaftsrennen 2024 bezeichnet. Der Veranstaltungsort sorgte bereits im Vorfeld für Aufsehen: Waco war vor 30 Jahren Schauplatz eines mehrwöchigen massiven Polizeieinsatzes gegen Anhänger der Sekte Branch Davidians, in dessen Folge mehr als 80 Menschen starben.
Die texanische Stadt wurde in der Folge zu einem Pilgerort für Rechtsextreme, die Waco als Symbol für eine tyrannische Regierung ansehen. Auf Anfragen der Nachrichtenagentur AFP zu den Gründen für die Ortswahl reagierte Trumps Kampagnenteam nicht.
Mit der Kundgebung wollte Trump seinem Wahlkampf neuen Schwung verleihen. Zwar sehen die meisten Umfragen ihn als Sieger der Vorwahlen bei den Republikanern, die Begeisterung bei den Anhängern seiner Partei ist aber nicht so groß wie von Trump erhofft.
Außerdem hat sich ein Teil der Rechten, darunter auch einige reiche Wahlkampfspender, Trumps innerparteilichem Gegner, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, zugewandt. Der 44-Jährige hat seinen Hut für die Präsidentschaftskandidatur noch nicht offiziell in den Ring geworfen.