Was am Dienstag in New York passieren soll, ist klar. Aber wie die Anklageverlesung für Ex-US-Präsident Donald Trump über die Bühne gehen wird, ist die große Unbekannte. Die Sicherheitsbehörden in der US-Metropole bereiten sich auf alle denkbaren Szenarien vor.
Für den übereinstimmenden Medienberichten zufolge angesetzten Gerichtstermin dürfte Trump kurzzeitig in Gewahrsam genommen werden, um ihm seine Fingerabdrücke abzunehmen und sogenannte Mugshots, also Polizeifotos, von ihm zu machen. Immerhin: Dass der 76-Jährige – wie in solchen Situationen durchaus üblich – Handschellen angelegt bekommt, gilt als unwahrscheinlich. Dafür muss Trump vor der Staatsanwaltschaft in Manhatten erscheinen.
Donald Trump wird als erster Ex-US-Präsident angeklagt
Was genau die Staatsanwaltschaft dem Ex-Präsidenten vorwirft, ist offiziell noch nicht bekannt. Die Anklageschrift bleibt bis zu ihrer Verlesung unter Verschluss. Es soll um illegale Wahlkampffinanzierung gehen, weil Trump im Vorfeld der Präsidentenwahl 2016 Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels zahlte und diese womöglich via seinen Anwalt falsch abgerechnet haben soll. Daniels hatte behauptet, sie habe Sex mit ihm gehabt. Trump bestreitet eine Affäre, nicht aber, dass Geld geflossen ist. Es ist das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein früherer Präsident angeklagt wird.
Die Stimmung in New York vor dem Auftritt Trumps schildern Reporter als angespannt. Grund ist, dass Trump seine Anhängerschaft mehrfach dazu aufgerufen hat, ihn zu unterstützen. Erinnerungen an den Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 wurden wach.
Damit es nicht zu Ausschreitungen kommt, ist die New Yorker Polizei in Alarmbereitschaft. Sichtbarstes Zeichen sind die Absperrungen mit Gittern, die bereits seit einigen Tagen rund um das Justizgebäude in Manhattan stehen. Die umliegenden Straßen sind für den Autoverkehr gesperrt.
Sichtbar ist auch eine erhöhte Polizeipräsenz. Das New York Police Department (NYPD) mobilisiert für die Anklageverlesung alle verfügbaren Kräfte. Mindestens 35.000 uniformierte Männer und Frauen sollen bereitstehen, um mögliche Ausschreitungen zu verhindern. Hinzu kommen Tausende Zivilbeamte. "Es wird eine Kombination aus Geheimdienst, Staatsanwaltschaft und NYPD sein, die eine Sicherheitsmatrix koordinieren wird, um sicherzustellen, dass dies nicht zu einem Fiasko wird und alles so sicher wie möglich geschieht", sagt ein früherer NYPD-Beamter dem Fernsehsender CBS. Das Sicherheitsniveau sei vergleichbar mit den Vorkehrungen für die Silvesterfeierlichkeiten am Times Square, die seit jeher zu den arbeitsreichsten Stunden der New Yorker Polizei zählen.
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
Der für den Schutz des Ex-Präsidenten zuständige Secret Service hat der "Washington Post" zufolge bereits Vorbereitungen für die Anreise Trumps getroffen und unter anderem das Gerichtsgebäude inspiziert.
"Wir werden niemals Gewalt oder Sachbeschädigung tolerieren", sagt ein Sprecher des NYPD und verwies unter anderem darauf, dass bei Versammlungen rund um das Gerichtsgebäude das Tragen von Schusswaffen verboten ist.
New Yorks Bürgermeister Eric Adams lässt über einen Sprecher verbreiten, dass es "derzeit keine glaubwürdigen Bedrohungen für die Stadt" gebe, und fügte hinzu: "Das NYPD ist immer bereit, auf Ereignisse zu reagieren, die sich ereignen."
New Yorker Polizei steht vor schwieriger Aufgabe
Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg, der von Trump und seinen Fans immer wieder persönlich angegangen wurde und auch Morddrohungen erhielt, wird ebenfalls seit längerem persönlich geschützt. Details hierzu wurden nicht bekannt.
Die Polizei in New York steht vor einem Spagat, sagt der CNN-Analyst und ehemalige Secret-Service-Agent Jonathan Wackrow. Sie müsse die Protestierenden bei der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte schützten und zugleich jegliche Art von gewalttätigen Aktivitäten, die aus diesen Protesten resultieren könnten, stoppen.
Zuletzt mehrten sich sowohl aus dem demokratischen als auch aus dem republikanischen Lager Stimmen, die zur Deeskalation aufriefen. Dass allerdings die Anklageverlesung am Dienstag ruhig über die Bühne gehen wird, ist keinesfalls ausgemachte Sache. Trump wird nach Angaben seines Anwalts auf nicht schuldig plädieren.
Während der Verlesung der Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump werden keine Videokameras zur Liveübertragung aus dem Gericht zugelassen sein. Der zuständige Richter Juan Merchan lehnte am Montagabend (Ortszeit) einen entsprechenden Antrag etlicher Medien ab, wie diese berichteten. Erlaubt sind demnach aber fünf Fotografen, die zu Beginn der Anklageverlesung Fotos machen können. Die Medienorganisationen hatten ihren Antrag mit dem öffentlichen Interesse begründet, Trumps Anwälte sperrten sich gegen eine Videoübertragung.
Angesetzt wurde der Gerichtstermin auf 14.15 Uhr (Ortszeit; 20.15 Uhr MESZ). Trump will anschließend zurück in seine Privatresidenz Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida reisen und dort am Abend eine Erklärung abgeben.
Quellen: "Washington Post", CBS, CNN, Nachrichtenagentur DPA