Elfenbeinküste Feuer in Frankreichs "Hinterhof"

Die Unruhen in der Elfenbeinküste zeigen, wie Frankreich in Afrika Einfluss verliert. Viele Franzosen fragen daher, wie es mit der Afrikapolitik weitergehen soll. Offenbar hat Paris nationalistische Strömungen unterschätzt.

Frankreich ist in seinem afrikanischem "Hinterhof" zwischen zwei Feuer geraten und droht, sich heftig zu verbrennen. Der schnelle und effiziente Militärschlag am Wochenende hat zwar die kritische Lage in dem westafrikanischen Krisenland Elfenbeinküste beruhigt und einen Bürgerkrieg vorerst verhindert. Doch in Paris gibt man sich keinen Illusionen hin: Frankreich verliert Einfluss in Schwarzafrika, und die Elfenbeinküste ist dafür das beste Beispiel. "Die Scheidung" titelte "France Soir" am Montag zu den antifranzösischen Unruhen.

Noch unter dem Schock der Bilder der Gewalt fragen viele Franzosen, wie es weitergehen soll. Der Parteichef der liberalen UDF, François Bayrou, rief die Regierung zur "Klarstellung" ihres Vorgehens auf. Selbst der regierungsnahe "Figaro" forderte ein Ende der selbstherrlichen Außenpolitik des Präsidenten und eine echte Debatte über die Afrikapolitik.

Von Senegal bis Dschibuti

Fast 11 000 Soldaten hat Frankreich in Afrika stationiert - vom Ferienparadies Senegal über das Ölland Gabun bis zum strategisch wichtigen Dschibuti am Eingang des Roten Meeres. Die Hälfte der Truppen stehen jetzt in der Elfenbeinküste, dem mit Abstand wichtigsten Land der - an den Euro gekoppelten - westafrikanischen Währungszone. Hier waren die Franzosen auch nach der Unabhängigkeit 1960 stets willkommen gewesen. Zwei Drittel der Privatunternehmen sind in französischer Hand. Sie schufen ein Wirtschaftswunder, das Millionen Einwanderer aus den Nachbarländern anzog. Noch in den 90er Jahren nannten sich die Ivorer gerne "die Franzosen Afrikas".

Doch das hat sich seit den 90er Jahren geändert. Als Reaktion auf das Millionenheer der Einwanderer aus Mali oder Burkina Faso - mehr als ein Viertel der Einwohner - wuchs bei den Ivorern ein rassistisch gefärbter Nationalismus heran, der auch die Bindungen an Frankreich zersetzt. Plötzlich wurde die "Ivorität" zum wichtigen Argument im Streit um Arbeitsplätze oder politische Ämter. "Paris hat das Entstehen dieser nationalistischen Strömung besonders in den ärmeren Klassen im Süden nicht begriffen", sagt der Politologe Michel Galy. Das Unverständnis sollte sich rächen.

Belastet wird das Verhältnis auch von innenpolitischen Querelen in Frankreich. Beim "Weihnachtsputsch" 1999 in der Elfenbeinküste wollte Präsident Jacques Chirac der Regierung militärisch beistehen, doch Premierminister Lionel Jospin - sein sozialistischer Rivale bei der Präsidentenwahl - stellte sich quer. Für viele Ivorer war das ein Schock: In der Not ist auf Mutter Frankreich kein Verlass.

Noch größer war die Enttäuschung beim zweiten Putsch 2002: Obwohl die Rebellen vom Ausland (Libyen und Burkina Faso) unterstützt wurden, entschloss sich Chirac nicht, die Angreifer gemäß dem Beistandspakt mit der Elfenbeinküste zurückzuschlagen. Unterstützt von der UN zwang er Präsident Laurent Gbagbo eine politische Lösung auf, die das Land spaltete und die Rebellenherrschaft im Norden zementierte. Während die Rebellen die Franzosen als Feinde ansehen, weil sie ihnen den Vormarsch nach Süden versperrten, wirft Gbagbo Paris Vertragsbruch vor. "Die Ivorer fühlen sich verraten", sagt Galy. Frankreich sitzt zwischen zwei Feuern, ohne sie löschen zu können.

Konflikt treibt Preise für Kakao nach oben

Die Kämpfe haben auch auf europäische Verbraucher Auswirkungen: Die Elfenbeinküste ist mit einem Anteil von 43 Prozent am Weltmarkt die Nummer eins im Kakaogeschäft und hat damit starken Einfluss auf die Weltmarktpreise. In New York schnellte der Preis für den aromatischen Schoko-Rohstoff am Warenterminmarkt vergangene Woche um 11 Prozent in die Höhe. Am Freitag stieg Kakao zur Dezemberauslieferung um 65 Dollar oder 4,15 Prozent auf 1633 Dollar je Tonne. Ein Abwärtstrend ist vorerst kaum in Sicht, alles deutet auf ein Anziehen der Schoko-Preise hin.

Die Vereinten Nationen befürchten, dass anhaltende Kämpfe die Bauern bei der Ernte beeinträchtigen und wichtige Transportwege zu den Häfen des Landes unterbrechen könnten. Hinzu kommt, dass viele Farmarbeiter, die ursprünglich aus den Nachbarländern Burkina Faso und Mali stammten, durch offene Ausländerfeindlichkeit von den Plantagen vertrieben wurden.

"Geht es dem Kakao gut, geht alles gut", heißt ein Sprichwort an der Elfenbeinküste, die zu guten Zeiten mehr als 1,3 Millionen Tonnen Kakaobohnen exportierte. Im Klartext: Wer den Kakao kontrolliert, hat das Sagen in der Elfenbeinküste. Im feuchtwarmen Klima gedeihen Kakao und Kaffee, aber auch Baumwolle und Zuckerrohr hervorragend. Rund 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes macht der Kakao-Handel aus, der sechs Millionen der 17 Millionen Einwohner direkt oder indirekt ein Einkommen verschafft. Das Handelsvolumen mit ivorischem Kakao an den Börsen von New York und London wird im Schnitt auf 21 Milliarden Dollar geschätzt.

Im Bestreben, den wichtigen Kakao-Handel nach dem Bürgerkrieg im Lande wieder anzukurbeln, öffnete Präsident Laurent Gbagbo die Wirtschaft für US-Konzerne wie Cargill und ADM, während sich die französisch-multinationale Gruppe Bolloré zurückzog. Beobachter machten das an den zunehmenden Problemen fest, die vor allem französische Unternehmen nun in Abidjan erleben. Auf internationalen Druck hatte die Regierung 1999 begonnen, den Kakaomarkt zu liberalisieren. Bis dahin hatte die Ausgleichskasse der Regierung zur Stabilisierung der Erzeugerpreise "Caistab" als immer gut gefüllte schwarze Kasse gedient.

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Hans-Hermann Nikolei und Ralf E. Krüger/DPA