Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, notfalls mit Kapitalspritzen für die Banken eine neue Branchenkrise zu verhindern. Die Kommission werde ein abgestimmtes Vorgehen vorschlagen, um die Banken zu rekapitalisieren und von faulen Wertpapieren zu befreien, kündigte Präsident Jose Manuel Barroso am Donnerstag an. Er sprach laut der Behörde in einem Interview mit dem Internetdienst YouTube und dem TV-Sender Euronews. "Wir sind entschlossen, alles zu tun, um sicherzustellen, dass die europäischen Banken ihre wichtige Rolle als Kreditgeber von Bürgern und Unternehmen spielen können", sagte er in Brüssel vor der Presse. Ein Sprecher der Kommission ergänzte, es werde einen offiziellen Vorschlag der Kommission dazu geben. In EU-Kreisen hieß es jedoch, einen europäischen Mechanismus zur Entsorgung fauler Wertpapiere oder eine europäische "Bad Bank" werde es nicht geben.
Dringenden Handlungsbedarf sieht auch EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia. Bei den Banken müssten die Bestände an Staatsanleihen überprüft werden. "Wir müssen die Rekapitalisierung fördern, um die Lebensfähigkeit der Banken zu sichern", sagte er. "Als letztes Mittel sollte öffentliche Unterstützung wieder in Betracht gezogen werden, so lange sie in Einklang steht mit den Beihilferegeln."
Als Reaktion auf Barrosos Äußerungen zogen die Aktienkurse europaweit an, der Euro stieg leicht zum Dollar. Der Dax gewann bis zum Mittag 2,3 Prozent auf 5599 Punkte, der EuroStoxx50 legte um 1,7 Prozent zu. "Das will der Markt natürlich hören", sagte ein Händler zu Barrosos Äußerung. Ein anderer Börsianer stellte fest: "Es steigt die Zuversicht, dass die Politik die Probleme im Bankensektor angeht und die Staaten Gewehr bei Fuße stehen."
Keine neuen Stresstests
Die Zuversicht könnte allerdings voreilig sein. Die 27 EU-Staaten tun sich schwer mit der von der Kommission geforderten Abstimmung. Die wird aber für notwendig gehalten, um den Wettbewerb unter den Banken nicht zu verzerren. Deutschland drängt auf eine Rekapitalisierung und ist selbst zu neuen staatlichen Rettungsaktionen bereit, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte. Andere Länder sind dafür, dass die Banken sich frisches Kapital selbst am Markt besorgen sollen. Streit gibt es auch darüber, ob der EFSF mit seiner neuen Möglichkeit, Kredite zur Bankenrekapitalisierung zu vergeben, den Instituten direkt Geld geben soll oder nur der jeweiligen Regierung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bestand am Dienstag darauf, dass Kapitalspritzen für Banken nach dem EFSF-Vertrag nur über Hilfen für ein Land möglich sind, und dieses sich zur Reparatur seines Bankensektors verpflichten muss.
Aber zumindest wächst das Problembewusstsein der Politiker. "Die Situation hat sich seit den Stresstests verschlechtert", sagte ein EU-Vertreter. "Das erklärt, warum mehr und mehr Minister und die Kommission die Rekapitalisierung der Banken vorantreiben wollen." Über eine Koordination möglicher Hilfsaktionen reden die EU-Finanzminister bereits seit Juni. Doch erst am Dienstag hatten sie vereinbart, bis zur nächsten Sitzung im November sich einen Überblick über die Lage und den Finanzbedarf der Banken zu verschaffen. Einen konkreten Plan zur Rekapitalisierung vereinbarten sie aber nicht.
Die drohende Schieflage der französisch-belgischen Bank Dexia hat die Euro-Länder aufgerüttelt. So wie Dexia könnten noch andere Institute im Strudel der Euro-Schuldenkrise in Bedrängnis kommen. Die Bank hatte trotz ihres hohen Engagements in Griechenland den Banken-Stresstest bestanden. Der Test, der Monate dauern würde, soll dennoch nicht wiederholt werden, wie die europäische Bankenaufsicht (EBA) erklärte. "Die EBA sieht sich die Kapitalpositionen der Banken an", teilte die Aufsicht in London mit. In Bankenkreisen hieß es, die EBA rechne auf Basis der alten Daten die Situation der Banken neu durch und lege dabei etwa die aktuelle Marktbewertung von Staatsanleihen zu Grunde. Barroso sagte, im Nachgang der Tests sei eine Stärkung der Banken, die sich als zu schwach erwiesen hatten, schon im Gang. Doch seien noch weitere Anstrengungen notwendig.
Die "Financial Times" hatte zuvor berichtet, die EBA habe bereits mit einem neuen Stresstest begonnen. Dabei werde die Behörde Marktwerte zugrunde legen, um einen Schuldenschnitt bei den Staatsanleihe-Beständen der Institute vorzunehmen, berichtete das Blatt. Dabei könne möglicherweise ein Kapitalbedarf von bis zu 200 Milliarden Euro in der gesamten Branche ans Tageslicht kommen.