Ob er wusste, was für ein Beben sein Alleingang auslösen würde? Im europäischen Ausland schwanken die Reaktionen auf die Ankündigung des griechischen Regierungschefs Giorgos Papandreou, das Volk über die Sparmaßnahmen abstimmen zu lassen, zwischen vorsichtigem Verständnis und Schock. Die Börsen, vor allem der deutsche Aktienindex Dax, rutschten ab. Aber auch in Griechenland selbst regt sich erheblicher Widerstand gegen den Vorstoß des Ministerpräsidenten der Panhellenistischen Sozialistischen Bewegung (Pasok). Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik. "Herr Papandreou ist gefährlich. Er schnippt die griechische EU-Mitgliedschaft wie eine Münze in die Luft", sagte ein Sprecher der konservativen Partei Neue Demokratie. Parteichef Antonis Samaras sprach sich für vorgezogene Neuwahlen aus. Aber auch Die Abgeordnete Milena Apostolaki erklärte am Dienstag, sie verlasse die sozialistische Fraktion, werde ihren Parlamentssitz aber behalten. Die frühere Entwicklungsstaatssekretärin, ein führendes Pasok-Mitglied, protestierte damit nach eigenen Worten gegen das geplante Referendum, das zur "Spaltung" Griechenlands führe. Papandreous Mehrheit im Parlament verringert sich dadurch auf 152 von insgesamt 300 Abgeordneten. Vasso Papandreou, ein anderer führender Pasok-Politiker, forderte als Konsequenz aus der Schuldenkrise die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit. Außerdem setzte sich der Abgeordnete am Dienstag in einem Appell an den Präsidenten für vorgezogene Wahlen ein. Am frühen Nachmittag meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass sich weitere Pasok-Mitglieder gegen Papandreou stellten - allerdings war zunächst nicht klar, ob es sich um Parlamentsabgeordnete handelte. Dann wäre die Mehrheit der Regierungschefs futsch.
"Das Letzte, was Griechenland gebrauchen kann"
Mit Unverständnis reagierte auch ein Kommentator der konservativen griechische Tageszeitung "Kathimerini": "Mehr Unsicherheit ist das Letzte, was Griechenland jetzt gebrauchen kann", kommentierte das Blatt. "Das Land wird mit Sicherheit gelähmt angesichts der endlosen Debatten, die Regierung, der Staatsapparat und die Verwaltung werden nicht funktionieren."
Papandreou hatte am Montagabend angekündigt, über die Beschlüsse des Euro-Krisengipfels in Brüssel das Volk abstimmen zu lassen, voraussichtlich im Januar. Beim Brüsseler Gipfeltreffen hatten die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am vergangenen Donnerstag einen massiven Schuldenschnitt sowie weitere Milliardenkredite für Griechenland beschlossen. Der Schuldendeal ist jedoch an harte Sparmaßnahmen geknüpft, die in der griechischen Bevölkerung auf starken Widerstand stoßen. Papandreous Vorstoß ist hoch riskant. Scheitert das Referendum, ist Griechenland augenblicklich bankrott.
Papandreou hatte neben dem Referendum am Montagabend angekündigt, sich erneut einer Vertrauensabstimmung im Parlament zu stellen. Die Debatte darüber soll am Mittwoch beginnen, mit der Abstimmung wird am Donnerstag oder Freitag gerechnet. Das Referendum könnte wohl frühestens Anfang nächsten Jahres stattfinden. "Wir vertrauen den Bürgern. Wir glauben an ihr Urteilsvermögen. Wir glauben an ihre Entscheidung", sagte Papandreou vor Abgeordneten seiner sozialistischen Partei Pasok. Finanzminister Evangelos Venizelos sagte: "Die Bürger werden die Frage beantworten müssen: Sind wir für Europa, die Eurozone und den Euro?" Am Dienstag musste Venizelos wegen Magenbeschwerden im Krankenhaus behandelt werden.