Expertengespräch Anschläge laut Experte "Zeichen von Schwäche der ETA"

Expertengespräch

Die Bombenanschläge in Madrid mit mehr als 170 Toten tragen nach Einschätzung des Terror-Experten und "El-Pais"-Redakteurs Jose Luis Barberia die Handschrift der baskischen Terrororganisation ETA. Zugleich sei darin ein Zeichen ihrer Schwäche zu erkennen, sagte Barberia der Nachrichtenagentur AP. Es sei für die ETA viel leichter, Attentate gegen eine unbestimmte Menge Zivilpersonen zu verüben als gegen Politiker oder Repräsentanten des spanischen Staates, sagte der Autor eines Buches über die ETA.

Polizei mit Erfolgen

"Durch Fahndungserfolge der spanischen Polizei und die immer bessere Zusammenarbeit mit französischen Behörden ist die ETA, personell, infrastrukturell und logistisch geschwächt", meinte er. Dass die Anschläge auf das Konto der baskischen Terrororganisation gehen, daran gibt es laut Barberia kaum Zweifel. "Der Anschlag trägt ihre Handschrift." Erst vor kurzem seien Terroristen in San Sebastian mit einem Sprengstoffkoffer in einem Zug festgenommen worden. Im Dezember hatte die spanische Polizei einen Anschlagsversuch auf einen Zug in Madrid verhindert, ein anderes Attentat auf eine Bahnlinie verursachte Sachschäden.

Mit dem Anschlag verfolgt die ETA laut Barberia zwei Ziele. Zum einen wollten die baskischen Separatisten "Handlungsfähigkeit beweisen", nachdem es längere Zeit keine schwereren Attentate gegeben habe. Zum anderen spekulierten die Terroristen mit ihren Attentaten in Madrid auf eine "gewisse Komplizenschaft" der Nationalisten in Katalonien und dem Baskenland.

Ein Mitglied der katalanischen Regionalregierung hatte zurücktreten müssen, nachdem bekannt geworden war, dass er sich mit der ETA-Führung zu Geheimverhandlungen getroffen hatte. Die regierende konservative Volkspartei hatte der katalanischen Regierung daraufhin vorgeworfen, mit den baskischen Terroristen zu paktieren, um Anschläge in Katalonien zu vermeiden.

Politischer Aktionsradius verkleinert

Da sich der politische Aktionsradius der radikalen baskischen Nationalisten mit dem Verbot der ETA-nahen Partei Herri Batasuna reduziert habe, dient der Anschlag laut Barberia der ETA auch dazu, neues Personal zu rekrutieren. Innerhalb der radikalen Nationalisten gebe es eine Strömung, die die Pläne der als gemäßigt nationalistisch geltenden baskischen Regierung für einen baskischen Freistaat gut hießen. Mit ihrem Attentat wolle die Terrororganisation nun diejenigen rekrutieren, die weiter auf Gewalt setzten und der ETA „unbedingte Gefolgschaft“ zeigen wollten.

Barberia, der für "EL Pais" aus San Sebastian berichtet, hält es für sehr wahrscheinlich, dass der Anschlag bei den bevorstehenden spanischen Parlamentswahlen der regierenden spanischen Volkspartei zu Gute komme. In der Angst vor der ETA würden viele Spanier deren Politik der Stärke und der harten Hand unterstützen.

DPA