Der Iran hat seine Drohung wahr gemacht und den erklärten Erzfeind Israel erstmals direkt angegriffen. Bei dem nächtlichen Großangriff feuerte der Iran nach Angaben des israelischen Militärs rund 300 Drohnen und Raketen ab. Rund 99 Prozent davon seien abgewehrt worden, heißt es aus Israel. Nur eine kleine Anzahl von Raketen sei auf israelischem Gebiet eingeschlagen, Todesopfer oder größere Schäden gab es den Angaben zufolge nicht. Der UN-Sicherheitsrat in New York plant voraussichtlich noch am Sonntag eine Sondersitzung. Der iranische Vergeltungsschlag für einen - mutmaßlich von Israel geführten - Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Syriens Hauptstadt Damaskus vor zwei Wochen war seit Tagen erwartet worden.
In der Nacht zum Sonntag wurde an verschiedenen Orten in Israel Raketenalarm ausgelöst. Nach Angaben der Armee heulten die Warnsirenen unter anderem im Süden, am Toten Meer, im Großraum Jerusalem sowie im Norden des Landes. Hagari zufolge wurde ein Mädchen verletzt. Zudem sei eine Militärbasis im Süden des Landes getroffen und leicht beschädigt worden. Nach Angaben des Weißen Hauses konnte Israel auch dank der Mithilfe des US-Militärs "nahezu alle anfliegenden Drohnen und Raketen abfangen". Nach einigen Stunden gab Israels Heimatschutz schließlich vorerst Entwarnung: Einwohner im Norden und Süden des Landes müssten sich nicht mehr in der Nähe von Schutzräumen aufhalten, hieß es.
Neben Iran greifen auch Hisbollah und Huthis an
Es habe auch Angriffe aus dem Irak und dem Jemen gegeben, aber sie hätten Israel nicht erreicht, sagte der Sprecher. Dutzende Raketen seien vom Libanon auf den Norden Israels gefeuert worden. Dabei sei niemand verletzt worden. "Im vergangenen halben Jahr haben wir eng mit unseren Partnern zusammengearbeitet, vornweg Centcom der USA, Großbritannien und Frankreich und weitere Länder, die heute Nacht aktiv waren", erklärte Hagari.
In dem Kibbutz Snir im Norden Israels nahe der Grenze zum Libanon wurden in der Nacht die Alarmsirenen ausgelöst, wie die israelische Armee mitteilte. Auch in Jerusalem wurde Luftalarm ausgelöst. Journalisten vor Ort berichteten von Explosionen.
Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, hatte Israel am Mittwoch mit Vergeltung für einen Israel zugeschriebenen Angriff auf ein iranisches Konsulargebäude in der syrischen Hauptstadt Damaskus gedroht. Dabei waren Anfang April 16 Menschen getötet worden, darunter zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden.

Iran: "Operation hat all ihre Ziele erreicht" – Warnung an Israel
Der Iran hat nach eigenen Angaben all seine Ziele durch den Angriff mit Drohnen und Raketen auf Israel erreicht. Armeechef Mohammed Bagheri sagte am Sonntag im iranischen Fernsehen: "Die Operation 'Ehrliches Versprechen' ist zwischen gestern Abend und heute Früh mit Erfolg ausgeführt worden und hat all ihre Ziele erreicht." Der Iran hatte in der Nacht mehr als 300 Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert, fast alle wurden abgefangen.
Nach Angaben des iranischen Armeechefs wurden keine zivilen Ziele oder Städte von den iranischen Geschossen ins Visier genommen. Es habe zwei Hauptziele gegeben: Das Geheimdienstzentrum, das die Informationen für den Angriff auf das iranische Konsulatsgebäude im syrischen Damaskus geliefert habe, sowie der Militärstützpunkt Nevatim, von dem aus die F35-Kampfflugzeuge gestartet seien, die es bombardiert hätten. "Diese beiden Zentren sind beträchtlich beschädigt und außer Betrieb gesetzt worden." Israel hatte versichert, dass die Nevatim-Basis zwar leicht getroffen worden sei, aber nach wie vor funktioniere.
Bagheri warnte Israel auch vor einem Gegenschlag: "Wir habe keinerlei Absicht, den Einsatz fortzuführen, aber wenn das zionistische Regime eine Aktion gegen die islamische Republik Iran unternimmt - ob das auf unserem Boden ist oder gegen unsere Zentren in Syrien oder anderswo - dann wäre unser nächster Einsatz sicher gewichtiger als dieser hier", betonte er.
Der General sagte weiter, dass der Iran auch eine Botschaft an die USA übermittelt habe, dass deren Militärstützpunkte "nicht sicher" seien, falls die USA mit Israel bei einer künftigen Aktion kooperieren sollten. Die USA haben eine ganze Reihe von Militärstützpunkten in der Region.
Biden telefoniert mit Netanjahu
US-Präsident Joe Biden telefonierte noch in der Nacht mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Wie die israelische Regierung am frühen Sonntagmorgen mitteilte, führten beide ihr Gespräch nach Beratungen des israelischen Sicherheitskabinetts und des Kriegskabinetts. Das Weiße Haus teilte anschließend mit, Biden habe den iranischen Angriff "auf das Schärfste" verurteilt und das "eiserne Bekenntnis" der USA zu Israels Sicherheit bekräftigt. Für diesen Sonntag kündigte Biden ein Treffen der G7-Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien an. Er werde die Staats- und Regierungschefs der G7 zusammenrufen, "um eine gemeinsame diplomatische Reaktion auf den dreisten Angriff des Iran zu koordinieren".
Streitkräfte oder Einrichtungen der USA seien von den iranischen Angriffen zwar nicht betroffen gewesen, erklärte der US-Präsident. Man werde aber weiterhin wachsam gegenüber sämtlichen Bedrohungen sein. Der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf einen ranghohen Regierungsvertreter, Biden habe Netanjahu in dem Telefonat gesagt, die USA würden sich ungeachtet ihres militärischen Beitrags zu Israels Selbstverteidigung nicht an "offensiven Operationen gegen den Iran beteiligen".
Iran warnt die USA
Bei dem Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 1. April waren zwei Brigadegeneräle getötet worden. Der Iran stellte die nun erfolgte Operation mit dem Titel "Aufrichtiges Versprechen" als angemessene Vergeltung dar und warnte Israel vor einem neuen Gegenschlag. "Die Angelegenheit kann als abgeschlossen betrachtet werden. Sollte das israelische Regime jedoch einen weiteren Fehler begehen, wird die Reaktion Irans deutlich härter ausfallen", teilte die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen am Samstag (Ortszeit) auf der Plattform X mit.
Auch Irans Revolutionsgarden richteten eine scharfe Drohung an die USA. "Jede Unterstützung und Beteiligung an der Beeinträchtigung der Interessen Irans" werde eine "entschiedene Reaktion der Streitkräfte der Islamischen Republik Iran nach sich ziehen", hieß es in einer Erklärung, die in der Nacht zu Sonntag im Staatsfernsehen verlesen wurde.
Reagiert Israel mit Gegenangriff?
Ob Israel auf den massiven iranischen Vergeltungsschlag mit einem Gegenangriff reagieren wird, war zunächst offen. Das Sicherheitskabinett habe Netanjahu sowie Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, und Verteidigungsminister Joav Galant befugt, Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu treffen, berichtete der Fernsehsender Channel 12. Israels Generalstabschef Herzi Halevi führe im Einsatzzentrum der Luftwaffe eine Lagebeurteilung durch, teilte das Militär in der Nacht mit. "Ein direkter iranischer Angriff wird eine angemessene israelische Antwort gegen den Iran erfordern", hatte Galant am Freitag gewarnt. US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin sicherte Galant in der Nacht zum Sonntag erneut die unerschütterliche Unterstützung der USA zu, wie das Pentagon mitteilte.
Scholz verurteilt Irans Angriff scharf
Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte die iranischen Angriffe auf Israel "mit aller Schärfe". "Mit dieser unverantwortlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Attacke riskiert Iran einen regionalen Flächenbrand", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach Ankunft des Bundeskanzlers in China am Sonntag in dessen Namen. "In diesen schweren Stunden steht Deutschland eng an der Seite Israels. Über weitere Reaktionen werden wir uns nun eng mit unseren G7-Partnern und Verbündeten besprechen."
UN-Generalsekretär warnt vor Eskalation
Auch UN-Generalsekretär António Guterres betonte das Risiko einer katastrophalen Zuspitzung der Lage in Nahost. "Ich bin zutiefst beunruhigt über die sehr reale Gefahr einer verheerenden Eskalation in der gesamten Region", sagte er in New York. Er verurteile den Angriff des Irans "aufs Schärfste" und fordere eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten. EU-Chefdiplomat Josep Borrell schrieb auf X: "Dies ist eine beispiellose Eskalation und eine ernste Bedrohung für die regionale Sicherheit."
Auch Ägypten ist äußert besorgt
Ägypten hatte sich zuvor ebenfalls "extrem besorgt" über den iranischen Angriff auf sein Nachbarland gezeigt und zu äußerster Zurückhaltung aufgerufen. Der vom Iran angekündigte Angriff sei Zeichen einer "gefährlichen Eskalation" zwischen den beiden Ländern, teilte das ägyptische Außenministerium am Samstagabend mit. Ägypten habe schon zuvor vor einer Ausweitung des Konflikts infolge von "Israels Krieg im Gazastreifen" gewarnt. Die Regierung in Kairo sei in ständigem Kontakt mit allen beteiligten Parteien, um die Eskalation zu stoppen, hieß es. Ägypten hatte 1979 als erstes arabisches Land Frieden mit Israel geschlossen.
London schickt zusätzliche Kampfjets nach Nahost
Israels Regierungschef Netanjahu hatte sich kurz vor dem iranischen Angriff an die Bürger seines Landes gewandt. "Der Staat Israel ist stark. Die IDF (Israels Streitkräfte) sind stark. Wir wissen es zu schätzen, dass die USA an der Seite Israels stehen, ebenso wie die Unterstützung Großbritanniens, Frankreichs und vieler anderer Länder", sagte er. "Wir haben ein klares Prinzip: Wer uns schadet, dem schaden wir auch."
Großbritannien schickt derweil als Reaktion auf Irans Angriffe weitere Kampfflugzeuge in die Region, wie Verteidigungsminister Grant Shapps mitteilte. "Diese Jets werden bei Bedarf alle Luftangriffe innerhalb der Reichweite unserer bestehenden Missionen abfangen", hieß es.
Hinweis: Der Artikel wurde mehrfach aktualisiert.