Wagner-Chef Was wir über den Absturz der Prigoschin-Maschine wissen – und was nicht

Jewgeni Prigoschin Absturzstelle
Die Absturzstelle: Mit Schaum wurden die brennenden Trümmer des Flugzeuges, in dem Jewgeni Prigoschin gesessen haben soll, gelöscht
© Russian Investigative Commitee / AFP
Jewgeni Priogoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, ist offenbar mit einem Flugzeug auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg abgestürzt. Noch ist vieles unklar, doch einige Fakten sind bereits bekannt.

Hat Wladimir Putin seine Rache an Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin genommen? Nach einem Flugzeugabsturz nahe Moskau deutet am Mittwochabend vieles darauf hin. Was wir über den Vorfall wissen – und was nicht.

Was über den Flugzeugabsturz bekannt ist

  • Abgestürzt ist ein Geschäftsreiseflugzeug vom Typ Embraer Legacy, das regelmäßig von Prigoschin und seiner Privatarmee Wagner genutzt wurde. Russlands Ermittlungsbehörden haben ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften im Luftverkehr eingeleitet.
  • Auf der von der Luftaufsichtsbehörde ungewöhnlich schnell bereitgestellten Passagierliste, die demnach von der Fluggesellschaft stammt, stehen zehn Menschen. Darunter sind Jewgeni Prigoschin und Dmitri Utkin, der als militärischer Anführer der Wagner-Truppe gilt. Der russische Zivilschutz hat den Tod aller zehn Insassen des Flugzeugs bestätigt, darunter drei Besatzungsmitglieder.
  • Noch am Mittwochabend wurden acht Leichen aus den Trümmern geborgen, wie Quellen im Rettungsdienst der Stadt Bologoje der Agentur Tass sagten.
  • Die Maschine war von Moskau auf dem Weg nach St. Petersburg. Der Absturzort Kuschenkino liegt im nordrussischen Gebiet Twer nahe dem Waldai-See, wo auch Putin eine Residenz hat. In der Gegend ist eine Militärbasis und eine Flugabwehreinheit stationiert. Augenzeugen sprachen von zwei lauten Explosionen vor dem Absturz. Die Trümmer liegen weit verteilt, was für ein Auseinanderbrechen des Flugzeugs vor dem Aufprall spricht.
  • Die Embraer verlor um 18.19 Uhr Ortszeit (17.19 Uhr MESZ), eine halbe Stunde nach dem Start, massiv an Höhe. Innerhalb einer halben Minute sank das Flugzeug nach Angaben von Flightradar24 gut zwei Kilometer. Dann hielt es sich einige Sekunden auf der Höhe von rund sechs Kilometern, ehe es abstürzte. Vorher gab es keine Auffälligkeiten beim Flug.

Was noch unklar ist

  • Ob Prigoschin tatsächlich tot ist. Eine offizielle Bestätigung von Seiten der Behörden blieb bislang aus. Der den Wagner-Söldnern nahestehende Telegram-Kanal "Grey Zone" bestätigte den Tod Prigoschins allerdings. "Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin, Leiter der Wagner-Gruppe, Held Russlands, ein wahrer Patriot seines Vaterlandes, starb durch die Taten von Verrätern an Russland", hieß es auf dem Kanal, den Prigoschin in der Vergangenheit selbst nutzte. Eine Obduktion der Leichen steht noch aus. Eine Verschleierungsaktion, um von der Bildfläche zu verschwinden, kann nicht ausgeschlossen werden. Zumal schon zweimal voreilig über den Tod Prigoschins berichtet wurde. 2019 sollte er beim Absturz eines Frachtflugzeuges in Afrika, wo seine Wagner-Truppe aktiv ist, umgekommen sein. Im vergangenen Jahr wurde sein Tod im Osten der Ukraine vermeldet. Beide Male tauchte Prigoschin später lebend wieder auf.
  • Ob es ein zweites Flugzeug gab. Es seien zwei Flugzeuge der Privatarmee Wagner in der Luft gewesen, hieß es. Das zweite habe auf dem Flug nach St. Petersburg kehrtgemacht und sei im Flughafen Ostafjewo südlich von Moskau gelandet.
  • Zur Absturzursache gibt es noch keine offiziellen Angaben. Der Verdacht liegt nahe, dass Prigoschins Maschine gezielt zum Absturz gebracht wurde. Dafür gibt es allerdings noch keine stichhaltigen Belege. Im Netz kursierende Videos sollen den Absturz zeigen. Darauf taumelt ein qualmendes Flugzeug zu Boden und zerschellt dann dort. Mehreren Experten zufolge deutet dies auf einen Abschuss in der Luft oder eine Explosion an Bord hin. Bestätigt ist dies jedoch nicht.
  • "Grey Zone" verbreitete aber die Version eines gezielten Abschusses durch die russische Luftwaffe. Überprüfen ließ sich diese Behauptung nicht.
Jewgeni Prigoschin soll tot sein: Reporter über Russlands Version des Flugzeugabsturzes.
Der Wagner-Chef Prigoschin war laut russischen Angaben an Bord des in Russland abgestürzten Flugzeugs. Russland-Reporter Peter Leontjew spricht über mögliche Unglücksursachen.
Prigoschin soll tot sein: Reporter über Russlands Version des Flugzeugabsturzes

Die Reaktionen

Der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak erklärte in Onlinenetzwerken, der Flugzeugabsturz sei "ein Signal Putins an die russischen Eliten" vor der Präsidentschaftswahl 2024. Es bedeute "Vorsicht! Illoyalität bedeutet Tod".

US-Präsident Joe Biden zeigte sich "nicht überrascht" vom möglichen Tod des Wagner-Chefs. "Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich bin nicht überrascht", sagte Biden. Er habe kürzlich mit Blick auf den russischen Söldnerchef gesagt, dieser müsse "vorsichtig" sein.

Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja schrieb im Onlinedienst X (vormals Twitter), den "Verbrecher Prigoschin" werde in Belarus "niemand vermissen". Er sei "ein Mörder" gewesen und "sollte als solcher in Erinnerung bleiben". Zudem werde "sein Tod" womöglich "die Präsenz der Wagner-Gruppe in Belarus auflösen und die Bedrohung für unser Land und unsere Nachbarn verringern".

Hinweis: Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert und angepasst.

DPA · AFP
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