Nach den tagelangen Regenfällen des Tropensturms "Noel" sind auf der Karibikinsel Hispaniola möglicherweise mehr als 100 Menschen ertrunken oder von Erdrutschen verschüttet worden. Bis zum Donnerstagmorgen bestätigten die Behörden der Dominikanischen Republik und Haitis 80 Tote. Zudem wurden rund 50 Menschen vermisst. Auch weiter südlich auf Jamaika gab es nach Medienberichten mindestens ein Todesopfer.
In der Dominikanischen Republik verhängte Präsident Leonel Fernàndez für die kommenden 30 Tage den nationalen Notstand. Er ordnete zudem die Evakuierung von 36 Städten und Ortschaften in betroffenen Gebieten an. Auch am Donnerstag regnete es ununterbrochen auf der Ferieninsel Hispaniola, die sich Haiti und die Dominikanische Republik teilen.
"Noel" trifft die Menschen unvorbereitet
"Wir sind zwei Mal von den Regenfällen überrascht worden", sagte ein Einwohner von Santo Domingo. Der staatliche Wetterdienst hatte die Bevölkerung nicht rechtzeitig gewarnt. "Noel", der 14. Tropensturm diesen Jahres, war in der vergangenen Woche als "kraftloser" Wirbelsturm östlich der Kleinen Antillen über dem Atlantik gestartet. Er hatte sie in westlicher Richtung überquert, ohne von sich reden zu machen. Als er dann von Süden auf Hispaniola zuschwenkte, machte er niemandem Angst, da er sich nicht einmal zu einem schwachen Hurrikan entwickelte. So waren die Menschen auf die gewaltigen Überflutungen nicht vorbereitet.
Es hatte aber bereits seit dem vergangenen Freitag unaufhörlich geregnet. Die Folge: Die Böden weichten auf. In den abgeholzten Bergen rutschten Hänge ab, die mit ihrem Schlamm Häuser verschütteten. Bäche wandelten sich zu reißenden Flüssen, Landstriche wurden zu Seen. Bootsbesitzer wurden aufgefordert, ihre Boote zur Rettung von Menschen zur Verfügung zu stellen.
Tausende Häuser und Hütten stehen seit Montag unter Wasser, Brücken und Straßen wurden zerstört. Zahlreiche Dörfer und Gemeinden wurden von der Außenwelt abgeschnitten. Schwere, noch nicht bezifferbare Schäden, entstanden vor allem in der Landwirtschaft.
"Das Schlimmste vom Schlimmen"
"Es ist das Schlimmste vom Schlimmen", kommentierte eine Zeitung am Donnerstag. Bis dahin hatten die Medien vor allem die beschönigenden Berichte der Regierung der Dominikanischen Republik über die Lage veröffentlicht. Noch am Mittwochmorgen hatte der Chef der Zivilverteidigung, Luis Luna Paulino, erklärt, die Regierung habe die Lage im Griff. Die Zahl der Toten wurde klein geredet. Am Abend desselben Tages verhängte Fernàndez den landesweiten Ausnahmezustand.
Fast 60.000 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Dörfer und Ortschaften unterhalb der Talsperren wurden evakuiert, weil nicht sicher war, ob die Dämme den Wassermassen standhalten können. Die politische Opposition spricht von einer Katastrophe. Und sie beschuldigt Fernàndez und dessen Regierung, die Menschen nicht rechtzeitig gewarnt zu haben. Beobachter wundert das nicht, denn die Dominikanische Republik ist mitten im Wahlkampf, im Frühjahr 2008 werden Parlament und Präsident neu gewählt. Schlechte Nachrichten habe Fernàndez unbedingt vermeiden wollen.
"Noel" könnte Hurrikan werden
Am Donnerstag bewegte sich der Sturm nach Angaben des nationalen Hurrikanzentrums in Miami mit neun Kilometern in der Stunde weiter auf die nordwestlichen Bahamas zu. Die Meteorologen schlossen nicht aus, dass "Noel", der in seinem Zentrum Windgeschwindigkeiten von 95 Stundenkilometern entwickelte, im Bereich der Bahamas noch Hurrikanstärke erreichen könnte.
Für die Südostküste Floridas gab es Sturmwarnung. Auch hier wird mit schweren Regenfällen gerechnet. Auf Kuba hob die Regierung die Sturmwarnung inzwischen auf. Dort waren Tausende rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden. Nach Behördenangaben kam es zu Überschwemmungen.