Kommentar Eine unbequeme Botschaft für Bush

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Al Gore ist die denkbar eleganteste Art, George W. Bush eine Ohrfeige in Sachen Klimapolitik zu verpassen. Es ist eine kluge und hochpolitische Wahl. Und sie adelt eine Spekulation: Wie sähe die Welt heute aus, wenn Gore Präsident geworden wäre?

Es wird kein schöner Morgen werden für George W. Bush. Lächelnd wird er vor die Kameras treten müssen, um Al Gore zu gratulieren. Zur Verleihung des Friedensnobelpreises. Der US-Präsident wird große Worte gebrauchen, von einer großen Ehre sprechen, von einer verdienten Würde für den Ex-Vizepräsidenten. Innerlich dürfte es in dem gebeutelten Präsidenten rumoren. Denn das Nobelpreiskomitee hat mit seiner Entscheidung für Gore und den Weltklimarat vor allem eines getan: Die Klimapolitik der Regierung Bush gerügt - und dem Präsidenten eine schallende Ohrfeige versetzt. Die Botschaft lautet: Tut was, Ihr da im Weißen Haus! Al Gores Wachrüttel-Film trägt den Titel "Eine unbequeme Wahrheit" - an Bush hat das Komitee nun eine unbequeme Botschaft gesandt: Nehmt den Klimawandel ernst. Macht eine bessere Politik. So eine politische Preisverleihung hat es lange nicht mehr gegeben. Das ist gut - ungeachtet der berechtigten Kritik an Gores Film und Thesen.

Wie würde die Welt mit einem Präsidenten Gore aussehen?

Für Gore ist die Auszeichnung in jeder Hinsicht Genugtuung - auch gegenüber Bush. Gegen den hatte er im Jahr 2000 im Rennen um die Präsidentschaft verloren, Verschwörungstheoretiker sind sich bis heute sicher: Weil Bush bei der Stimmenauszählung geschummelt hat. Das Desaster im Irak. Das Desaster um den Wirbelsturm Katrina. An vielen Stellen wird heute in den USA gemutmaßt, wie die Welt heute aussehen würde, hätte Gore, Clintons Vize, damals die Nase vorne gehabt. Das Komitee des Friedensnobelpreises hat diese Spekulation nun geadelt und signalisiert: Zumindest um das Weltklima, welch' Doppeldeutigkeit, wäre es besser bestellt.

Nicht gegen die USA, wohl aber gegen Bush

Dabei ist es eine schlaue Entscheidung, den Preis an Gore zu verleihen. Denn so wird nicht Amerika als Klimasünder an den Pranger gestellt, dem Antiamerikanismus Tür und Tor geöffnet, sondern lediglich eine politische Fraktion in den USA gerügt: Jene Fraktion nämlich, die sich gegenüber den Bemühungen und den Einsichten der Vereinten Nationen aus Prinzip verschließt, weil sie Multilateralismus per se verteufelt, die vorgibt, die USA könnten die Probleme dieser Welt im Alleingang lösen. Mit der Entscheidung für Gore und den Klimarat signalisiert das Preiskomitee: Wir sind nicht gegen die USA. Wir sind nur gegen unverantwortliches Handeln einer bestimmten Clique. In den USA gibt es aber eine wachsende Anzahl von Politikern, die die Probleme dieser Welt anders lösen wollen - vom Demokraten Gore bis hin zu Arnold Schwarzenegger in Kalifornien. Und das Komitee bricht eine Lanze für das sieche Prinzip des Multilateralismus.

Ein erweiterter Sicherheitsbegriff

Die Entscheidung ist auch aus sicherheitspolitischer Sicht klug, denn das Komitee stellt unmissverständlich fest: Wer heute an Sicherheit, an Frieden denkt, muss unweigerlich auch an die Ökologie denken. Es geht hier nicht um grünen Firlefanz irgendwelcher Körnchenfresser, die sich irgendwelchen alternativen Preise an obskuren Orten dieser Welt verleihen. Sondern es geht darum, dass Krieg heute nicht nur in geostrategischen, sozialen und ökonomischen Wirkungszusammenhängen zu begreifen ist, sondern auch ökologische Ursachen hat. Der Frieden kann auch durch Fluten, durch Stürme, durch schmelzende Pole, durch die Erderwärmung bedroht sein. Und deshalb muss sich eine verantwortliche Politik darum kümmern. Das Komitee hat hinter diesen - erweiterten - Sicherheitsbegriff, der das 21. Jahrhundert noch maßgeblich prägen wird, nun ein lautes Ausrufezeichen gesetzt.

Aus all diesen Gründen ist die Auszeichnung Al Gores und des Weltklimarates eine sensationelle, eine bemerkenswerte Wahl. Glückwunsch.