Kongo Gier nach Gold

Mit Tropenholz, Gold und Diamanten weckte der Kongo vor vielen hundert Jahren die Gier der portugiesischen Seefahrer. Die Besatzer wechselten, die Gier blieb. Auch die Unabhängigkeit des Landes Ende bremste die Ausbeutung nicht.

Es war einmal vor vielen hundert Jahren, da waren die Menschen im Herzen Afrikas noch Untertanen eigener Herrscher. Bis das Königreich der Luba auf dem Staatsgebiet der heutigen Demokratischen Republik Kongo 1484 mit Tropenholz, Gold und Diamanten die Gier des portugiesischen Seefahrers Diego Cao weckte. Die Besatzer wechselten seither, die Gier blieb.

Auch die Unabhängigkeit des Landes Ende der 50er Jahre bremste die Ausbeutung nicht. Im Gegenteil: Ungezählte Zivilisten wurden in den vergangenen Jahren Opfer eines gnadenlosen Verteilungskampfes. Ob die Entsendung europäischer und möglicherweise auch deutscher Soldaten nach Kongo das Land befrieden kann, ist nach Ansicht von Experten zumindest als fraglich. Als Nutznießer des Dauerkonflikts gelten multinationale Konzerne und verbrecherische Warlords.

Unerhörter Reichtum belgischer Familien

Der prominenteste und zugleich wohl einer der schamlosesten Ausbeuter Kongos - nicht weniger raffgierig, aber von höherer Geburt als die heutigen Kriegsherrn - war König Leopold II. von Belgien. Der Monarch wurde genau 400 Jahre nach Diego Cao mit Zustimmung der europäischen Großmächte Alleineigner des rund 2,5 Millionen Quadratkilometer großen Kongobeckens. Leopold, Spross des Herzogtums Sachsen-Coburg, begründete mit der Ausbeutung seines Privatbesitzes den noch heute unerhörten Reichtum tausender belgischer Familien, füllte mit Exponaten aus Kongo das ebenso berühmte wie rassistische Afrika-Museum in Tervuren und schenkte die Kolonie 1908 schließlich dem belgischen Staat.

Der wiederum entließ das riesige Land 1959 nach Unruhen überhastet in die Unabhängigkeit. Die immensen Rohstoffe Kongos - neben Gold und Diamanten vor allem Kupfer, Kobalt und Uran - weckten nach dem wirtschaftlichen auch das strategische Interesse der Großmächte. Der junge Staat wurde zum Spielball im Kalten Krieg, die Geheimdienste ergriffen die Macht, der frei gewählte Ministerpräsident Patrice Lumumba wurde 1961 unter ungeklärten Umständen ermordet. Lange 36 Jahre hatte danach der prowestliche Mobutu Sese Seko das Land diktatorisch halbwegs im Griff, bis er 1997 von Laurent Kabila weggeputscht wurde und das Chaos einsetzte.

Sechs Jahre später spricht der Hamburger Afrika-Kenner Professor Leonhard Harding vom seit 1998 andauernden "ersten afrikanischen Kolonialkrieg"; eines "Konflikts um die staatliche Neuordnung Mittelafrikas und zugleich eine wirtschaftliche Verteilungsschlacht im Zeitalter der Globalisierung", wie die "Zeit" im Februar 2001 schrieb.

Rohstoffe finanzieren den Krieg

Heute ringen drei Machtgruppen in Kongo um die Vorherrschaft: Die Regierung in Kinshasa mit ihren Verbündeten aus Angola, Namibia, Simbabwe und zeitweise Tschads gegen mehrere Rebellengruppen um die Wiedergewinnung der Macht im eigenen Staat. Hinzu kommen Bestrebungen Ruandas und Ugandas, ihren Einfluss in Teilen Kongos mit Waffengewalt zu sichern und auszubauen.

Die Nachbarländer haben ihre Truppen mittlerweile weitgehend abgezogen, noch immer wird einigen Regierungen aber vorgeworfen, ihre Interessen in Kongo weiter geltend zu machen und über lokale Stellvertreter den Konflikt noch immer anzuschüren.

Kampf um die unermesslichen Bodenschätze

Laut Harding steht wie eh und je der Kampf um die unermesslichen Bodenschätze Kongos hinter den politischen Zielen aller Beteiligten. Ein ganz besonderer Stoff, der im Osten des Kongobeckens in rauen Mengen vorkommt, steht dabei immer mehr im Mittelpunkt.

Das seltene und kostspielige Erz Columbit-Tantalit (Coltan), das zu hitze- und säurebeständigem Tantal verarbeitet wird, ist für die Produktion von Handys, Computern und modernen Waffensystemen unverzichtbar geworden. Mit der Ausbeutung der Rohstoffe des Kongo und ihren Verkauf auf dem Welt- oder Schwarzmarkt "wird der Krieg finanziert, wodurch eine friedliche Lösung außerordentlich erschwert wird", schreibt Harding.

Kein Krieg nach 1945 war blutiger

Im Schatten des Weltinteresses starben und sterben die Menschen an den Folgen des seit fünf Jahren anhaltenden Kriegs im Herzen von Afrika. Der weltweite Aufschrei blieb indessen aus. Dabei fielen dem Kongo-Konflikt die meisten Menschen zum Opfer seit dem Zweiten Weltkrieg. Selbst wenn die Opferzahl die niedrigsten Schätzungen tatsächlich nicht überschreiten sollte, wären dies fast 700 Mal so viele Tote wie bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Und ein Ende der Gewalt zeichnet sich noch immer nicht ab. Trotz einer Reihe von Friedensvereinbarungen flammen die Kämpfe immer wieder auf. Im Osten und Nordosten Kongos eskalierten die Gefechte zwischen verfeindeten Rebellengruppen und Milizen seit Ende des vergangenen Jahres weiter.

Reichtum als Fluch

Die bis 1997 als Zaire bekannte Demokratische Republik Kongo wurde erst 1960 von seinem ehemaligen Kolonialherren Belgien in die Unabhängigkeit entlassen. Mit rund 2,3 Millionen Quadratkilometern ist das ehemailge Zaire im Westen Zentralafrikas fast sieben Mal größer als Deutschland - mit Grenzen zu Angola, Burundi, der Zentralafrikanischen Republik, der Republik Kongo, Ruanda, Sudan, Tansania, Uganda und Sambia. Der größte Teil der Bevölkerung lebt in der Hauptstadt Kinshasa.

Die Wirtschaft des drittgrößten Landes Afrikas ist trotz immenser Rohstoffvorkommen an Gold, Diamanten, Kupfer, Kobald, Edelholz, und Erdöl ruiniert. Den etwa 54 Millionen Kongolesen selbst geht es wirtschaftlich immer schlechter, das Pro-Kopf-Einkommen beträgt nur noch etwa 80 Dollar im Jahr.

Diktator Sese Seko Mobutu brachte die zairische Wirtschaft, die sich seit Beginn der 80er Jahre in einer anhaltend tiefen Krise befand, durch seine skrupellose, persönliche Bereicherung zum Zusammenbruch. Die großzügige westliche Entwicklungshilfe transferierte er in die Schweiz; sein persönliches Vermögen wurde zeitweise auf bis zu 20 Milliarden Mark geschätzt.

Seit 1998 leidet das Land erneut unter einem Bürgerkrieg, der von Soldaten aus Uganda, Ruanda, Angola, Simbabwe und Namibia unterstützt wird. Geschlossene Waffenstillstandsabkommen werden immer wieder gebrochen. Unter seinem 2001 ermordeten Nachfolger Laurent Kabila und dessen Sohn Joseph gingen die Bürgerkriegswirren weiter.

Die meisten der mehr als 200 Stämme gehören dem Bantu-Volk an. Die Katholiken bilden die bei weitem größte Religionsgruppe. In der seit 1999 konfliktgeschüttelten Provinz Ituri mit etwa 4,5 Millionen Einwohnern bekämpfen sich Milizen des Hema- und Lendu-Volkes.

Das Interesse des Nordens hielt sich in Grenzen. "Es ist gar keine Frage, dass in Kongo der schlimmste, blutigste und scheußlichste Konflikt der Welt tobt", sagt der amerikanische Afrika-Experte und Friedensforscher Scott Pegg. "Das Ausmaß der Aufmerksamkeit, das es (Kongo) erhalten hat, ist aber vernachlässigbar gering."

Erst mit dem Blutvergießen von Bunia in der Provinz Ituri, wo im Mai innerhalb einer Woche hunderte Menschen in Gefechten zwischen Hema- und Lendu-Milizen getötet wurden, ist Kongo wieder in die Schlagzeilen und auf die Tagesordnungen der Regierungen gerückt. Allein in Ituri fielen dem Krieg seit 1999 insgesamt 50.000 Menschen zum Opfer.

Mehr Rechte für UN-Soldaten gefordert

In Bunia soll nun eine EU-Truppe von rund 1.500 Soldaten Frieden schaffen. Ihr Mandat, das auch die Lizenz zur Waffengewalt umfasst, gilt aber zunächst nur bis zum September. Die UN-Truppen aus Bangladesch, die anschließend in die Region entsandt werden sollen, dürfen nach bisherigem Stand nur zur Selbstverteidigung zur Waffe greifen - ebenso wie die bisher in Kongo stationierten UN-Soldaten (MONUC), die dem Blutvergießen bislang weitgehend machtlos gegenüber standen.

Doch nur mit stärkerem Eingreifen der Vereinten Nationen kann nach Ansicht von Beobachtern ein dauerhafter Friede in Kongo einziehen. Die International Crisis Group (ICG), eine private, multinationale Initiative zur Eindämmung von Konflikten, sieht nur Chancen bei einer Ausweitung des Mandats der UN-Soldaten. Für die anhaltende Sicherung und für Frieden in den anderen kongolesischen Krisenprovinzen wäre somit ein Mandat unter Kapitel 7 der UN-Charta für die Blauhelme der Vereinten Nationen nötig. Derzeit sind die MONUC-Soldaten mit einem Mandat unter Kapitel 6 im Einsatz, das Waffengewalt nur im Selbstverteidigungsfall vorsieht.

Einsatzbefehl "zeitlich und räumlich begrenzt"

Auch der Kommandeur der EU-Eingreiftruppe, der französische Brigadegeneral Jean-Paul Thonier, hat mehr Rechte für die Friedenssoldaten der Vereinten Nationen gefordert. Der Einsatzbefehl der EU-Soldaten sei schließlich "zeitlich und räumlich begrenzt".

DPA
Anselm Bengeser