Kriegsstrategie 3000 Bomben in 48 Stunden

Die amerikanische Strategie wird von der Hoffnung auf einen schnellen Zusammenbruch des irakischen Systems getragen. Kopfzerbrechen bereitet den Planern, wie sie mit möglicherweise mehreren hunderttausend Kriegsgefangenen umgehen sollen.

Wie der Irak-Krieg beginnen wird, scheint weitgehend klar zu sein. In den ersten Stunden sollen von Kriegsschiffen aus hunderte Marschflugkörper auf Kommunikationszentren der irakischen Streitkräfte abgeschossen werden. Gleichzeitig soll die Besatzung von Flugzeugen Bomben abwerfen, die mit modernster Steuertechnik versehen sind.

In den ersten 48 Stunden eines Krieges könnten bis zu 3000 Bomben und Raketen eingesetzt werden könnten. Der amerikanische Militärexperte Anthony Cordesman erwartet eine neue Art von Luftkrieg: "Es wird eher darum gehen, den Gegner zu lähmen, als ihn zu zerstören." Bei den ersten Flugzeugen, die in den irakischen Luftraum eindringen werden, wird es sich vermutlich um Tarnkappenbomber handeln, die vom gegnerischen Radar kaum erfasst werden können: Maschinen der Typen F-117B "Nighthawk" und B-2-Bomber.

"Großer Schock"

Die Absicht des massiven Bombardements: Die irakischen Streitkräfte sollen gewissermaßen geblendet werden, damit der Weg für die Invasion am Boden abgesichert wird. Umfangreiche Heeresverbände sollen nördlich der Stadt Kuwait auf breiter Front die Grenze zu Irak überqueren. Generalstabschef Richard Myers spricht davon, dass dem irakischen System ein derart großer Schock versetzt wird, "dass es von Anfang an annehmen muss, dass sein Ende unvermeidlich ist".

Die amerikanische Strategie wird von der Hoffnung auf einen schnellen Zusammenbruch des irakischen Systems getragen. Bagdad soll möglichst schnell und ohne blutige Kämpfe eingenommen werden. Wie Irak auf das erste Bombardement reagieren wird, ist daher ein zentraler Faktor bei der Entscheidung von Befehlshaber Tommy Franks über den Zeitpunkt der Offensive am Boden. Die Kriegsplaner in Washington gehen von wenigen Tagen im Anschluss an den Beginn der Luftangriffe aus. Im Golfkrieg von 1991, der "Operation Desert Storm" erstreckten sich die Luftangriffe über fünf Wochen, ehe der Krieg am Boden begann und nach 100 Stunden schon zu Ende war.

Einmarsch von Kuwait aus

Von den 250000 in der Golfregion stationierten US-Soldaten sind etwa 130000 in Kuwait. Hinzu kommen 30000 britische Soldaten. Von Kuwait aus wird die Hauptstoßrichtung des Einmarschs geplant. Franks traf am Montag in Kuwait seinen Heereskommandeur, Generalleutnant David McKiernan, und flog dann in seine Kommandozentrale im Camp As Sajlijah im Golfemirat Katar. Von dort sollen nach Ablauf des Ultimatums die ersten Befehle zum Beginn des Krieges ausgehen.

Marine-Infanteristen sollen Basra besetzen

Das Gesamtszenario wird sich von der Strategie des Jahres 1991 vor allem in dem Punkt unterscheiden, dass es an Stelle des fünfwöchigen Luftkriegs gleichzeitige Angriffe von Kampfflugzeugen, konventionellen Truppen und Spezialeinheiten geben soll. Die irakischen Verteidiger sollen so in Konfusion gestürzt und überrannt werden.

Die wichtigsten Einheiten für den Einmarsch von Kuwait aus sind die 3. Infanteriedivision und die 101. Luftlandedivision. Letztere ist die einzige Einheit der US-Streitkräfte mit Kampfhubschraubern für eine Offensive. Die 3. Infanteriedivision wird vermutlich mit mehr als 200 Panzern die Speerspitze des Marschs auf Bagdad bilden und möglicherweise bei Ramadi den Euphrat überqueren.

Ebenfalls in Kuwait stationiert sind 50000 Marine-Infanteristen. Es wird erwartet, dass ein Teil von ihnen westlich des von Euphrat und Tigris gebildeten Zweistromlandes in Richtung Bagdad vorstoßen soll. Ein anderer Teil der Marine-Infanteristen soll wahrscheinlich die Stadt Basra und den Schatt-el-Arab besetzen, die strategisch wichtige Wasserstraße zum Persischen Golf.

Was wird aus den Kriegsgefangenen?

Kopfzerbrechen bereitet den Planern, wie sie mit möglicherweise mehreren hunderttausend Kriegsgefangenen umgehen sollen. Um Kampfeinheiten nicht damit zu belasten, soll der Vorstoß von Angehörigen des 709. Militärpolizeibataillons begleitet werden.

Weitaus unklarer als die Kriegführung an der Südfront ist der geplante Angriff im Norden. Franks’ ursprünglicher Plan eines Vorstoßes der 4. Infanteriedivision von der Türkei aus konnte vorerst nicht weiterverfolgt werden, da die Regierung in Ankara der Stationierung von Kampftruppen bislang nicht zugestimmt hat; die Bemühungen darum dauern aber weiter an. Die Alternativplanung sieht vor, dass Truppen der 101. Luftlandedivision mit Hubschraubern im Norden Iraks abgesetzt werden - vermutlich einer der schwierigsten Teile der Strategie von Franks.

Ernste Risiken für die US-Truppen

Wenn die irakische Verteidigung nicht schnell zusammenbricht, könnte sich der Krieg über Wochen hinziehen und die US-Truppen vor ernste Risiken stellen. Ein mögliches Szenario, das die Strategie der US-Streitkräfte entscheidend stören könnte, wäre ein Angriff mit chemischen oder biologischen Massenvernichtungswaffen, die von den USA in Irak vermutet werden.

Robert Burns