Schweißüberströmte Rotkreuz-Mitarbeiter in Latzhosen rennen durch die mit Patronenhülsen übersäten Straßen. Sie ziehen grob gezimmerte Handkarren, auf denen blutende Einwohner liegen: die Opfer des jüngsten Granateneinschlags. So sieht in der liberianischen Hauptstadt Monrovia das Ambulanz-System aus.
Überfüllte Krankenhäuser, zu wenig Medikamente
Die wenigen Krankenhäuser, die in der von Rebellen belagerten Stadt überhaupt noch in Betrieb sind, stehen selbst vor dem Zusammenbruch. Überfüllt mit Bürgerkriegsversehrten, im verzweifelten Kampf um Medikamente, Nahrungs- und Energieversorgung, ständig bedroht von betrunkenen und unter Drogen stehenden Kindersoldaten.
"Unsere Ärzte sind am Ende und werden häufig von Weinkrämpfen geschüttelt", berichtet Mohammed Sheriff. Er ist ärztlicher Leiter des John-F.-Kennedy-Krankenhauses, des größten in Monrovia. "Sie wollen ein Ende des Krieges." In den wenigen privaten Kliniken, die noch arbeiten, fehlt es an allem. Sie haben kein Benzin für Fahrzeuge oder Stromgeneratoren, keine Lebensmittel für ihre Patienten und keine Handschuhe oder Spritzen, um sie zu behandeln. Zumeist können sie die am schwersten Verwundeten nur notdürftig stabilisieren und dann - auf Handkarren - zum John-F.-Kennedy-Hospital transportieren.
Massengräber am Rande der Stadt
Die Klinik ist noch aus dem vorherigen Bürgerkrieg von 1989 bis 1996 teilweise zerstört. Trotzdem wurden dort seit Beginn der jüngsten Rebellenoffensive auf die Hauptstadt am 19. Juli mehr als 1.000 verletzte Einwohner aufgenommen. Die Zimmer sind längst überfüllt, nun werden die Verletzten auf Matratzen in Gängen und der einstigen Lagerhalle behandelt. Wer gehen kann, wird in Schulen oder Turnhallen verlegt, die zu Flüchtlingslagern umfunktioniert wurden.
Der einzig klimatisierte Raum des Krankenhauses ist die Geburtsstation. Deswegen werden dort nun die Leichen gesammelt. Aus Angst vor den Kämpfen kommt allerdings kaum jemand, um seine verstorbenen Angehörigen zu betrauern. Insgesamt 66 Leichen wurden am Montag in einem Massengrab am Rande der Stadt beerdigt.
Für drei Millionen Einwohner 26 gemeldete Ärzte
Auf einer Matratze im Flur liegt Eugene Gray, wiegt seinen bandagierten Arm und stöhnt leise. Er fragt sich, ob sich überhaupt jemand um die Hunderte zivilen Opfer wie ihn kümmern kann. Der 24-Jährige war auf der Suche nach Lebensmitteln, als eine Granatexplosion seinen Arm und einen Teil seines Beines verletzte. Zwei seiner Freunde wurden von der Granate getötet. "Niemand sieht mich", sagt er, und rollte vor Schmerzen die Augen. "Nur Gott."
Schon vor den tödlichen Gefechten zwischen Soldaten von Präsident Charles Taylor und Aufständischen war das liberianische Gesundheitssystem katastrophal. Es hing von ausländischer Hilfe ab. In dem westafrikanischen Land sind 26 Ärzte gemeldet - für drei Millionen Liberianer. Und nun sind es noch weniger. Aus Sicherheitsgründen hat das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) acht Mitarbeiter abgezogen. Sieben sind am Kennedy-Krankenhaus geblieben, darunter zwei Chirurgen. Im vergangenen Monat haben die beiden alleine 600 Operationen durchgeführt.
Versorgung immer schwieriger
Weil Hafen und Lagerhaus Monrovias in die Hand der Rebellen gefallen sind, wird die Versorgung mit dem Nötigsten immer schwieriger. Womöglich muss das IKRK Nahrung und Benzin bald aus den Nachbarländern einfliegen. Die Aufständischen versprachen zwar, den Hafen an eine westafrikanische Eingreiftruppe zu übergeben, deren Vorauseinheit am Montag eintraf. Gleichwohl wird die Truppe noch Zeit brauchen, um die Ordnung wieder herzustellen. Bis zur Übergabe des Hafens können Wochen vergehen.
Für viele Krankenhausmitarbeiter ist die Versorgungssituation ohnehin nachrangig. "Am nötigsten brauchen wir wieder Sicherheit", sagt Lily Samvee, Arzt am katholischen St.-Josephs-Hospital. "Selbst wenn wir wieder Strom, Lebensmittel und medizinische Ausrüstung bekommen - ohne Schutz vor den Kämpfern können wir nicht arbeiten."