Das Verteidigungsministerium hat den von der Bundeswehr angeforderten und von US-Kampfjets ausgeführten Luftangriff auf zwei Tanklastwagen im Norden Afghanistans gegen zunehmende Kritik gerechtfertigt. "Dieser Einsatz war richtig", sagte Ministeriumssprecher Thomas Raabe am Montag in Berlin. Der vom deutschen Kommandeur des Standorts Kundus im Norden Afghanistans angeordnete Luftangriff sei "militärisch notwendig" gewesen. "Wir stehen hinter dem Kommandeur." Raabe ließ offen, ob es zivile Opfer gegeben hat. "Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt keine konsolidierten Kenntnisse über zivile getötete Personen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Dienstag vor dem Bundestag eine Regierungserklärung zu dem Luftangriff abgeben. Das bestätigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Zuvor hatten sich die Spitzen der Fraktionen auf den Zeitpunkt geeinigt. Die Opposition hatte die Regierungserklärung verlangt, nachdem Berlin heftiger Kritik wegen der möglichen zivilen Opfer des Angriff ausgesetzt war.
Verteidigungsminister Franz Josef Jung hatte am Montagmorgen eingeräumt, dass bei dem Luftschlag möglicherweise auch Zivilisten getötet wurden. "Wenn es zivile Opfer oder auch zivile Verletzte gegeben hat, dann gilt denen unser Mitgefühl, und wir werden uns auch diesbezüglich mit den Betroffenen dann in Verbindung setzen", sagte Jung in Bonn. Angesichts der unklaren Faktenlage rief der Minister zu einer sorgfältigen Aufklärung auf. "Sie wissen, dass es den Bericht gibt von afghanischer Seite, der von 56 getöteten und zwölf Verletzten spricht und auch sagt, dass das nur Taliban seien. Sie wissen aber auch, dass es andere Informationen gibt, und deshalb denke ich sollten jetzt keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden." Er habe der Nato nochmals ausdrücklich jede Unterstützung bei der Aufklärung zugesichert, fügte Jung hinzu.
Noch immer widersprüchliche Angaben über Opfer
Die Angaben über die Zahl der Todesopfer sind noch immer sehr unterschiedlich. Der Distrikt-Gouverneur von Char Darah, Abdul Wahid Omarkhel, erklärte am Montag, bei dem Angriff seien mindestens 135 Menschen getötet worden. Es sei unklar, wie viele der Toten Zivilisten sind. Unter den Opfern sei aber eine große Anzahl Kinder. Er habe eine Liste der Opfer erstellt und der Delegation von Präsident Hamid Karsai übergeben, die den Vorfall untersucht.
Eine afghanische Menschenrechtsgruppe, Afghan Rights Monitor, teilte mit, Interviews mit 15 Dorfbewohnern deuteten darauf hin, dass 60 bis 70 Zivilpersonen getötet worden seien. Unter den Getöteten seien nur rund ein Dutzend bewaffnete Taliban gewesen. Den Angaben über viele zivile Opfer widersprach der Sprecher der Provinzregierung von Kundus, Ahmad Sami Jawar. Nach seiner Darstellung wurden bei dem Luftangriff 70 Menschen getötet, darunter nur fünf Zivilpersonen.
Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums in Berlin hatten mehrere "sehr zuverlässige" Quellen davon gesprochen, dass es sich ausschließlich um regierungsfeindliche Kräfte rund um die Lastwagen handle. Der Angriff sei nach vorangegangener Luftaufklärung von zwei F15-Kampfjets ausgeführt worden. Angesichts von Unklarheiten über den Zeitablauf verwies Raabe auf weitere Untersuchungen. Afghanische offizielle Quellen hätten auch am Sonntag bestätigt, dass ausschließlich 56 regierungsfeindliche Kräfte bei dem Angriff getötet worden seien. Zwölf Menschen seien verletzt worden.
Heftige Kritik von Karsai
In einem Zeitungsinterview übte Karsai scharfe Kritik an dem Luftangriff. "Was für eine Fehleinschätzung! Mehr als 90 Tote für einen einfachen Tankwagen, der in dem Flussbett zudem bewegungsunfähig war", sagte er der Pariser Tageszeitung "Le Figaro". "Warum haben sie nicht Bodentruppen geschickt, um den Tanker zurückzuholen?" Der oberste NATO-Kommandeur in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, habe sich bei ihm telefonisch entschuldigt, sagte Karsai. Gleichzeitig habe er aber gesagt, dass er den Bombenangriff nicht angeordnet habe.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Sonntag eine rasche Aufklärung des Vorfalls versprochen. Deutschland werde der NATO-Untersuchungskommission alle relevante Informationen bereitstellen, sagte Merkel bei einem Treffen mit dem britischen Premierminister Gordon Brown in Berlin. Es gehe ihr darum schnell aufzuklären, ob es auch zivile Opfer gegeben haben. Falls diese zu beklagen seien, bedauere sie das zutiefst.
Unabhängig davon wolle sie aber deutlich machen, dass die deutschen Soldaten und internationalen Truppen in Afghanistan unter sehr schwierigen Bedingungen arbeiten, erklärte Merkel. "Mir ist es sehr wichtig, dass die Soldaten wissen, dass wir hinter ihnen stehen und sie unsere politische Unterstützung haben."