MILITÄRSTRATEGIE Die Anti-Terror-Allianz steht auf der Kippe

Weil der Feldzug gegen die Taliban fast wie ein Spaziergang verläuft, nimmt US-Präsident Bush bereits das nächste Ziel ins Visier – Saddam Hussein. Doch in der EU gibt es große Vorbehalte gegen einen Angriff auf den Irak.

Der Krieg gegen die Taliban und ihre Helfershelfer in Afghanistan ist erst der Anfang, das hat US-Präsident George W. Bush kürzlich deutlich gemacht. Die Front im Kampf gegen Extremisten verlaufe jedoch nicht nur in dem zentralasiatischen Land. Der Terror werde von den USA überall dort bekämpft, wo er sich zeige. Im US-Verteidigungsministerium forderten Vertreter der harten Linie, nunmehr den Irak ins Visier zu nehmen, wie Diplomaten berichteten. Doch diese Haltung repräsentiere zurzeit weder die Position der US-Regierung noch die der Verbündeten. Insbesondere die EU befürchte, dass ein Angriff auf den Irak die nach dem Kosovo-Krieg mühsam wieder aufgebauten Beziehungen zu Russland beschädigen werde.

Große Vorbehalte in der EU

Um jedoch freie Hand für weitere Anti-Terror-Maßnahmen zu haben, verzichte die anglo-amerikanische Allianz auf militärische Unterstützung westlicher Verbündeter im Afghanistan-Krieg, sagt Steven Simon vom Internationalen Institut für Strategische Studien. In der EU gebe es große Vorbehalte, dass ein Angriff auf Irak auch die Lage im Nahen Osten destabilisieren werde und die Weltwirtschaft weiter Schaden nehme. EU-Diplomaten befürchten, dass Russland im Falle eines Angriffs auf den Irak seine Kooperation mit den USA im Kampf gegen die Taliban und das El-Kaida-Netzwerk Osama bin Ladens einschränken würden.

»Moskaus Zustimmung zur US-Militärpräsenz in früheren sowjetischen Republiken in Zentralasien würde dann womöglich zurückgezogen«, hieß es in Diplomatenkreisen. Die USA haben unter anderem in Usbekistan Gebirgsjäger für einen Einsatz bei der Fahndung nach Bin Laden stationiert. Im Falle eines Angriffs auf den Irak sähe Russland seine Sicherheitsinteressen im Mittleren Osten beeinträchtigt.

UNO-Inspektoren die Einreise verwehrt

Der Irak verwehrt seit längerem UNO-Inspektoren die Einreise, die die Beseitigung des irakischen Arsenals an Massenvernichtungswaffen überprüfen sollen. Iraks Präsident Saddam Hussein hatte zudem für Argwohn bei den Amerikanern gesorgt, indem er die Anschläge vom 11. September nicht verurteilte und zugleich eine Verwicklung in die Terrortaten von sich wies.

Auch viele europäische Staaten sehen derzeit keine Gründe, die einen Feldzug gegen den Irak rechtfertigen würden. Zunächst müsse zweifelsfrei bewiesen sein, dass Saddam seine Hand bei den Anschlägen im Spiel gehabt habe, verlautete aus Diplomatenkreisen. Nach offiziellen tschechischen Angaben gab es in Prag mindestens einen Kontakt zwischen einem irakischen Agenten und Mohammed Atta, der nach US-Angaben am 11. September eine der beiden Passagiermaschinen ins New Yorker World Trade Center gesteuert hatte. Eindeutige Beweise für eine Verwicklung des Irak liegen derzeit jedoch nicht vor.

Auch über weitere Anti-Terror-Maßnahmen, die unterhalb der militärischen Ebene liegen, sind die Verbündeten uneins. »Der

Augenblick der Wahrheit kommt in Laeken», sagt ein EU-Diplomat mit Blick auf den EU-Gipfel Mitte Dezember in Belgien. Dann sollen die Europäer eine Definition des Terrorismus vorlegen und klären, welche Gruppen als terroristisch eingestuft werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, die finanziellen Quellen der Gruppen durch Kontensperrungen trocken zu legen.

Hamas und Hisbollah als Terrorgruppe eingestuft

Das Vorhaben erweise sich jedoch als problematisch, da auch politische Erwägungen einflössen, heißt es in EU-Kreisen. Würden etwa, wie von den USA gewünscht, die radikal-islamischen Gruppen Hamas und Hisbollah auf eine Liste der Terrororganisationen gesetzt, könne dies als Bestätigung der harten Linie des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon gedeutet werden. Dessen Armee tötet gezielt hohe Funktionäre der Hamas und anderer militanter Gruppen, die des Terrors verdächtigt sind. Erst am Freitag wurde der Militärchef der Hamas, Mahmud Abu Hanud, bei einem israelischen Raketenangriff im Westjordanland getötet.

Die USA haben die Hisbollah als Terrorgruppe eingestuft und wünschen nun, dass ihre Partner dem amerikanischen Beispiel folgen. Vertreter Israels werben in Europa bereits um eine Ausweitung des Anti-Terror-Kampfes über Afghanistan hinaus, damit das Problem des radikalen Islamismus an der Wurzel gepackt werde. Falls es im Kampf gegen den Terror beim Krieg gegen Bin Laden, seine El Kaida-Gruppe und die Taliban bleibe, werde keine neue Weltordnung nach den Anschlägen vom 11. September geschaffen, mahnte jüngst ein Vertreter Israels im Gespräch mit europäischen Regieungsvertretern in Brüssel.