Bilanz der Beratungen "Die Welt ist nach München noch ein Stück unsicherer geworden": So bewertet die Presse die Sicherheitskonferenz

Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, hält sein Abschlussstatement
Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, hält sein Abschlussstatement
© Sven Hoppe / DPA
Die Münchner Sicherheitskonferenz ist zu Ende. Hauptthema war der jetzt seit fast einem Jahr wütende Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die deutsche Presse zieht nach dem Treffen eine gemischte Bilanz.

Drei Tage lang haben 40 Staats- und Regierungschefs sowie fast 100 Minister auf der Münchner Sicherheitskonferenz über die Weltlage beraten. Das alles beherrschende Thema des alljährlichen Treffens waren diesmal der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Frage, wie er beendet werden kann.

So kommentiert die Presse die Münchner Sicherheitskonferenz:

"Junge Welt" (Berlin): "Das Münchner Treffen bot viel lehrreiches Anschauungsmaterial über den Zustand der "freien Welt". Der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow forderte, seinem Land international geächtete Streu- und Phosphorbomben zu liefern. Konventionen hin oder her, hier gehe es schließlich um "eigenes Land", das damit beschossen werden solle. Und eine Bevölkerung, die Kiew einerseits auch als eigene reklamiert, andererseits aber als feindlich behandelt – wie bei dem in der Vergangenheit häufig vorgekommenen Beschuss von Donezk und anderen Städten im Donbass mit ebensolcher Streumunition. Macht ja nichts, wenn Schmetterlingsminen dort Kindern, die sie für Spielzeug halten, die Gliedmaßen abreißen. Die Ukraine habe die entsprechenden Verträge ja auch gar nicht unterzeichnet, setzte Außenminister Dmitro Kuleba hinzu. Na prima."

"Schwäbische Zeitung" (Ravensburg): "Die Nato ist stärker als von Putin erwartet, und die Ukraine muss den Krieg gewinnen, lautete das Mantra der Veranstaltung. Aber für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zählt eine andere Währung: Kampfpanzer und Munition, die tatsächlich geliefert werden, Geld, um die Infrastruktur des Landes am Laufen zu halten. Wenn sich diese Prozesse nun beschleunigen würden und Kampfjets obendrauf kämen, wäre die Konferenz für ihn ein Erfolg. Doch danach sieht es nicht aus. Aber auch die Ukraine muss aufpassen, wohin sie sich bewegt: Wer den Wunsch nach international geächteter Streumunition und Phosphorbomben äußert, läuft Gefahr, sich in diesem Punkt mit dem Aggressor gemeinzumachen."

"Besser viel geredet als geschwiegen"

"Weser-Kurier" (Bremen): "Wer von der Münchner Sicherheitskonferenz mehr erwartet hat als viele Gespräche, ist ein Träumer. Wer aber aufmerksam zugehört hat, der hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagen hören, dass für die Welt, ganz sicher für Europa, das größte Risiko ist, wenn Putin gewinnt‘. Für China ist eine Niederlage Putins jedoch keine Option. Und so bleibt als Plus der Münchner Sicherheitskonferenz nur: besser viel geredet als geschwiegen."

"Heilbronner Stimme": "Die Welt ist nach München noch ein Stück unsicherer geworden. Denn der Schlüssel zum Ende des Krieges liegt im Kreml. Solange Putin ein Kriegsverbrechen nach dem anderen begeht, ist an ein Einfrieren des Status Quo in der Ukraine nicht zu denken. Zumal der ukrainische Präsident seine territoriale Hoheit niemals aufgeben wird. So werden Tod und Leid sich fortsetzen, mit immer mehr und immer brutaleren Waffen. Das Bittere nach einer Sicherheitskonferenz, die eher eine Kriegskonferenz war, ist: Niemand hat auch nur ansatzweise eine Idee, wie man das Sterben tatsächlich stoppen könnte."

"Badische Zeitung" (Freiburg): "Der Westen setzt vorerst weiter auf Geschlossenheit und Entschlossenheit. Man werde die Ukrainer in ihrem Kampf gegen die russische Invasion unterstützen, so viel und so lange wie nötig, lautet die Formel. US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat das mit einem moralischen und einem strategischen Interesse eindrücklich begründet. Moralisch, weil Aggression und schwerste Kriegsverbrechen gesühnt werden müssten. Strategisch, weil es (...) um die für alle Staaten fundamentale Frage, ob ein stärkeres Land sich gewaltsam Gebiete eines schwächeren Nachbarn einverleiben kann. Sicherheit gäbe es dann für niemanden mehr, Frieden wäre überall gefährdet. So klar würde man gern auch vom Kanzler hören."

"Leipziger Volkszeitung": "Die westlichen Demokratien müssen um ihre Werte kämpfen. Denn ihr System der Freiheit, der Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit ist bekanntlich die verletzlichste aller Staatsformen. Das wissen Autokraten und Diktatoren nur zu gut. Jetzt wittern sie ihre Chance. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz ist dieser Machtkampf und zugleich eine Schwäche Europas wegen der angeknacksten deutsch-französischen Achse und des noch mangelnden Vertrauens osteuropäischer Staaten in Berlin deutlich geworden. Und die USA haben sich mit einer emotionalen, aber wenig inspirierenden Rede von Vizepräsidentin Kamala Harris als wenig kraftvoll erwiesen. Peking ist in diese Lücke vorgestoßen, um einen Friedensplan für die Ukraine anzukündigen."

"Stuttgarter Nachrichten": "Deutschland muss sich auch aus egoistischen Motiven besser für die Zukunft rüsten. Das große transatlantische Miteinander könnte schon nach der nächsten US-Präsidentschaftswahl vorbei sein – auch wenn bei der Sicherheitskonferenz in München betont wurde, dass auch die Republikaner in den USA das Engagement für die Ukraine voll und ganz unterstützen. Die USA bleiben ein gespaltenes Land. Die düsteren Jahre der Präsidentschaft von Donald Trump haben gezeigt, dass Europa zumindest immer auf das Worst-Case-Szenario eingestellt sein muss, dass dort ein schwer kalkulierbarer Populist regiert."

DPA
mad