Mutmaßliches iranisches Anschlagskomplott USA treiben Teheran in die Enge

Das reichlich bizarre Anschlagskomplott gegen den saudi-arabischen Botschafter in Washington verschärft die internationale Isolation Irans. Für die USA könnte das ein diplomatischer Hebel gegen das Regime sein.

Kopfschütteln. Das war die erste Reaktion auf das Bekanntwerden des Komplotts. Erstauntes Kopfschütteln. Was für ein abenteuerlicher Plan. Was für ein haarsträubender Irrsinn. Kann es tatsächlich sein, dass das iranische Regime versucht hat, mit Hilfe mexikanischer Drogenbosse den saudi-arabischen Botschafter in Washington zu töten? Offenbar kann es sein. Und knapp einen Tag nach Bekanntwerden der Anschlagspläne ist am Mittwoch auch langsam die politische und diplomatische Sprengkraft des vereitelten Attentats offenbar geworden: Das Komplott verschärft nicht nur die Frontstellung der USA gegenüber dem Iran, isoliert das wegen des Atomstreits ohnehin unter Beobachtung stehende Teheran international noch weiter, sondern verschärft auch den latenten Konflikt zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien. Die beiden Länder ringen um die Vormachtstellung am Golf - zuletzt hatte sich die Auseinandersetzung darin manifestiert, dass Riad im kleinen Nachbarstaat Bahrain intervenierte - um einen Sturz des dortigen sunnitischen Regimes zu verhindern.

EU warnt vor "sehr ernsten Konsequenzen"

Die internationalen Reaktionen auf das mutmaßliche Komplott fielen am Mittwoch jedenfalls denkbar harsch aus. Die Europäische Union warnte den Iran vor "sehr ernsten Konsequenzen", sollten sich die Vorwürfe bestätigen. "Wir nehmen die Sache sehr ernst", ließ die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel erklären. Wenn sich die Vorwürfe bestätigten, handele es sich dabei um "eine klare Verletzung" zwischenstaatlichen Rechts, die "nach internationalem Strafrecht" verfolgt werden müsse. Den Iran rief Ashtons Sprecherin zur Zusammenarbeit mit den USA auf, um die Vorwürfe aufzuklären.

Die britische Regierung erklärte, die USA dabei unterstützen zu wollen, Teheran für sein Handeln zur Verantwortung zu ziehen. Ein Sprecher von Premierminister David Cameron nannte die angebliche Verwicklung des Iran in den Attentatsplan "schockierend". US-Außenminister Hillary Clinton hatte angekündigt, dass Washington eine Verschärfung der Strafmaßnahmen gegen Teheran anstrebe und den Iran international weiter "isolieren" wolle. Saudi-Arabien verurteilte die angeblichen Attentatspläne als "verachtenswerte Verletzung internationaler Normen, Standards und Konventionen". Riad ist ein Verbündeter der USA im Nahen Osten.

In einem Blog der "Washington Post" mutmaßte Autor David Ignatius, die USA würden die Empörung über das angebliche iranische Komplott nun ausnutzen, um Iran diplomatisch in die Enge zu treiben. Innerhalb des Regimes gebe es einen Machtkampf zwischen jenen, die loyal zum Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad stünden, und jenen, die loyal gegenüber dem geistlichen Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, seien. Zudem sorgten die Aufstände in Syrien dafür, dass die syrisch-iranische Achse im Nahen Osten derzeit erheblich geschwächt sei.

Codename Chevrolet

Das US-Justizministerium hatte am Dienstag als mutmaßlichen Drahtzieher Manssor Arbabsiar genannt, einen 56-Jährigen mit iranischer und US-Staatsbürgerschaft, und Gholam Schakuri, Mitglied der Al-Kuds-Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden. Arbabsiar sei Ende September am New Yorker Flughafen John F. Kennedy festgenommen worden, Schakuri sei flüchtig. Beide hätten bei ihren Anschlagsplänen eng mit Teilen der iranischen Regierung zusammengearbeitet. Weil Arbabsiar auch als Gebrauchtwagenhändler gearbeitet hatte, firmierte das Komplott bei den beiden Strippenziehern unter dem Codenamen "Chevrolet." Die "Verschwörung" sei vom Iran aus "erdacht, gefördert und gelenkt" worden, sagte US-Justizminister Eric Holder.

FBI-Chef Robert Mueller sprach von einem Komplott "wie ein Hollywood-Drehbuch". Demnach sollte der saudi-arabische Botschafter Adel al Dschubair bei einem Bombenanschlag in einem Restaurant in Washington getötet werden. Dafür hätten die Iraner im Sommer einen vermeintlichen mexikanischen Auftragskiller angeheuert, der allerdings als Informant für die US-Behörden tätig war. Die mutmaßlichen Drahtzieher seien bereit gewesen, 1,5 Millionen Dollar für das Attentat zu bezahlen und hätten bereits eine Anzahlung von 100.000 Dollar geleistet. US-Medien zufolge sahen die Pläne auch Bombenanschläge auf die saudi-arabische und israelische Botschaft in Washington vor.

Teheran bezeichnete die Anschuldigungen als "konstruiertes Szenario" und wies die "schändliche Behauptung kategorisch und auf das Schärfste zurück". Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi warf den USA vor, damit nur von innenpolitischen Problemen ablenken zu wollen. Teheran bestellte den Schweizer Botschafter ein, der die Interessen der USA im Iran vertritt. Beide Länder unterhalten seit 1980 keine diplomatischen Beziehungen mehr.

AFP
fgüs/AFP

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