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Spannungen mit Griechenland Neue Provokation im Inselstreit: TV-Sender spricht Türkei griechische Inseln zu

Kriegsschiffe fahren durchs Meer
Schiffe der türkischen Marine zum Abschluss des Militärmanövers "Efes 2022". Streitkräfte erprobten die Einnahme eines Küstenabschnitts gegenüber der griechischen Insel Samos.
© AA | Mehmet Emin Menguarslan / Picture Alliance
Die Türkei hat die griechischen Inseln in der Ägäis im Visier und droht Griechenland offen mit einer Eskalation. Nun heizen türkische Medien die Spannungen zusätzlich an. Im türkischen Fernsehen wird das Szenario durchgespielt, eine Reihe von Inseln der Türkei zuzuschreiben.

Bei einer Diskussion über die Landesgrenzen beider Staaten in einer Fernsehsendung des Privatsenders "Haber Turk" kam genau jenes Thema zum Ausdruck, welches der Türkei schon lange ein Dorn im Auge ist: die griechischen Inseln.

Auf einer Landkarte setzte der Journalist Gürkan Zengin einen Zeigestock an dem äußersten Westzipfel des türkischen Festlandes an und hielt diesen senkrecht auf die Landkarte. Damit wollte er wohl zeigen, dass diverse griechische Inseln, darunter Lesbos, Kos und Rhodos zur Türkei gehören sollten, sofern sie nicht weiter im Meer liegen als der türkische Westzipfel.

Auch andere türkische Medien heizen das Thema zusätzlich an. "Ein paar der Inseln, auf die die Türkei wegen dessen Militarisierung Anspruch erheben kann, sind Rhodos, Chios und Lesbos", schrieb die türkische Tageszeitung "Milliyet" laut griechischen Medien vor kurzem. Die türkische Tageszeitung "Yeni Safak" berichtete demnach, dass 22 von 23 griechischen Inseln militarisiert seien, was "eine Bedrohung" darstelle. Demnach habe die Türkei die Souveränität über neun Inseln und Griechenland sei lediglich das Gebrauchsrecht zugesprochen worden.

Türkei droht Griechenland mit Krieg

Die Thematik spiegelt den aktuellen Streitpunkt der beiden Nato-Mitgliedsstaaten wider: die Türkei fordert eine Entmilitarisierung der Inseln und stellt sogar Ansprüche auf diese, Griechenland pocht hingegen auf seine Staatshoheit. Zwar hält der Inselstreit schon seit Jahren an, nun stellt die Türkei allerdings die Souveränität seines Nachbarlands öffentlich infrage.

Der Ton der türkischen Regierung erhärtet sich zunehmend. Der Staatspräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, wandte sich vergangenen Sonntag in einer Rede an den griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis mit der Drohung: "Als deine Vorfahren dies (Mitsotakis soll gegenüber den USA gegen die Türkei gesprochen haben, als er dem US-Kongress Ende Mai vom Verkauf von F-16-Kampfflugzeugen an die Türkei abriet)vor 100 Jahren gemacht haben, weißt du, was denen passiert ist. Nicht, dass euch das gleiche passiert. Der Preis wird hoch sein."

Bei der provokativen Äußerung des türkischen Staatspräsidenten handelte es sich keineswegs um eine Ausnahme. Nach Mitsotakis Besuch in Washington sagte Erdogan, Mitsotakis existiere für ihn nicht mehr. Und im türkischen Staatsfernsehen drohte Erdogan bereits, die Nachbarn sollten sich "nicht Träumen hingeben, die sie bedauern werden". Das könne für Griechenland "katastrophale Folgen haben".

Das türkische Verteidigungsministerium wirft Griechenland sogar vor, die Spannung zwischen beiden Ländern anzuheizen, indem es seine Inseln in der östlichen Ägäis nutzt. Dem türkischen Verteidigungsministerium zufolge habe es seit Jahresbeginn 73 Besuche staatlicher Vertreter:innen auf den besagten Inseln gegeben, wovon 24 vom Vize-Verteidigungsminister Nikos Chardalias unternommen worden seien. Dadurch sei eine "Verletzung des Völkerrechts" fortgesetzt worden.

Hulusi Akar, Verteidigungsminister der Türkei, untersagte Chardalias sogar, die Ägäis-Inseln zu besuchen, wie griechische Medien berichteten. Laut einer Mitteilung des türkischen Verteidigungsministeriums müsste der griechische Vize-Verteidigungsminister von nun an eine Erlaubnis zum Besuch der Inseln erbitten.

Inselzugehörigkeit vertraglich geregelt

Auch wenn viele Inseln im östlichen Mittelmeer nahe der türkischen Küste liegen, gehören sie dennoch offiziell zu Griechenland – und das seit rund 100 Jahren. Die Verträge von Lausanne (1923) und Paris (1947) legen die Zugehörigkeiten der einzelnen Inseln fest. Zugleich dürfen bestimmte Inseln nicht militarisiert sein. Im Jahr 1936 wurde der Vertrag von Montreaux geschlossen, welcher den Lausanner Vertrag teilweise ersetzen soll. Auf diesen beruft sich die Türkei auch unter anderem bei ihren umstrittenen Gebietsansprüchen.

Athen verweist hingegen auf das in der UN-Charta festgeschrieben Recht eines jeden Staates zur Selbstverteidigung. Es begründet die Militarisierung der Inseln mit der Bedrohung durch zahlreiche Landungsboote an der türkischen Westküste.

Griechenland sieht in dem Verhalten der Türkei eine klare Kriegsdrohung, setzt aber auf "Nüchternheit, Gelassenheit, Entschlossenheit", so Regierungssprecher Giannis Oikonomou. Griechenland lasse sich nicht in Panik versetzen, "aber wir müssen auf alles vorbereitet sein".

Gründe könnten in Ablenkung innenpolitischer Probleme liegen

Dass die Türkei tatsächlich einen Krieg mit Griechenland anfängt, gilt als unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte sie an ihrer Taktik festhalten, die Gebietsansprüche durch Überflüge von Kampfflugzeugen und Aktivitäten mit Schiffen deutlich zu machen. Erst Ende April meldeten griechische Medien einen "Rekord" mit insgesamt 168 Luftraumverletzungen durch türkische Kampfflugzeuge. Immer wieder donnern sie im Tiefflug über bewohnte griechische Inseln.

Erdogan will damit vermutlich von den innenpolitischen Problemen, wie der schwierigen Wirtschaftslage ablenken. Außerdem stehen im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen in der Türkei an, bei denen der türkische Staatspräsident erneut antreten möchte. Für einen Wahlerfolg benötigt er Erfolge – wenn auch militärische.

Quellen: Enikos, CNN, Skai, RNDIn, Tagesschau

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