Offensive "Angst und Schrecken" geht weiter

Die US-Streitkräfte haben eine weitere Welle von Luftangriffen gegen Bagdad gestartet. Es waren Dutzende Einschläge von Raketen und Marschflugkörpern zu sehen.

Bagdad erneut unter Raketenbeschuss

Die US-Streitkräfte haben gegen 17.30 Uhr (MEZ) eine weitere Welle von Luftangriffen gegen die irakische Hauptstadt Bagdad gestartet. Es waren Dutzende Einschläge von Raketen und Marschflugkörpern zu sehen. Während des Angriffs waren erstmals Gebetsrufe und «Allahu Akbar» von den Minaretten der Moscheen zu hören.

Die irakische Armee hatte zuvor am Nachmittag damit begonnen, Öl in Gräben rund um Bagdad anzuzünden. Die schwarzen Rauchwolken waren als Verteidigung gegen die Luftangriffe gedacht.

"Angst und Schrecken" geht weiter

Mit massiven Angriffen auf Bagdad haben die amerikanischen und britischen Streitkräfte am Samstag ihre Luftoffensive "Angst und Schrecken" (Shock and awe) fortgesetzt. Dabei seien Regierungsgebäude im Zentrum, Paläste von Präsident Saddam Hussein und Ziele im Umland zerstört worden, berichteten Korrespondenten der Deutschen Presse-Agentur aus der Hauptstadt. Die Infrastruktur blieb aber weitgehend unversehrt, so dass Bagdad weiter Strom und Wasser hatte. Luftangriffe gab es auch in den nordirakischen Städten Mosul und Kirkuk. Irakische Verbände leisteten im Süden weiter hartnäckigen Widerstand.

Nach Angaben des Pentagon ergab sich im Südirak die 51. irakische Infanteriedivision mit 8.000 Mann und 200 Panzern. Dies wurde vom irakischen Informationsminister Mohammed Sajjid el Sahaf vehement dementiert. Sahaf bezeichnete solche Meldungen als "Illusionen und Lügen". Bei der Kollision von zwei britischen "Sea King"-Hubschrauber über dem Persischen Golf kamen alle sieben Insassen ums Leben. Bereits am Freitag war in Kuwait ein Transporthubschrauber mit 12 britischen und US-Soldaten verunglückt.

Weitere 8.000 britische Soldaten marschierten in den Irak ein. Wie die BBC berichtete, sollen die Fallschirmjäger und die Spezialeinheit "Wüstenratten" die Ölfelder im Südirak absichern.

1.500 Bomben und Raketen auf Bagdad

Der schon lange zuvor von den USA angedrohte Bombenhagel hatte am Freitagabend mit einem Paukenschlag gegen die Hauptstadt und andere irakische Zentren begonnen. Wie aus dem Pentagon verlautete, wurden bis zu 1.500 Marschflugkörper und Präzisionsbomben eingesetzt. Bei den Angriffen waren auch strategische Bomber vom Typ B-52 und der Tarnkappenbomber B-2 im Einsatz.

Schwere Explosionen

"Es waren in kurzer Folge mehr als 30 Detonationen zu hören", berichtete ein dpa-Korrespondent in Bagdad. Die Erde habe unter den schweren Explosionen gebebt. Neben anderen Regierungsgebäuden seien auch der Palast der Republik von Präsident Saddam Hussein und der historisch bedeutende El-Zuhour-Palast zerstört worden. Rauch hüllte das Zentrum der Stadt ein. Feuerwehren und Rettungswagen rasten durch die Straßen. Der irakische Informationsminister Mohammed Sajjid Sahhaf erklärte, es habe 207 zivile Opfer gegeben.

Umm Kasr weiter umkämpft

Die alliierten Streitkräfte hatten am Samstag die strategisch wichtige südirakische Hafenstadt Umm Kasr zunächst noch nicht vollständig unter Kontrolle. Ein BBC-Reporter berichtete vor Ort, es gebe immer noch irakische Widerstandsnester. Informationsminister Sahhaf bestritt grundsätzlich, dass die Stadt gefallen sei. Das Gebiet um Umm Kasr war in der Nacht zum Samstag Ziel heftiger Bombardements. Auch auf Bagdad vorrückende Einheiten der 7. US- Kavalleriedivision wurden in Kämpfe verwickelt.

Vormarsch auf Basra

Im Süden Iraks drangen die US-Marineinfanteristen nach eigenen Angaben bis nach Basra vor. Ihre Panzerverbände lieferten sich westlich der Stadt Gefechte mit irakischen Truppen. Ein Hauptmann der Marineinfanteristen sprach von einem großen Gefecht. Auch britische Truppen waren auf die Hafenstadt vorgerückt. Die Truppen besetzten auf dem Weg wichtige Anlagen der Ölindustrie. Einheiten der US-Marineinfanterie verhinderten nach einem Bericht des US-Senders Fox die Sprengung zweier Öl-Verladestationen vor der irakischen Südküste, die bereits mit Sprengsätze versehen gewesen seien. US-Truppen haben nach Militärangaben zudem zwei Flugplätze in der Wüste 225 und 290 Kilometer westlich von Bagdad eingenommen.

Behindert Dammöffnung die alliierten Truppen?

Nach Informationen des ZDF ist der Vormarsch der amerikanischen Bodentruppen jedoch rund 200 Kilometer vor Bagdad zum Stillstand gekommen, nachdem die Iraker einen Damm geöffnet haben. Der ZDF-Korrespondent Olaf Buhl berichtete am Samstagvormittag aus Katar, die Dammöffnung habe eine Flutung ausgelöst, so dass die US-Truppen zunächst nicht weiter in Richtung auf die irakische Hauptstadt vorrücken könnten.

Türkische Truppen im Nordirak

Nach einem offiziell nicht bestätigten Bericht des TV-Senders CNN Türk marschierten rund 1.000 türkische Soldaten in den Irak ein, offenkundig gegen den ausdrücklichen Wunsch Washingtons. Der türkische Außenminister Abdullah Gül hatte jedoch in der Nacht keinen Zweifel daran gelassen, dass die Türkei eigene Truppen entsenden werde.

Nach Darstellung Ankaras sollen die Truppen irakische Flüchtlinge daran hindern, die türkische Grenze zu erreichen und verhindern, dass Rebellen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK ihren bewaffneten Kampf gegen die Türkei wieder aufnehmen. Ankara hatte am Freitagabend den türkischen Luftraum für Kampfeinsätze gegen den Irak freigegeben.

Angriffe auf Extremisten?

Aus dem kurdischen Nordirak des Landes berichtete der arabische Nachrichtensender El Dschasira von amerikanischen Angriffen gegen Stellungen der Extremistengruppe Ansar el Islam nahe der iranischen Grenze. Ein Sprecher der Gruppe sprach von Dutzenden von Toten und Verletzten.

Die Militärführung in Bagdad erklärte unterdessen, die amerikanisch-britischen Truppen versuchten die irakischen Soldaten in "Schlachten auf Nebenkriegsschauplätzen zu verwickeln", unter anderem in der Wüste. Darauf werde man sich nicht einlassen.

Bilder von Hussein und Sohn Kusai

Das irakische Fernsehen zeigte Bilder von einem Treffen Präsident Saddam Husseins mit seinem jüngeren Sohn Kusai und Verteidigungsminister Sultan Haschim Ahmed. Diese Aufnahmen sollten wohl erneut Spekulationen über eine mögliche Verwundung des Präsidenten widerlegen, erklärten arabische Beobachter. Unklar war, wann die Bilder entstanden sind.

Trotz der massiven Bombenangriffe gab es offenbar keine Massenflucht der Bevölkerung. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR gibt es keine konkreten Berichte, wie es im Inneren des Irak aussieht und ob sich Menschen dort schon auf der Flucht befinden.