Präsidentenwahl im Iran Wächterrat zur Neuauszählung bereit

Der islamische Wächterrat will umstrittene Stimmen bei der Präsidentenwahl im Iran neu auszählen, falls sich Ungereimtheiten bestätigen sollten. Die Sicherheitslage hat sich unterdessen weiter verschärft. Inzwischen sollen bis zu 15 Demonstranten zu Tode gekommen sein. Und es soll neue Massenproteste in Teheran geben.

Angesichts der anhaltenden Proteste gegen den Wahlausgang im Iran hat sich der Wächterrat bereit erklärt, einen Teil der Stimmen neu auszuzählen. Das für die Organisation der Präsidentschaftswahl zuständige Gremium wolle die Stimmen derjenigen Wahlurnen sorgfälltig prüfen, die "Gegenstand von Einwänden" seien, sagte der Sprecher des Rats am Dienstag der amtlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna. Dabei könne es auch - falls notwendig - zum Nachzählen "strittiger Stimmen" kommen. Eine Neuauszählung könne nach Angaben des Rats veränderte Stimmenanteile ergeben, hieß es in einem Bericht des englischsprachigen "Press TV". Der geistliche Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, hatte am Montag eine Prüfung der Ergebnisse durch den Wächterrat angeordnet.

Nachdem Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad bereits nach dem ersten Wahlgang am Freitag zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden war, hatte der unterlegene Mir-Hussein Mussawi am Sonntag beim Wächterrat die Annullierung der Abstimmung beantragt. Der Wächterrat will sich nun mit Mussawi treffen, um über dessen Vorwürfe zu beraten. Auch der bei der Präsidentschaftswahl am vergangenen Freitag abgeschlagen auf dem dritten Platz gelandete Kandidat Mohsen Resai solle an dem Treffen teilnehmen. Der Rat muss innerhalb von zehn Tagen nach Ende der Einspruchsfrist am Montag entscheiden.

Die zwölf Mitglieder des Wächterrats haben in rechtlichen Fragen das letzte Wort und können durch ihr Veto die Beschlüsse des Parlaments zu Fall bringen. In der theokratischen Staatsordnung des Iran haben sie die Aufgabe, die Vereinbarkeit von Gesetzen mit dem Islam und der Verfassung zu überprüfen. Der Wächterrat steht auf der Seite der konservativ-schiitischen Geistlichkeit. Auch bei Wahlen hat der Wächterrat das letzte Wort: Bei der Präsidentenwahl ließ er von 475 Kandidaten, die ihre Bewerbung einreichten, nur vier zu.

ARD berichtet von 15 Toten

Unterdessen hat sich die Sicherheitslage im Iran weiter verschärft. Am Rande der Massenproteste gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads sollen in der Hauptstadt Teheran mindestens sieben Menschen ums Leben gekommen sein, berichtete der staatliche Rundfunk. Nach Informationen des Teheraner ARD-Studios aus Oppositionskreisen sind inzwischen sogar 15 Menschen zu Tode gekommen. Mehr als 200 Demonstranten sind diesen Angaben zufolge festgenommen worden. Darunter ist nach Informationen aus seinem Büro auch der ehemalige Stellvertreter des früheren Präsidenten Mohammed Chatami, Mohammed Ali Abtahi. Er ist Mitglied der Anti-Ahmadinedschad-Bewegung.

Auch Studenten sind in ihren Wohnheimen festgenommen worden. Parlamentspräsident Ali Laridschani kritisierte daraufhin offen das Innenministerium: "Es macht definitiv keinen Sinn, am frühen Morgen Studentenwohnheime anzugreifen", sagte er. Das Innenministerium trage die Verantwortung und sollte auf die Kritik antworten. Menschenrechtsorganisationen kritisierten, die Sicherheitskräfte seien in Teheran und anderen Städten mit exzessiver Gewalt vorgegangen, auch mit scharfer Munition.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte ein Ende der Polizeigewalt gegen die Demonstranten. "Auch die Sicherheitskräfte sind verantwortlich dafür, dass die Lage nicht weiter eskaliert", sagte der Minister am Dienstag in Berlin. Die Lage auf den Straßen sei weiter heikel, und der Westen blicke mit Sorge auf das Land. Zugleich erneuerte Steinmeier seine Forderung, die iranische Führung müsse umgehend für Aufklärung über Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentenwahl sorgen.

Neue Großdemos angekündigt

Mussawis Anhänger wollen erneut zu einer Großkundgebung in den Straßen Teherans zusammenkommen. Am Montag hatte sich die größte Protestwelle im Iran seit der Islamischen Revolution vor 30 Jahren mit Hunderttausenden Demonstranten auch auf andere Städte des Landes ausgeweitet. Die Anhänger von Präsident Ahmadinedschad haben eine Gegendemonstration angekündigt. Die Kundgebung soll auf demselben Platz in Teheran stattfinden, wo am Montag Mussawis Anhänger demonstriert hatten.

DPA · Reuters
AFP/DPA/Reuters