Russische Staatspropaganda Wladimir Putin spricht von "Genozid" in der Ostukraine – was ist da dran?

Wladimir Putin und Olaf Scholz sitzen an entgegengesetzten Enden einer langen Tafel
Putin und Scholz sitzen an einem Tisch: Die Distanz von sechs Metern sei nicht bildlich zu verstehen, versichtert der Kreml.
© Mikhail Klimentyev / Russian President Press Office / Sputnik / DPA
Nach dem Besuch von Olaf Scholz in Moskau sprach der russische Präsident Wladimir Putin auf der Pressekonferenz von einem "Genozid" im Donbass und wiederholte damit eine Propagandalüge. Der Kanzler äußerte sich erst im Nachhinein dazu.

Mit sechs Meter Abstand reden Kanzler Scholz und Kremlchef Putin in Moskau über die schwerste Krise in Europa seit Jahrzehnten. Es geht um Krieg oder Frieden. Am Ende ist das mit Spannung erwartete Vier-Augen-Gespräch schneller beendet als erwartet, vielleicht sogar besser als erwartet, der Krieg jedenfalls scheint ein kleinwenig weiter weggerückt zu sein.

"Genozid" in der Ostukraine?

Während der Pressekonferenz im Anschluss aber blitzen immer wieder die fundamentalen unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Regierungschefs auf. Als Putin einmal mehr der Nato Feindseligkeit vorwirft und als Beispiel dafür das Bombardement von Belgrad anbringt, fährt Scholz ihm in die Parade – und meint, dass damals am Ende des Kosovo-Konflikts ein Völkermord zu verhindern gewesen sei. Daraufhin behauptet Putin, dass es heute einen "Genozid" in der Ostukraine gebe. Ein Völkermord im Donbass?

Die Behauptung ist nicht neu, aber weiterhin unbelegt. Schon häufiger sagte der russische Präsident, dass die russischsprachige Bevölkerung im Osten der Ukraine durch "ethnische Säuberungen bedroht" sei, die Entwicklung würde sogar immer stärker Züge eines "Genozids" annehmen. Diese Art von Schreckenspropaganda wird auch von staatlichen Medien verbreitet, etwa durch die Nachrichtenagentur "Rossija Sewodnja", deren Chef jüngst berichtete, dass in der Region Zivilisten und Zivilistinnen "gefoltert und grausam getötet" würden.

Schon 2014 wurden von russischen Sendern wie "RT" behauptet, dass die Ukraine Verbrechen an der russischen Minderheit im Grenzgebiet verüben würde – der Kreml rechtfertigte damit unter anderem das Eindringen in die Ukraine. Der EVP-Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Manfred Weber, sagte Ende vergangenen Jahres, ihn besorge diese Propaganda: "Worte bereiten Taten vor. Putin spricht von einem Genozid im Donbass, damit könnte man dann einen Krieg begründen."

Später widersprach Scholz dann doch

Russland sieht sich nicht nur als Schutzmacht der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine, sondern auch der in anderen Nachbarstaaten und ehemaligen Sowjetrepubliken. Wie etwa Lettland. Fast 30 Prozent der dortigen Bevölkerung ist russischstämmig, in Estland ist es rund ein Viertel. Die kleinen baltischen Länder sind auch deswegen Nato-Mitglieder geworden, um sich einen Zugriff der "Schutzmacht" Russlands zu verhindern.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Kreml verzichtete Olaf Scholz darauf, den Präsidenten in dieser Sache offen zu widersprechen. Später aber tat er es vor Journalisten dann doch. "Das ist ein heftiges Wort, es ist aber falsch", so Scholz.