Anklage in New York Maulkorb für Trump? Richter Merchan könnte ihm einen schweren Schlag verpassen

Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, bei seiner Ankunft am Trump Tower in New York
Angeklagt: Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, bei seiner Ankunft am Montag am Trump Tower in New York
© Bryan Woolston / AP / DPA
Ex-US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Meinung noch nie hinterm Berg gehalten. Im Fall Stormy Daniels könnte der Richter aber genau das von ihm verlangen. Er hätte gute Gründe dafür.

Seit sich im Fall Stormy Daniels die Schlinge um Donald Trumps Hals enger zieht, glüht die Truth-Social-Kanone des früheren US-Präsidenten. In dem von ihm mitgegründeten Online-Netzwerk feuert der Angeklagte eine Salve nach der anderen auf die in dem Verfahren um seine Zahlung an die ehemalige Pornodarstellerin verantwortlichen Justizvertreter ab. Zugleich versucht er, seine Anhänger mobil zu machen, damit sie gegen die angebliche "Hexenjagd" protestieren.

So warnte Trump bereits vor seiner Anklage vor "Tod und Zerstörung", sollte ihm der Prozess gemacht werden – für manche ein unverhohlener Aufruf zur Gewalt, der an die Kapitol-Erstürmung erinnerte. Den zuständigen Richter Juan Merchan nannte der 76-Jährige einen "Trump-Hasser". Und seinen Ankläger, Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg, beschimpfte er als "Rassist", "Tier" und "korrupt".

In einem mittlerweile gelöschten Beitrag postete Trump ein Foto von sich selbst mit einem Baseballschläger neben einem Foto von Bragg mit erhobenen Händen. Und als er am Montag zu seiner Anklageverlesung nach New York abreiste, schrieb der Ex-Präsident: "Hexenjagd, während unser einst großartiges Land zugrunde geht."

Merchan könnte "gag order" gegen Donald Trump verhängen

Doch mit diesen Tiraden könnte es bald vorbei sein. Rechtsexperten spekulieren, dass Merchan gegen Trump oder auch weitere Verfahrensbeteiligte eine sogenannte "gag order" verhängen könnte, ein Verbot, sich zu dem Fall öffentlich zu äußern. Solche Redeverbote sind in Strafsachen durchaus üblich. Sie sollen verhindern, dass Streitparteien, Anwälte oder Zeugen Aussagen machen, die zu Gewalttätigkeit anstiften, eine Bedrohung für Staatsanwälte oder Zeugen darstellen oder die Geschworenen beeinflussen könnten.

Trumps bisherige Attacken wären ein guter Grund für Merchan, dem Angeklagten weitere Äußerungen zu dem Verfahren zu verbieten. "Der Richter möchte den Anstand im Gerichtssaal wahren", zitiert die Nachrichtenseite "The Hill" den New Yorker Strafverteidiger und ehemaligen stellvertretenden Staatsanwalt von Manhattan, Jeremy Saland. "Der Richter möchte, dass dies in den vier Wänden des Gerichtssaals verhandelt wird. Dies ist kein öffentliches Spektakel. Dies ist ein sehr wichtiger Fall in dem Sinne, dass alle Augen der Nation darauf gerichtet sind [...]. Es hängt also eine Menge davon ab."

Auch der frühere Vize-Staatsanwalt Robert Gottlieb sieht Trump nicht vor einer "gag order" gefeit: "Er ist nicht anders als jeder andere", sagte Gottlieb dem Sender NBC New York. Selbst wenn man alle politischen Implikationen des Falles in Betracht ziehe, erhalte Trump nicht "mehr Rechte [...], um die Geschworenen zu beeinflussen oder Gewalt anzudrohen oder aufzuhetzen. In diesem Gerichtssaal ist er nur ein Angeklagter".

Für Trump wäre ein solches Redeverbot ein schwerer Schlag. Zwar könnte er Berufung dagegen einlegen, doch sollte er damit scheitern und ihm Aussagen zu dem laufenden Verfahren tatsächlich untersagt werden, könnte der Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner die Anklage nicht mehr als "Angriff auf unsere Nation" und "politische Verfolgung und Wahlbeeinflussung" durch "die linksradikalen Demokraten" für seinen Wahlkampf ausschlachten. Für Dienstagabend hat Trump bereits angekündigt, dass er in seiner Privatresidenz Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida eine Erklärung abgeben werde. Im Falle einer "gag order" dürfte die ziemlich dünn ausfallen.

Verstoß gegen "gag order" ist strafbar

Falls Trump sich nicht im Zaum halten kann, und die Anordnung ignoriert, müsste er im schlimmsten Fall mit einer Haftstrafe rechnen. Ein Angeklagter, der in New York gegen eine "gag order" verstößt, kann wegen Missachtung verurteilt werden. Die Höchststrafe für dieses Vergehen liegt bei einem Jahr Gefängnis. In der Regel warnt ein Richter einen Angeklagten, bevor er eine Vorladung wegen Missachtung ausstellt.

Doch auch wenn der Richter keine "gag order" verhängen oder mit dem Versuch scheitern sollte, muss Trump aufpassen, was er sagt. Wenn der Republikaner sich weiterhin wie bisher zu dem Fall äußere, könne er damit immer noch gegen andere Gesetze verstoßen, erklärte der ehemalige New Yorker Staatsanwalt Cyrus Vance im US-Sender MSNBC.

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"Es gibt ein Verbrechen, nach New Yorker Recht nennt man das Behinderung der Regierungsarbeit", sagte Vance in der Sendung "Inside with Jen Psaki". Dabei handele es sich um den Versuch, Amtsträger einzuschüchtern. "Wenn ich Mr. Trumps Anwalt wäre, würde ich ihm sagen, dass er damit aufhören soll, weil es ihm vor dem Richter nicht helfen wird. Und wenn es zur Anklage kommt, wird es ihm vor den Geschworenen nicht helfen."

Diese Gefahr sieht auch der ehemalige Bundesstaatsanwalt Michael McAuliffe: Trumps "Unfähigkeit zu schweigen" könnte jeden Vorteil, den sein Anwaltsteam durch eine "gag order" haben könnte, zunichte machen, sagte McAuliffe dem Nachrichtenmagazin "Newsweek". Wenn der Angeklagte sich an die Anordnung halte, könnte sie ihn davon abhalten, sich mit seinen Beiträgen in den sozialen Medien selbst zu belasten. Sollte er dazu jedoch nicht in der Lage sein, könnte er wegen Missachtung des Gerichts angeklagt werden. "Darüber hinaus könnten Trumps anhaltende Versuche, den Verlauf des Verfahrens gegen ihn öffentlich zu beeinflussen – erst letzte Woche lobte er die Grand Jury in Manhattan, als er glaubte, dass sie nicht für eine Anklage gegen ihn stimmen würde – zu einer Anklage wegen Behinderung der Justiz führen", ergänzte McAuliffe.

Laut Todd Berger, Juraprofessor an der Syracuse University, könnte eine Reihe von Dingen passieren, sollte Trump gegen eine "gag order" verstoßen. So könnte er etwas Belastendes in den sozialen Medien schreiben, das vor Gericht gegen ihn verwendet wird, auch wenn er dort nicht selbst aussagt, erklärte Berger "Newsweek". Und wenn Trump doch in den Zeugenstand trete, könnten alle seine vorherigen Postings und Stellungnahmen, die nicht mit seiner Aussage vor Gericht übereinstimmen, gegen ihn verwendet werden.

"Ein Problem bei einer 'gag order' ist natürlich, dass er sie möglicherweise nicht befolgen kann", sagte der Professor. "Folglich müssen sich seine Anwälte ständig Gedanken darüber machen, ob er wegen Missachtung des Gerichts angeklagt wird, weil er gegen die Anordnung verstoßen hat."