In Saudi-Arabien ist ein Mann wegen seiner Aktivitäten auf Youtube und seiner Beiträge auf X, vormals Twitter, zum Tode verurteilt worden. Mohammed bin Nasser al-Ghamdi soll wegen "Verrats an seiner Religion", "Störung der Sicherheit der Gesellschaft", "Verschwörung gegen die Regierung" und "Verunglimpfung des Königreichs und des Kronprinzen" hingerichtet werden, wie die Nachrichtenangetur Associated Press (AP) und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International unter Berufung auf Gerichtsdokumente berichten.
Der Schuldspruch basiert den Angaben zufolge auf den Online-Aktivitäten des 54-Jährigen, bei denen er Beiträge von Regimekritikern geteilt hatte. Gefällt habe das Urteil das saudi-arabische Sonderstrafgericht, das für die Verhandlung von Terrorfällen eingerichtet wurde, sich nun aber auch mit Anklagen gegen Aktivisten beschäftigt.
Regimekritischer Bruder glaubt an Vergeltungsmaßnahme
Einen Grund, warum sie al-Ghamdi, einen in Mekka lebenden pensionierten Lehrer, ins Visier genommen hatten, hätten die saudischen Behörden auf Nachfrage nicht angegeben, berichtet die Nachrichtenagentur weiter. Der Bruder des Mannes, Saeed bin Nasser al-Ghamdi, ist jedoch ein bekannter Kritiker der saudischen Regierung der im Exil in Großbritannien lebt. Er glaubt, dass das Vorgehen der Justiz eine Strafe für seinen Aktivismus ist.
"Die saudischen Behörden haben mich mehrmals gebeten, nach Saudi-Arabien zurückzukehren, aber ich habe mich geweigert", erzählte Saeed bin Nasser al-Ghamdi Amnesty International. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Todesurteil gegen meinen Bruder eine Vergeltungsmaßnahme für meine Aktivitäten ist. Andernfalls wäre seine Anklage nicht mit einer so hohen Strafe verbunden gewesen." Nach Aussage von Aktivisten und Betroffenen habe das Königreich bereits in der Vergangenheit die Verhaftung von Familienmitgliedern als Druckmittel eingesetzt, um Menschen im Ausland zur Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, berichtet AP.
Al-Ghamdis Schuldspruch ist nur das jüngste Beispiel für eine zunehmende Repression von Andersdenkenden in Saudi-Arabien. Vor einem Jahr war bereits die Die Doktorandin und Frauenrechtlerin Salma al-Shehab zu 34 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie sich in den sozialen Medien mehrfach für Frauenrechte ausgesprochen und Beiträge von Dissidenten geteilt hatte. Im Januar diese Jahres wurde ihre Strafe dann auf 27 Jahre reduziert.
"Al-Ghamdis Todesurteil aufgrund von Tweets ist äußerst schrecklich, steht aber im Einklang mit dem eskalierenden Vorgehen der saudischen Behörden", zitiert AP Lina Alhathloul von der in London ansässigen Nichtregierungsorganisation ALQST, die sich für die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte in Saudi-Arabien einsetzt. "Lange Haftstrafen für freie Meinungsäußerung, wie die 27 Jahre gegen Salma al-Shehab, haben keinen ausreichenden Aufschrei ausgelöst, und die Behörden haben dies als grünes Licht für eine weitere Verschärfung ihrer Unterdrückung genommen", sagte Alhathloul. "Sie senden eine klare und unheilvolle Botschaft aus – dass niemand sicher ist und dass selbst ein Tweet einen umbringen kann."
Saudi-Arabien ist einer der größten Henker der Welt
Auch Amnesty International prangerte das Vorgehen des Königreichs an: "Die saudischen Behörden haben Milliarden von Dollar ausgegeben, um ihr Image aufzupolieren, aber kein Geld der Welt kann beschönigen, wie repressiv das Land geworden ist", kritisierte Philip Luther, Amnestys Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika.
Das Todesurteil gegen al-Ghamdi, der insgesamt nur zehn Follower auf seinen beiden anonymen Twitter-Konten habe und dem nichts anderes vorgeworfen werde, als seine Meinung in den sozialen Medien zu äußern, sei "lächerlich", erklärte Luther. Es handele sich um eine deutliche Eskalation im Vorgehen des Königreichs gegen jede Form von Dissens. "Es ist unmöglich zu glauben, dass die saudischen Behörden wirklich an Reformen interessiert sind, wenn sie weiterhin Menschen unter Verletzung des Völkerrechts hinrichten, einschließlich der Hinrichtung von minderjährigen Straftätern und Menschen, die nach Scheinprozessen verurteilt wurden, nur weil sie sich der Regierung widersetzt haben."
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Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman gibt sich gern fortschrittlich und modern, forciert Bauprojekte und diplomatische Abkommen und will das Land mit seiner "Vision 2030" fit machen für die Zeit nach dem Öl. Gegen Kritiker seines Kurses geht er zugleich mit gnadenloser Härte vor. Laut Amnesty International ist Saudi-Arabien hinter China und dem Iran einer der größten Henker der Welt. Im vergangenen Jahr seien in dem Königreich 196 Menschen exekutiert worden und damit so viele wie noch nie in den vergangenen 30 Jahren. Im März 2022 seien allein an einem Tag 81 Menschen exekutiert worden – die größte bekannte Massenhinrichtung in der modernen Geschichte des Königreichs. Laut AP scheint der Fall von al-Ghamdi jedoch der erste zu sein, bei dem jemanden wegen seines Online-Verhaltens zum Tode verurteilt wurde.
Quellen: Associated Press, Amnesty International