Streit um Roma-Abschiebungen Paris zeigt sich erstaunt über EU-Drohungen

Im Streit um die Gruppenabschiebungen von Roma droht die Europäische Kommission Frankreich mit juristischen Konsequenzen. Die EU-Kommissarin für Grundrechte und Justiz, Viviane Reding, kündigte am Dienstag in Brüssel an, sich für ein EU-Strafverfahren gegen Frankreich einsetzen zu wollen.

Im Streit um die Gruppenabschiebungen von Roma droht die Europäische Kommission Frankreich mit juristischen Konsequenzen. Die EU-Kommissarin für Grundrechte und Justiz, Viviane Reding, kündigte am Dienstag in Brüssel an, sich für ein EU-Strafverfahren gegen Frankreich einsetzen zu wollen. Die französische Regierung zeigte sich "erstaunt" über die Brüsseler Äußerungen.

Reding nannte das Vorgehen Frankreichs gegen die Roma eine "Schande". Die Luxemburger Kommissarin fügte hinzu: "Ich bin persönlich überzeugt, dass die Kommission keine Wahl hat als ein Verfahren gegen Frankreich zu eröffnen." Reding wirft der Regierung in Paris einen Verstoß gegen das EU-Grundrecht auf Niederlassungsfreiheit vor. Danach kann sich jeder Bürger der Europäischen Union in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen. Da die Roma EU-Bürger sind, gelten für sie die gleichen Rechte.

Ein Sprecher des französischen Außenministeriums warnte Brüssel vor einer "Polemik". Die französische Regierung hatte seit Jahresbeginn mehr als 8000 Roma zurück in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien geschickt und seit Juli dutzende illegale Roma-Lager geräumt. "Diskriminierung auf der Grundlage der ethnischen Herkunft oder der Rasse hat in Europa keinen Platz", betonte Reding. Sie habe angenommen, dass Europa eine solche Situation nach dem Zweiten Weltkrieg nicht noch einmal erleben müsse, sagte die Kommissarin.

Reding will der französischen Regierung noch einige Tage Schonfrist einräumen. "Aber ich stelle klar: Meine Geduld ist am Ende. Es reicht", betonte die Kommissarin. Letzte Klarheit soll ein Rechtsgutachten bringen, welches die EU-Kommission in den kommenden Tagen veröffentlichen will. Dem Antrag Redings auf ein EU-Verfahren müsste dann noch das Kollegium der 27 Kommissare zustimmen.

Besonders erzürnt zeigte sich die Grundrechte-Kommissarin bei ihrem unangekündigten Auftritt über ein internes Rundschreiben des französischen Innenministeriums, in dem die vorrangige Räumung von Roma-Lagern verlangt wurde. Die Regierung zeigte sich erst zu Wochenbeginn nach öffentlicher Kritik zur Streichung der strittigen Passagen bereit.

In dem Rundschreiben des Innenministeriums waren konkrete Zahlen zum Vorgehen gegen Roma vorgegeben. "300 Lager oder illegale Siedlungen müssen innerhalb von drei Monaten geräumt werden, Roma-Lager haben Vorrang", heißt es in dem Text an die französischen Präfekten von Anfang August, den der Bürochef von Innenminister Brice Hortefeux unterschrieben hatte.

Im äußersten Fall kann ein EU-Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen. Zuvor müsste die Kommission Frankreich jedoch in drei Verfahrensschritten Gelegenheit geben, die Vorwürfe auszuräumen.

Im Europaparlament stieß die Strafandrohung auf ein gemischtes Echo. Der Fraktionschef der Sozialisten, der SPD-Politiker Martin Schulz, warf der Kommission vor, "zu spät für hunderte von Roma" zu reagieren. Der innenpolitische Sprecher der FDP im Europaparlament, Alexander Alvaro, begrüßte dagegen das Vorgehen. "Es ist nun offensichtlich, dass EU-Bürger vorsätzlich ihrer Grundrechte beraubt wurden", erklärte er.

Auch am Dienstag setzte Frankreich die Abschiebungen fort. Am Flughafen Marseille-Provence kamen 69 Roma an, darunter zwölf Kinder, wie ein AFP-Journalist berichtete. Sie sollten noch am Nachmittag ein Flugzeug mit Ziel der rumänischen Hauptstadt Bukarest besteigen.

AFP
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