Die Gewalt des syrischen Regimes gegen das eigene Volk hat nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) eine neue Dimension erreicht. Der ranghohe UN-Vertreter Oscar Fernandez-Taranco habe einen "alarmierenden" Bericht über die Lage im Land vorgelegt, sagte die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, am Montag (Ortszeit) nach einer Dringlichkeitssitzung in New York. Diese endete aber ohne konkrete Ergebnisse.
Fernandez-Taranco, Vize-Generalsekretär der politischen Abteilung der UNO, sagte bei dem Treffen demnach, seit Beginn der Proteste gegen Staatschef Baschar al-Assad im März seien 3000 Menschen spurlos verschwunden. Mehr als 1500 Zivilisten seien getötet worden, weitere 12.000 Personen im Gefängnis gelandet. Es habe einen "breiten Ausdruck der Besorgnis und Verurteilung" in dem Gremium gegeben, sagte Rice nach dem Ende der Debatte vor Journalisten.
Nach Angaben von Diplomaten seien sich die Länder nun einig, dass der UN-Sicherheitsrat im Fall Syriens aktiv werden müsse. Auch von Seiten Russlands und Indiens, die bislang kritisch zu einer offenen Verurteilung Assads standen, sei Zustimmung gekommen, eine gemeinsame Haltung zu entwickeln.
Syrische Armee setzt Angriffe fort
Die brutale Militäroffensive ging am Montagabend nach Angaben von Aktivisten weiter. In Hama wurden mindesten zwei Menschen getötet. Dutzende seien verletzt worden. Der heftige Beschuss habe nach den Abendgebeten begonnen.
Zuvor hatten Aktivisten bereits von sechs Toten in Hama berichtet. In Hama waren am Sonntag nach Angaben von Oppositionellen 97 Menschen erschossen worden. In Deir al-Zor und in der Ortschaft Albu Kamal kamen am Montag je ein Mensch ums Leben.
Mit dem jüngsten Vormarsch will das Regime, das seit mehr als vier Monaten durch landesweite Massenproteste bedrängt ist, aus Sicht von Beobachtern wieder die Initiative an sich reißen. Für den Ramadan hatte die Opposition verstärkte Aktivitäten angekündigt.
Clinton appelliert an Russland und China
Vor der Sitzung im UN-Sicherheitsrat, die auf Initiative Deutschlands stattfand, hatte US-Außenministerin Hillary Clinton zu einer Verurteilung der syrischen Führung angesichts der Gewalt gegen Demonstranten aufgefordert. Diejenigen Mitglieder des UN-Gremiums, die bislang jede Aufforderung an Assad, das Töten von Protestierenden zu beenden, blockiert hätten, müssten "ihre Positionen überdenken". "Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, sich in dieser kritischen Zeit hinter das syrische Volk zu stellen", erklärte sie.
Clintons Appell richtete sich an die Veto-Staaten Russland und China, die eine Resolution zu Syrien ablehnen. Für eine solche setzen sich Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich und Portugal ein. Das Treffen endete am Montag ohne konkrete Ergebnisse oder eine Stellungnahme des Sicherheitsrates. Wie aus Diplomatenkreisen aber weiter verlautete, überarbeiteten die westlichen Länder ihren Resolutionsentwurf, der unter anderem ein Ende der Gewalt gegen Regierungsgegner und den Zugang der UNO zu den Protesthochburgen des Landes fordert. Der Entwurf könnte demnach am Dienstag debattiert werden.
USA und EU wollen Sanktionen verschärfen
In Syrien gehen die Sicherheitskräfte seit Monaten brutal gegen die Protestbewegung gegen Assad vor. Am Sonntag war die Armee mit Panzern in die Protesthochburg Hama eingerückt, laut Fernandez-Taranco starben dabei rund 140 Menschen.
Die USA erwägen nach Angaben von Außenamtssprecher Mark Toner, ihre Sanktionen gegen die syrische Führung zu verschärfen. Die EU will ihre Strafmaßnahmen auf weitere Mitglieder des Führungszirkels um Assad ausdehnen. Fünf weitere Namen wurden auf eine Liste von bisher 30 Personen mit Einreiseverbot genommen, teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Montag in Brüssel mit. Von diesen 35 Repräsentanten des Assad-Regimes wurde auch das in der EU befindliche Vermögen eingefroren.