Deniz Yücel, Mesale Tolu oder Peter Steudtner sind wieder frei. Sie sind vielleicht die prominentesten, aber bei weitem nicht die einzigen Fälle von Deutschen, die in der Türkei in Haft gekommen sind. Immer noch sitzen in dem von Recep Tayyip Erdogan regierten Land nach Angaben der Bundesregierung sieben Bundesbürger "aus politischen Gründen" im Gefängnis – zum Teil ohne Anklage.
Der Verhaftungseifer der türkischen Behörden trifft nicht nur Journalisten oder Menschenrechtsaktivisten – auch der Otto-Normal-Urlauber kann mitunter schnell ins Visier der Sicherheitskräfte geraten. Statt auf der Sonnenliege am Strand von Antalya oder auf dem Sofa bei Verwandten in Izmir endet die Reise dann in einer Zelle in Istanbul, bevor sie überhaupt losgegangen ist.
In der Türkei drohen drastische Strafen
Eines von mehreren Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit: Ein türkischstämmiger Hamburger Taxiunternehmer wurde im August während eines Besuchs bei seiner Mutter in der osttürkischen Provinz Elazig festgenommen. Der Vorwurf: Terrorpropaganda. Der 46-Jährige soll auf seiner Facebookseite Werbung für die (auch in Deutschland verbotene) kurdische PKK gemacht haben. Im September sei er zu gut drei Jahren Haft verurteilt worden, berichtet unter anderem der Norddeutsche Rundfunk.
Es sind Fälle wie die des Hamburgers, die nun auch das Auswärtige Amt in Berlin unter der Führung von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auf den Plan gerufen haben. Es hat als Konsequenz nun seine Reise- und Sicherheitshinweise für das Land noch einmal verschärft – und warnt vor den drastischen Folgen, die ein falscher Klick im Internet haben kann.
"Festnahmen und Strafverfolgungen deutscher Staatsangehöriger erfolgten mehrfach in Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien. Dabei können auch solche Äußerungen, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, Anlass zu einem Strafverfahren in der Türkei geben. Ausreichend ist im Einzelfall das Teilen oder Liken eines fremden Beitrags entsprechenden Inhalts", schreibt das Amt auf seiner Internetseite. Und es warnt: "Es muss davon ausgegangen werden, dass auch nichtöffentliche Kommentare in sozialen Medien etwa durch anonyme Denunziation an die türkischen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden."
Im Klartext heißt das für Urlauber: Vor dem Abflug in die Türkei sollten sie eigenen Facebook-, oder Instagram- oder Twitteraccounts von möglicherweise regierungskritischen Inhalten bereinigen. Doch selbst diese Vorsichtsmaßnahme könnte nicht genügen, wenn die entsprechenden Statements schon weitergemeldet wurden. Die bloße – in Deutschland zulässige – Meinungsäußerung könne von den türkischen Sicherheitsbehörden als "Propaganda für eine terroristische Organisation" oder als "Präsidentenbeleidigung" ausgelegt werden und zu einer mehrjährigen Haftstrafe führen, teilt das Auswärtige Amt mit.
Auswärtiges Amt spricht keine Reisewarnung aus
Auch die weiteren Ausführungen des Ministeriums sind alles andere als Werbung für einen Urlaub in der Türkei. So sei in der Vergangenheit der konsularische Zugang zu Gefangenen bisweilen erst mit Verzögerung gewährt worden, zudem seien offenbar willkürlich Einreisesperren verhängt oder Handys durchsucht worden. Vor allem Menschen mit kurdischen oder türkisch-alevitischen Familienhintergrund seien durch die Maßnahmen der Sicherheitskräfte gefährdet. Deutschen Staatsbürgern empfiehlt das Auswärtige Amt grundsätzlich, sich vor Reisen in die Türkei in die Krisenvorsorgeliste einzutragen.
Trotz der verschärften Reise- und Sicherheitshinweise, hat das Auswärtige Amt keine offizielle Reisewarnung für das Land ausgesprochen. Dies geschehe erst, wenn eine "akute Gefahr für Leib und Leben" drohe. Zurzeit gelte das für acht Länder der Erde (Südsudan, Somalia, Afghanistan, Irak, Libyen, Zentralafrikanische Republik, Syrien und Jemen) und für Teilregionen diverser Staaten. (Lesen Sie dazu auch: "Darum warnt das Auswärtige Amt nicht vor Türkei-Reisen" im stern.)
Doch auch ohne Reisewarnung ist der Tourismus aus Deutschland in der Türkei seit dem Putschversuch im Juli 2016 rückläufig gewesen. Laut aktueller Tourismusanalyse verzeichnete das Land 2016 und 2017 jeweils rund vier Prozent weniger Gäste aus der Bundesrepublik als im jeweiligen Vorjahr.