Krieg in der Ukraine Kiew meldet erhöhte Strahlenwerte in Sperrzone von Tschernobyl

AKW Tschernobyl
Die neue Schutzhülle über dem Unglücksreaktor von Tschernobyl
© Bryan Smith / Picture Alliance
Ukrainische Behörden haben eine erhöhte Gammastrahlung in der Schutzzone von Tschernobyl gemessen. Die Gegend des 1986 havarierten Block 4 des Atomkraftwerks steht unter Kontrolle russischer Soldaten. Laut Moskau gibt es keine ungewöhnlichen Werte. 

Nach der Einnahme der zerstörten Atomanlage von Tschernobyl durch die russische Armee sind dort nach Angaben der Ukraine erhöhte Strahlenwerte gemessen worden. In der Sperrzone sei am Freitagmorgen ein "Anstieg der Indikatoren über die Kontrollniveaus hinaus" festgestellt worden, sagte Alexander Grigoratsch von der ukrainischen Atomaufsicht der Nachrichtenagentur AFP. Er könne keine weiteren Einzelheiten nennen, da das Personal der Anlage evakuiert worden sei. 

Erhöhte Gammastrahlung in Tschernobyl gemessen

Das ukrainische Parlament erklärte, es sei an mehreren Messstellen in der Sperrzone eine erhöhte Gammastrahlung registriert worden, ohne jedoch genaue Werte zu nennen. Wegen der Besetzung der Anlage durch die russische Armee sei es derzeit nicht möglich, die Gründe für die Veränderung zu ermitteln.

Das russische Militär hatte den zerstörten Atomreaktor im Norden der Ukraine am Donnerstag nach Kämpfen mit den ukrainischen Regierungstruppen unter seine Kontrolle gebracht.

Ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums wies die Angaben aus Kiew am Freitag zurück und erklärte, die Strahlungswerte lägen im "normalen" Bereich. Er versicherte auch, dass das Personal weiterhin vor Ort sei und die Lage überwache. Mit einem Bataillon der ukrainischen Sicherheitskräfte sei eine Vereinbarung getroffen worden über die "gemeinsame Sicherung der Energieblöcke und des Sarkophags", der Schutzhülle über dem hochgradig radioaktiven Unglücksreaktor.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte sich besorgt über die Kampfhandlungen an der zerstörten Atomanlage gezeigt. Wegen der potenziellen Unfallgefahr verfolge sie die Situation in der Ukraine "mit großer Sorge", erklärte die UN-Organisation. Sie forderte von allen Beteiligten "ein Höchstmaß an Zurückhaltung".

Das Unglück von Tschernobyl am 26. April 1986 gilt als die größte Katastrophe in der zivilen Nutzung der Atomkraft. Im vergangenen Sommer war ein neues Atommüllzwischenlager in der radioaktiv verseuchten Sperrzone um Tschernobyl eingeweiht worden. Neun Jahre lang wurde eine neue Schutzhülle für den Unglücksreaktor Block 4 gebaut, die seit 2019 die Ruine von der Umwelt abkapselt. Das Sperrgebiet um das AKW ist auf ukrainischer Seite rund 2600 Quadratkilometer groß. Auch im unmittelbar benachbarten Belarus gibt es ein großes Schutzgebiet.

Normale Radioaktivitätswerte in Prag   

Im 1200 Kilometer entfernten Prag heißt es, alle Radioaktivitätsmesswerte seien im normalen Bereich. Aufgrund der Witterungsverhältnisse zum GAU-Zeitpunkt 1986 zählte die damalige Tschechoslowakei zu den am stärksten betroffenen Gebieten. Bis heute sind Wildschweine aus dem Böhmerwald und viele in der Natur gesammelte Pilze leicht radioaktiv belastet.

Experten rechnen derzeit nicht mit einer Gefährdung weiter entfernter Gebiete. Eine Aufwirbelung radioaktiver Stoffe sei zwar denkbar, eine ernsthafte Kontamination mit Radionukliden außerhalb der 30-Kilometer-Sperrzone aber unwahrscheinlich.

DPA · AFP
nik