Der Sicherheitsexperte Christian Mölling erwartet bald eine Vorentscheidung über den weiteren Verlauf des Kriegs in der Ukraine. Mölling sagt am Freitag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", es stehe eine neue Welle von Offensiven und Gegenoffensiven der Kriegsparteien bevor. "Wir sind jetzt in diesen Wochen an einem Punkt, wo sich der Pfad entscheidet, den man entlanggehen kann", erläutert der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Es werde sich zeigen, ob die Ukraine einen direkten und steilen Weg zum Erfolg beschreiten könne – oder ob ihr dazu die Möglichkeiten fehlten.
Wenig optimistisch äußerte er sich zu den Aussichten des Landes auf einen schnellen Beitritt zur Europäischen Union. "Das formale Aufnahmeverfahren wird so schnell nicht klappen", sagt er zum Wunsch der Regierung in Kiew, bereits in zwei Jahren der Union anzugehören.
EU-Mitgliedschaft allein bringt keine Sicherheit
Mölling betont, dass die EU-Mitgliedschaft allein noch keine Sicherheit garantiere. Zudem sei es schwierig, das Verfahren zu beschleunigen, da andere Staaten bereits lange den Kandidatenstatus hätten. "Wenn Sie diese Box aufmachen, kommt ihnen eine Flut von ungelösten Problemen entgegen", sagt er.
Wichtig sei es aber, bereits jetzt im Blick zu haben, wie die Ukraine nach dem Krieg vor einer neuen Aggression geschützt werden könne. Dazu müssten die "Schwachpunkte der europäischen Sicherheitsordnung" in der gesamten Region angegangen werden – vom Westbalkan über Moldawien bis zur Ukraine.
"Putin droht seiner eigenen Gesellschaft"
Mölling hält dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, er wolle in der eigenen Bevölkerung Angst schüren. Dabei bezieht er sich auf Putins Auftritt bei der Feier zum 80. Jahrestag des Siegs bei Stalingrad, bei der der ehemalige Diktator Stalin als siegreicher Feldherr gefeiert wurde. Mölling sagt dazu, Putin und sein Machtapparat "drohen im Grunde der Gesellschaft mit Stalin". So solle Druck erzeugt werden. "Die russische Gesellschaft wird in eine Isolation von westlichen Werten gebracht, um die Kontrolle über sie zu behalten." Zugleich diene der Rückgriff auf den Erfolg über Nazi-Deutschland dazu, das Volk zusammen zu führen. Mölling: "Man sucht das einende Band, auch das einende Band zwischen dem Gewaltstaat und seiner Gesellschaft."