Der Sicherheitsexperte Christian Mölling sieht keine Chance für den Vorstoß des brasilianischen Präsidenten Lula, Verhandlungen zur Beilegung des Ukraine-Konflikts anzustreben. "Was könnte Brasilien anbieten? Außer einem netten Telefonat", sagte Mölling am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage". Lula hatte sich beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz als Vermittler ins Spiel gebracht und auch eine Beteiligung Chinas gefordert. Dies ändert nach Einschätzung des Forschungsdirektors der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik aber nichts am Kalkül Russlands.
"Die Idee, dass über die Auswechslung des Verhandlungsteams etwas geschieht, ist auch respektlos Putin gegenüber, der ganz klar gesagt hat, was er eigentlich erreichen will", erläuterte Mölling. Es bleibe bei der Haltung, "dass Russland meint, einen Krieg gegen die Ukraine führen zu müssen". Er ließ keinen Zweifel, wer in dem Konflikt Aggressor und wer Opfer ist: "Hier ist ein Typ aufgetreten, der heißt Wladimir Putin, und hat gesagt, ich will euch alle umbringen."
Brasilien würde Weg zum Frieden nicht beschleunigen
Beide Kriegsparteien stellen sich darauf ein, dass nach dem Ende des Winters die Kämpfe noch zunehmen werden. Einen schnellen Weg zu einem Verhandlungsfrieden sieht Mölling nicht. "In der Konsequenz ist dieses Gemetzel – der Tod vieler tausend Menschen – notwendig", sagte Mölling. Es gehe darum, Russland zu verdeutlichen, dass es mit der Fortsetzung seiner Aggression keinen Vorteil erzielen kann: "So bitter das ist: Man wird diese Erkenntnis erst auf dem Schlachtfeld hervorbringen."
"Heroische Gesellschaft" in der Ukraine
Mölling sieht auch auf Seiten der Ukraine klare Grenzen für Zugeständnisse an die russischen Invasoren. Er sagte: "Wir dürfen nicht unterschätzen, dass die Durchhaltefähigkeit der Ukraine auch darauf aufbaut, dass man sich nicht nur auf einen politischen, sondern einen militärischen Sieg eingeschworen hat." Es gebe einen wachsenden kulturellen Unterschied zwischen der deutschen und der ukrainischen Gesellschaft. In der Ukraine entstehe gerade eine "heroische Gesellschaft". Dieser Trend könne auch zu unterschiedlichen Sichtweisen zwischen der Ukraine und ihren Unterstützern führen. "Da, wo kulturelle Unterschiede größer werden, werden auch Konfliktpotenziale größer", so Mölling.