Ein 30 Sekunden langer Gefühlsausbruch des demokratischen Politikers Howard Dean hat den US-Wahlkampf drastisch verändert. Die Demokraten wittern zwar erstmals seit langem angesichts ermutigender Umfragen wieder Morgenluft in ihrem Kampf gegen den Präsidenten George W. Bush. Aber es ist noch lange nicht klar, wer der Herausforderer des Republikaners im Weißen Haus bei der Wahl im November sein wird. Bei der zweiten von insgesamt 50 Vorwahlen der Demokraten am Dienstag in New Hampshire geht Favorit Dean schwer angeschlagen ins Rennen.
Denn seit Tagen muss er sich dagegen wehren, als Witzfigur verhöhnt zu werden. Der Arzt und Ex-Gouverneur von Vermont weiß, dass nur er selbst dafür verantwortlich ist. Denn am Abend der ersten Vorwahl in Iowa am vergangenen Dienstag hatte Dean nur einen enttäuschenden dritten Rang belegt - und mit ungewöhnlichem Trotz reagiert. Mit gerötetem Gesicht war er vor seine Anhänger getreten, hatte sich mit wildem Blick des Jacketts entledigt, demonstrativ, wenn auch verkniffen, gestrahlt, trotzig das Siegeszeichen gemacht und hastig die Hemdsärmel hochgekrempelt.
Heiserer Urschrei
Die folgenden Sekunden gehen in die Parteigeschichte ein: Mit sich überschlagender Stimme schleuderte er seinen tobenden, vorwiegend jugendlichen Mitstreitern die Namen der kommenden Vorwahl-Staaten entgegen, beendete die Aufzählung mit dem Satz "Dann erobern wir das Weiße Haus zurück" und krönte seinen spektakulären Auftritt mit einem heiseren Urschrei.
Spott von allen Seiten
Dies alles haben die Fernsehzuschauer in den USA seither immer und immer vorgespielt bekommen. Komiker, Kabarettisten und Rap-Sänger stürzten sich darauf ebenso wie die Star-Talkmaster David Lettermann oder Jay Leno. Und die seriösen Kommentatoren fragten, ob dieser zornige Mann, der die meisten Wahlkampfgelder hat sammeln können und die größte Begeisterung ausgelöst hat, tatsächlich in den Augen der US-Bürger auch "präsidiabel" sei.
Dean gibt sich betont staatsmännisch
Dean reagierte gegen das drohende Image des unbeherrschten Provinzpolitikers: Er gab sich im Wahlkampf betont ruhig und abgeklärt, so staatsmännisch wie es einem möglich ist, der vor allem mit Angriffen auf das Establishment in Washington und gegen eine "Politik für das Big Business" seine Anhänger mitriss.
Kerry gilt als Favorit
Die Demoskopen machen Dean wenig Mut. Für sie gilt der Sieger von Iowa, Senator John Kerry, wieder als aussichtsreichster Kandidat. Dem mit hohen Auszeichnungen gewürdigten Vietnam-Veteranen, der zwar den Irak-Krieg unterstützt hat, nun aber den Präsidenten auch wegen der Irak-Politik heftig kritisiert, trauen die Wähler laut Umfragen sogar zu, Bush zu schlagen. Dies haben die anderen sechs noch kämpfenden Kandidaten bislang nicht geschafft.
Clark und Liebermann greifen ins Rennen ein
Erstmals stellen sich in New Hampshire auch der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark und Senator Jo Liebermann den Wählern. Clark, der sich als politischer Außenseiter und dennoch erfahrene Führungspersönlichkeit präsentiert, hofft, Dean auf den dritten Platz verweisen zu können. Ein gutes Ergebnis wird auch dem Südstaatler und Sozialpolitiker Senator John Edwards zugetraut, der in Iowa mit 32 Prozent Zweiter geworden war.
Die Wahl in dem kleinen US-Bundesstaat an der Ostküste mit 1,3 Millionen Einwohnern gibt traditionell Aufschluss über künftige Präsidenten - allerdings hatten hier weder Bill Clinton noch George W. Bush bei den Vorwahlen ihrer jeweiligen Partei gewinnen können. Spätestens am 3. Februar, wenn die Demokraten in sieben weiteren Bundesstaaten wählen, wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Dean fürchtet ein bitteres Erwachen.