Washington Memo Einsichten eines bösen Buben

  • von Katja Gloger
Er ist Hardliner, steht für eine kompromisslose US-Sicherheitspolitik: John Bolton, zeitweilig Präsident Bushs Mann bei der Uno. Jetzt hat er sein neues Buch vorgestellt, warnt vor einem "nuklearen Holocaust" durch den Iran - und lässt durchblicken, dass er den Ex-Chef nunmehr für ein Weichei hält.

Weihnachtszeit ist Bücherzeit, ganz besonders in Washington, der Hauptstadt der Eitelkeiten, in der jeder 'was zu sagen hat. Oder das zumindest glaubt. Politiker-Erinnerungen sind besonders gefragt. Ein bisschen Tratsch, ein bisschen Insiderwissen, diese Mischung verkauft sich gut. Aber selbst Politiker oder einstige Minister haben so etwas wie eine Halbwertszeit - wer etwa mit Einsichten über den jetzigen Präsidenten Geld verdienen will, der sollte dies bald tun. Bevor George W. Bush endgültig zur lahmen Ente wird. Oder gar seine eigenen Memoiren schreiben lässt.

So warteten in den beiden vergangenen Wochen gleich zwei ganz besondere ehemalige Insider mit ihren Erinnerungen auf. Michael Gerson der eine, der rotwangige, religiös beschwingte langjährige Chefredenschreiber von Bush. Es ist der Mann, dem die Formulierung von der "Achse des Bösen" so gut gefiel, dass er sie Bush in eine Rede schrieb, die Weltgeschichte machte. Jetzt debütierte Gerson mit einem Buch über "heldenhaften Konservatismus". Und darin gelingt es ihm unter anderem, den missionarischen Gottesglauben seines Präsidenten mit dem Kampf des sehr weltlichen Pop-Stars Bono gegen AIDS zu verbinden.

Bolton plädiert gegen die Kapitulation

Und am vergangenen Dienstag war einer der ganz bösen Buben dran, ein Insider selbst unter Insidern: John Bolton, 58, ebenso altgedienter wie strammer Konservativer. Der Sohn eines Feuerwehrmannes wurde für seine unbedingte Treue zu Bush zunächst mit der Position eines Staatssekretärs im US-Außenministerium belohnt und von ihm später zum Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen berufen - und zwar ohne die eigentlich notwendige Zustimmung des US-Senats. Dort wirkte Bolton so gnadenlos, dass "unverschämt" noch als wohlmeinende Charakterisierung für ihn gilt.

Bolton war zuständig für Rüstungskontrolle und Probleme der Proliferation - der illegalen Weiterverbreitung von Atomwaffen und nuklearem Material. Zu seinem Aufgabengebiet gehörten also Schurkenstaaten wie Nord-Korea. Und vor allem der Iran. Den sieht er auf dem Weg zum "nuklearen Holocaust". Und wer, wenn nicht die USA, kann den im letzten Moment verhindern?

Katja Gloger

Die US-Hauptstadt ist ein politisches Haifischbecken, in dem getuschelt, geschmiedet, verschworen und gestürzt wird. Mittdendrin: Katja Gloger. Die stern-Korrespondentin beobachtet in ihrer Kolumne "Washington Memo" den Präsidenten und beschreibt die, die es werden wollen. Dazu der neueste Klatsch aus dem Weißen Haus und von den Fluren des Kongresses.

"Kapitulation ist keine Option" nannte Bolton sein Werk, das er als Gast-Wissenschaftler am erzkonservativen American Enterprise Institut ebendort jetzt einem zumeist geneigten Publikum vorstellte. Es gab Rotwein, Käse und Nüsse, man plauderte nett, man kennt sich. Unter den Gästen auch Douglas Feith, einst stellvertretender Verteidigungsminister und führender Neokonservativer. Er hatte von Anfang an für den Irak-Krieg getrommelt - und das Desaster dann auch noch geplant. Feith wollte wohl schon mal vorfühlen: sein Enthüllungsbuch soll im kommenden März erscheinen.

Der Präsident - ein Weichei?

Die Gäste wurden nicht enttäuscht. John Bolton blieb sich treu. Lieferte gerne griffige Schlagzeilen und gab zugleich einen der seltenen Einblicke in die Welt der Washingtoner Hardliner. Jener Männer, die sich zurzeit gleich an zwei Fronten kämpfen sehen: zum einen gegen Schurkenstaaten wie Nordkorea und den Iran. Vor allem aber gegen die eigene Regierung. Ja, gegen Bush und Rice und wie sie alle heißen, die Schwächlinge. Heute geht Männern wie John Bolton selbst George W. Bush nicht mehr weit genug. "Bush und seine Mitarbeiter haben sich in Ruhestellung begeben." Der Präsident - ein Weichei? Ein Abweichler vom Kurs, den die Achse des Bösen vorgibt?

Folgerichtig begann Bolton seinen Vortrag mit Syrien. Dort hatten israelische Kampfflugzeuge ja vor einigen Wochen ein mysteriöses Fabrikgebäude zerstört. Dabei handelte es sich offenbar um eine im Bau befindliche Nuklearanlage. Anhand von Satellitenfotos bestätigen auch unabhängige Beobachter, dass diese Anlage Bauplänen aus Nordkorea stark ähnelt. Für Bolton ein klarer Beweis für die Achse des Bösen Nordkorea-Syrien-Iran. "Und warum fordert meine eigene Regierung nicht öffentlich Aufklärung über die syrische Anlage? Weil sie Angst hat, dass man danach die Verhandlungen mit Nordkorea abbrechen müsse. Denn Nordkorea hintergeht die Welt. Und wie groß der Einfluss Irans auf Syrien ist, weiß man ja ohnehin."

Da stand er am Rednerpult, wie ein freundlicher Großvater mit seinem schneeweißen Schnauzbart und der Nickelbrille und hakte seine Agenda der Abrechnung ab. Außenministerin Rice? "Schlechte Diplomatie." Ihr Vorgänger, der beliebte General Colin Powell. Der wollte den Mullahs in Teheran gar "Karotten" in Aussicht stellen, entsetzt sich Bolton. Etwa Handelserleichterungen - und vielleicht sogar Verhandlungen! Das habe er mit einer ordentlichen Intrige verhindern können, lächelt er. "Denn ich bin kein Mann für Karotten." Und die Vereinten Nationen? "Die hatten mit Kofi Annan einen Generalsekretär, der sich als weltlicher Papst fühlte", lästert Bolton. "Und damit ist eigentlich alles gesagt."

Die europäischen Lakaien

Aber auch Bush kriegt an diesem Abend eine ordentliche Breitseite verpasst: der sei mittlerweile Wischi-Waschi in Bezug auf Nordkorea, und ansonsten eingelullt von feigen Washingtoner Bürokraten, die vor mutigen Entscheidungen Angst haben. "Es gibt jetzt nur noch zwei Optionen für den Iran", sagt er. Entweder Regime Change oder eine militärische Option. Der Iran wird sein Nuklearprogramm niemals freiwillig aufgeben. Und wer etwas anderes glaubt, handelt sehr gefährlich. Der begibt sich auf den Weg zum nuklearen Holocaust." Da wiederholt er seinen ehemaligen Chef George Bush. Der hatte von einem nuklearen Holocaust schon vor vier Jahren gesprochen. Aber wie gesagt, auch Bush ist nicht mehr derselbe, meint Bolton.

Am schlimmsten aber haben es seiner geneigten Meinung nach die Europäer mit ihrer EU-3 Initiative getrieben, mit der die den Iran an den Verhandlungstisch bringen wollten. Und allen voran - die Deutschen! Die hätten sich den Nuklear-Mullahs in Teheran geradezu an den Hals geworfen, meint Bolton. " Deutschland dachte immer nur, dass Alles in Ordnung sei. Es betrieb eine nahezu kriegerische Verteidigung der iranischen Position." Die europäische Diplomatie? "Nutzlos. Nur auf Luft gebaut. Unterminiert die internationale Sicherheit." Kein Wunder, dass Bolton die EU-3 Staaten irgendwann nur noch "T-3" nannte. "Teheran-3". Wie Lakaien.

Und ansonsten ist es jetzt eigentlich schon fast schon zu spät für die Welt. "Wir haben drei wichtige Jahre verloren", sagt John Bolton zu stern.de. "Der Iran hat sein Atomprogramm weiterentwickelt. Heute birgt ein Militärschlag gegen den Iran enorme Risiken. Vielleicht würde man nicht alle nuklearen Anlagen treffen. Aber die Alternative ist die Nuklearmacht Iran. Dieses Risiko können wir auf keinen Fall eingehen. Und geht es im Leben nicht immer um Entscheidungen?"

Dann sagt er noch, er freue sich, wenn man sein Buch kaufe.