"Russisches Eigentum" Will Russland Alaska wieder zurück? Putin erstellt Liste früherer Kreml-Ländereien

Wladimir Putin
Wladimir Putin droht bei der Eröffnung eines antifaschistischen Denkmals unverhohlen den baltischen Staaten
© Anton Vaganow / AFP
Imperialismus oder Bürokratie? Wladimir Putin hat ein Dekret erlassen, das "russisches Eigentum" im Ausland suchen und rechtlich sichern soll. Auch solches, das nicht mehr zu Moskau gehört – wie etwa der US-Bundesstaat Alaska.

Seitdem Wladimir Putin im Sommer 2021 in einem Traktat die Einheit von Russen und Ukrainer beschwor, und wie zum Beweis ein halbes Jahr später seine Panzer auf das Nachbarland losließ, zucken Kremlbeobachter regelmäßig zusammen, wenn im fernen Moskau die Namen fremder Staaten ventilieren. Wie jetzt wieder, als der russische Präsident den baltischen Nachbarn "Nazismus" unterstellte.

Baltikum "erklärt Zehntausende zu Untermenschen"

Sie, also Litauen, Lettland und Estland, "erklären Zehntausende zu Untermenschen, nehmen ihnen die elementarsten Rechte und setzen sie Hetze aus", sagte Putin bei der Eröffnung eines Denkmals für zivile Opfer des faschistischen Terrors. Doch Russland tue "alles, alles, um den Nazismus zu unterbinden und endgültig auszurotten." Fast wortgleich rechtfertigt der Kremlchef auf seinen Überfall auf die Ukraine.

"Russki Mir" lautet das Schlagwort, mit dem Russland seinen Neo-Imperialismus rechtfertigt. "Russki Mir" heißt "russische Welt" und für Nationalisten wie Wladimir Putin bedeutet die Chiffre vor allem: Russland ist dort, wo Russen leben. Und das tun noch fast 20 Millionen in all den unabhängigen Staaten, die aus den Ruinen der Sowjetunion hervorgegangen waren: den baltischen Staaten, Belarus, Ukraine, Moldau, Kasachstan, Armenien und so weiter. 

Länder wie zum Beispiel Lettland sind auch deswegen Nato-Mitglied geworden, weil es mit seinen fast 50 Prozent ethnischen Russen zu gut in das Konzept von "Russki Mir" passt. Wie wenig Moskau gewillt ist, seine "Welt" auseinander driften zu lassen, zeigte sich 2008, als Georgien die Abspaltung der prorussischen Gebiete Abchasien und Ossetien nicht hinnehmen wollte und fünf Tage lang von russischen Jets bombardiert wurde. Sechs Jahre später begann im Osten der Ukraine die Übernahme des Landes durch den großen Nachbarn.

Liste von Ländereien, die mal russisch waren

Vermutlich dürfte es dem Mann im Kreml diebische Freude bereiten, die Reaktionen der Welt auf die bloße Erwähnung außenpolitischer "Ziele" zu beobachten. So wie vor einigen Tagen, als er ein Dekret unterzeichnete, mit dem seine Regierung eine Art Inventur von aktuellen und ehemaligen Ländereien Russland beginnen will. Das Dokument sieht die Bereitstellung finanzieller Mittel für die Suche, Registrierung und rechtliche Sicherung von "russischem Eigentum" im Ausland vor. Laut der russischen Nachrichtenagentur Tass seien auch solche "Immobilien" gemeint, die zu Zeiten des Zarenreichs und der Sowjetunion dazugehörten. Wie unter anderem Alaska.

Der US-Bundesstaat wird zwar nicht ausdrücklich genannt, für russische Militärblogger aber war der Nordwestzipfel des amerikanischen Kontinents schnell Gegenstand lebhafter Diskussionen. So lebhaft, dass sich die Washingtoner Regierung zu einer Reaktion genötigt sah: "Nun, ich denke, ich kann für uns alle in der US-Regierung sprechen und sagen, dass er (Putin, d.Red.) Alaska mit Sicherheit nicht zurückbekommt“, sagte der stellvertretende Außenministeriumssprecher jüngst.

Alaska 1867 von den USA gekauft

Alaska ist zwar der größte Bundesstaat der USA, aber auch einer der am dünnsten besiedelten. Auf einer Fläche sechsmal so groß wie Deutschland leben gerade einmal 730.000 Menschen. Bis 1867 gehörte das Gebiet zum Russischen Kaiserreich. Doch die unzugängliche Natur und Geldnot brachten den Zaren dazu, das riesige Areal zu verkaufen. 7,2 Millionen US-Dollar zahlte die USA für Alaska – ein Spottpreis auch aus damaliger Sicht. 

2014 hatte sich Wladimir Putin in einer Fernsehsendung einmal über den Deal geäußert. Damals nannte er den Verkauf ein "Schnäppchen", sagte aber auch, die Leute sollten sich darüber nicht aufregen, denn, so der Kremlchef weiter: "Russland ist ein nördliches Land, 70 Prozent seines Territoriums liegen im Norden und im hohen Norden. Alaska liegt doch auch nicht auf der Südhalbkugel, oder? Es ist auch kalt da draußen."

Und doch ist da die Einlassung des Abgeordneten Sergej Mironow. Der schrieb vor einigen Wochen auf X, dem ehemaligen Twitter: "Wollten Sie eine neue Weltordnung? Venezuela annektierte einen 24. Bundesstaat, Guyana-Essequibo. Dies geschieht direkt vor der Nase des einst großen Hegemons der Vereinigten Staaten. Alles, was bleibt, ist, dass Mexiko Texas und den Rest zurückerhält. Es ist Zeit für die Amerikaner, über ihre Zukunft nachzudenken. Und auch über Alaska."

Solche Worte und das neue Dekret heizen die Fantasie der überwiegend nationalistischen Militärblogger an. Putin könne es nutzten, um den Verkauf für illegal zu erklären. Sozusagen als Beginn einer ganzen Rückforderungskampagne. In einem Telegram-Beitrag eines Militärbloggers heißt es, dass nach Alaska Teile Osteuropas, der Kaukasus und Zentralasien wieder zu russischem "Besitz" erklärt werden könnten.

Was macht russisches Eigentum aus?

Sogar das Londoner "Institute for the Study of War" beschäftigt sich mit der neuen Liste alter Güter, stellt aber fest, dass "die genauen Parameter dessen, was aktuelles oder historisches russisches Eigentum ausmacht, unklar sind". Allerdings könne der Kreml als "'Schutzmacht' seines beanspruchten Eigentums nutzen, um Mechanismen voranzutreiben, die letztlich auf eine Destabilisierung abzielen". 

Wie der Krieg in der Ukraine zeigt, tut sich Putin immer noch schwer damit, seine Großmachtsfantasien zu vollenden, doch mit der Destabilisierung fremder Länder, die nicht oder nicht mehr zur "Russki Mir" gehören, hat er durchaus Erfahrung.