Nach Klage der Union Bundesverfassungsgericht prüft: Darf die Ampel Corona-Geld fürs Klima ausgeben?

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: Ein Betonflachdachbau
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe startet heute die Anhörung.
© U. J. Alexander / Imago Images
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüft ab heute, ob die Ampelregierung 2021 Recht gebrochen hat, als sie 60 Milliarden Euro nicht genutzte Pandemiehilfen in den Energie- und Klimafonds übertrug. Ein heikler Fall. Hier die Fakten.

Es geht einmal wieder um Milliarden: Wieviel Steuergeld aus welchen Quellen darf eine Regierung einsetzen, um das Land und seine Wirtschaft ökologisch umzubauen? Muss sie dafür neue Schulden machen (was bei einer Staatsverschuldung von bereits gut 2,5 Billionen Euro schwer vermittelbar ist) oder darf sie auch Schattenhaushalte einrichten? Wenn ja, wie heftig darf sie dabei tricksen? Fest steht: Die Ampel braucht viel Geld für ihre Pläne. Der Finanzbedarf, den sie für den ökologischen Umbau Deutschlands veranschlagt, ist riesig. Bis 2026 will sie für Klimaschutz und Energiesicherheit mindestens 200 Milliarden Euro bereitstellen – unter anderem, um Fördergeld für Verbraucher bereitzustellen, die wegen des heftig umstrittenen, neuen Heizungsgesetzes ihre Anlagen austauschen müssen. Jetzt prüft das Bundesverfassungsgericht, ob die Umschichtung rechtens war.

Worum geht es rechtlich?

Vor anderthalb Jahren, im Januar 2022, hat die Bundesregierung einen bemerkenswerten Finanztrick hingelegt. Mit der Mehrheit der Ampelparteien änderte sie den Haushalt von 2021 und widmete 60 Milliarden Euro, die als Notkredite in der Coronakrise genehmigt, aber nicht gebraucht worden waren, einfach um (was im Corona-Jahr 2021 zu einer sagenhaften Gesamtneuverschuldung von 215,4 Milliarden Euro führte). Das Geld lag fortan im sogenannten Klima- und Transformationsfonds (damals: Energie- und Klimafonds). Mit ihm, so argumentiert FDP-Finanzminister Christian Linder, sollen Klimaschutzvorhaben finanziert werden, um Investitionen zu kompensieren, die wegen der Pandemie ausgefallen sind.

Wer setzt sich zur Wehr?

So läuft's nicht, wüteten Christdemokraten, aber auch die AfD. Der Nachtragshaushalt sei ein verfassungsrechtlich unerlaubtes Manöver von Lindners trickreichem Haushaltsstaatsekretär Werner Gatzer. Vielmehr hätte man mit dem Überschuss die Neuverschuldung reduzieren müssen. Die Union reichte noch im Frühjahr 2022 in Karlsruhe Klage ein, jetzt beginnt die Anhörung. Das Geld werde zweckentfremdet, zetert die CDU, die Umschichtung sei zudem ökonomisch unnötig. Die 60 Milliarden Euro flössen nur deshalb in einen Schattenhaushalt, damit die Regierung dem Volk vorgaukeln könne, die Schuldenbremse 2023 wieder einzuhalten. Der Bundesrechnungshof sprang dem Kläger bei, die Umschichtung sei "verfassungsrechtlich zweifelhaft", die Bekämpfung des Klimawandels müsse auf normalen Haushaltswegen gelingen.

Wie schaut die Regierung nach Karlsruhe?

Alles andere als gelassen, eher ziemlich nervös. Das Bundesverfassungsgericht führt eine "abstrakte Normenkontrolle" durch, es checkt also, ob die Umwidmung mit dem Grundgesetz beziehungsweise mit sonstigem Bundesrecht vereinbar ist. Die Union hofft, dass Karlsruhe das "Jährlichkeitsprinzip" eines Haushaltsplans in die Waagschale wirft und ihr recht gibt. Das heißt: Ein beschlossener Haushalt gilt nur für ein bestimmtes Jahr, eine veranschlagte Neuverschuldung darf somit nicht einfach in andere Jahre übertragen werden.  Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass das Vorgehen der Ampel nicht rechtens war, werden die Finanzierungs- und Klimaschutzpläne der Regierung heftig durcheinandergewirbelt. Der Fonds lässt sich nicht einfach aus anderen Quellen speisen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgericht wird im Herbst erwartet.

Gab es den Fall nicht schon einmal?

Ja. Ausgerechnet unter Schwarz-Rot, also mit Unionsbeteiligung. Die Große Koalition verschob 2020 per Nachtragshaushalt 28 Milliarden Euro in den Klimafonds. Andreas Jung, damals stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, jubelte über die "Vitaminspritze für die Zukunft unseres Landes". Das Bundesverfassungsgericht hat dazu im November eine Eilentscheidung gefällt. Es ließ die Umwidmung erst einmal zu, weil bei einem Verbot harte Folgen drohten, etwa eine Strompreiserhöhung oder ein Einbrechen der CO2-Reduktionen. Zudem könne sich in einem Hauptverfahren womöglich herausstellen, dass das Vorgehen der "Groko" verfassungskonform gewesen sei. Das Verfahren hat mit dem jetzigen allerdings nichts zu tun.

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