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Außenministerin in der Ukraine "Diese junge Dame": Kommentar zu Baerbocks Frontbesuch sorgt im Netz für Empörung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen)
Außenministerin Annalena Baerbock informiert sich an der Front über die Lage im Ukraine-Konfliktgebiet Donbass
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Mitten in der Ukraine-Krise fährt Annalena Baerbock an die Front zwischen Regierungstruppen und Separatisten. Für ihren Besuch gibt es viel Lob – doch einem Kommentator scheint der Einsatz der Außenministerin nicht zu passen.

Am Dienstag besuchte Annalena Baerbock die sogenannte Kontaktlinie an der südöstlichen Grenze zwischen der Ukraine und Russland. Dabei zeigte sich die Außenministerin von der Lage im Krisengebiet in der Ostukraine tief erschüttert. "(...) man spürt, was vor Jahren passiert ist. Dass Menschen von einem Tag auf den anderen alles verloren haben, was sie hatten", sagte sie Journalisten. Sie komme von ihrem Aufenthalt mit "sehr bedrückenden Gefühlen" zurück.

Im ZDF-"Morgenmagazin" kommentierte "Tagesspiegel"-Redakteur Christoph von Marschall daraufhin Baerbocks Gesichtsausdruck. "Dieses Bild ist wirklich ein bisschen entlarvend", sagte der Journalist am Mittwochmorgen zu einem Foto, das die Grünen-Politikerin mit schusssicherer Weste, Militärhelm und FFP2-Maske an der Front zeigt. "Man sieht ja deutlich, dass diese junge Dame, die unsere Außenministerin ist, sich in dieser Situation nicht besonders wohlfühlt."

Empörte Reaktionen auf "junge Dame"-Kommentar

Im Netz erntete von Marschall für seine Äußerung prompt einen Shitstorm. Besonders auf Twitter erzürnten sich viele über die despektierlich wirkende Bezeichnung Baerbocks als "junge Dame". Unter dem trendenen Hashtag "diesejungedame" schrieb etwa die Autorin Annika Brockschmidt: "Am Beispiel Baerbock und ihrer Titulierung durch einen der Chefkorrespondenten des Tagesspiegel als #diesejungedame sieht man übrigens wieder, wie empfindlich das Patriarchat darauf reagiert, wenn (junge) Frauen in sogenannten 'Männerdomänen' Raum einnehmen."

Auch viele ihrer Ampelkolleginnen und -kollegen stellte sich an die Seite der Außenministerin: "Sie dürfen mich natürlich gerne junge Dame nennen. Ansonsten möchte ich @ABaerbock Respekt für ihre Arbeit aussprechen und Akteuren, die meinen, die Arbeit der Außenministerin in wolkigen Interviews nach Wohlfühlstatus erklären zu müssen, empfehlen, mal kräftig durchzulüften", twitterte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Dunja Hayali, die Moderatorin des "Morgenmagazins" äußerte sich ebenfalls auf Twitter: "In der Presseschau laden wir Kolleg*innen ein, um ihre Kommentierung zu hören. Anders als bei Politiker*innen/ Expert*innen widersprechen wir hier in der Regel nicht." Sie habe aber im Nachhinein mit von Marschall über die Bezeichnung von Baerbock als "junge Dame" gesprochen, schrieb Hayali und teilte einen Screenshot einer SMS-Unterhaltung mit dem Journalisten, in der dieser sein Bedauern über die Formulierung ausdrückte: "Es tut mir leid, wenn meine Formulierung Anlass für Missverständnisse gegeben hat."

Baerbock selbst hat sich bisher nicht zu der Causa geäußert. Es ist nicht das erste Mal, dass die Politikerin wegen ihres Alters und ihres Geschlechts anders als männliche Kollegen behandelt wird. Schon im Wahlkampf musste sie Fragen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf über sich ergehen lassen, während ihre damaligen Konkurrenten Armin Laschet und Olaf Scholz nichts dergleichen gefragt wurden.

Steigende Umfragewerte und Diplomatieerfolg für Baerbock

Fest steht: Der Frontbesuch der Außenministerin hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Während die Mehrheit der Deutschen laut einer aktuellen Forsa-Umfrage den Umgang der Bundesregierung mit der Ukraine-Krise kritisch sehen – 23 Prozent sind damit zufrieden, 67 Prozent nicht – ist die Regierungsvertreterin, die von den Bürgerinnen und Bürgern am meisten wahrgenommen wird, die Außenministerin höchstpersönlich. In den vergangenen Wochen nahmen 50 Prozent der Befragten Baerbock am häufigsten wahr, sie liegt damit deutlich vor dem Bundeskanzler der SPD, Olaf Scholz  (45 Prozent).

Bei Baerbock scheint sich laut Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, eine ähnliche Entwicklung anzubahnen wie 1998 beim damaligen Grünen-Außenminister Joschka Fischer: "Erst sagten die meisten, der dürfte nicht Außenminister werden, als er es dann aber war, fand man ihn rasch sehr gut im Amt. Ähnliches deutet sich bei Baerbock an: Die Vorbehalte gegen sie sind schon deutlich geschwunden."

Wichtiger noch, als ihre steigenden Umfragewerte, dürften für die Außenministerin allerdings die spürbaren Folgen ihrer diplomatischen Bemühungen sein. Ihr ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba sieht hierbei erste Erfolge. "Die Diplomatie funktioniert und bremst die aggressiven Absichten Russlands", sagte der 40-Jährige am Mittwoch im ukrainischen Fernsehen.

Kiew sei mit den Besuchen westlicher Staats- und Regierungschefs in den vergangenen Tagen zum Zentrum der internationalen Politik geworden, und Russland wisse nun um die Konsequenzen im Fall eines Angriffs auf die Ukraine. Baerbock selbst war bereits zweimal nach Kiew und einmal nach Moskau gereist. Kanzler Olaf Scholz wird kommende Woche beide Hauptstädte besuchen.

Quellen: "ZDF-Morgenmagazin", Twitter, Reuters, mit DPA-Material

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