"Wehrpflicht" will er seinen Vorschlag zwar nicht nennen, aber es würde letztendlich darauf hinauslaufen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich für die Einführung einer "Pflichtzeit" für junge Männer und Frauen in Deutschland ausgesprochen.
In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" sagte das Staatsoberhaupt: "Was wir aber gerade erleben, ist ein wachsendes Verständnis dafür, dass sich Menschen eine gewisse Zeit für die Gemeinschaft einsetzen, dass sie sich engagieren. Politik sollte das aufnehmen. Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, aber ich wünsche mir, dass wir eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit führen."
Frank-Walter Steinmeier wünscht sich "Pflichtzeit"
Diese soll nach Steinmeiers Vorstellungen bei der Bundeswehr, aber auch bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften abgeleistet werden können. "Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein. Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen. Das baut Vorurteile ab und stärkt den Gemeinsinn", sagte der Bundespräsident weiter.
Das sind die beliebtesten Arbeitgeber bei Nicht-Akademikern

Die Bedeutung von Amazon als Arbeitgeber nimmt weiter zu. Derzeit hat der Konzern in Deutschland rund 30.000 Beschäftigte, bis Jahresende sollen 6000 weitere hinzukommen. Die Arbeitsbedingungen in der Logistik werden zwar immer wieder harsch kritisiert, doch im Arbeitgeberranking von Trendence steigt Amazon gegenüber dem Vorjahr von Platz 19 auf 10. Befragt wurden mehr als 20.000 nicht-akademische Fachkräfte.
Was er nicht sagte: Durch die Einführung eines Pflichtdienstes würden gleich zwei Probleme auf einmal relativ kostengünstig gemindert. Die Personalnot im sozialen Bereich und die Schwierigkeiten der Bundeswehr, geeigneten Nachwuchs zu finden.
Wie lange die "Pflichtzeit" nach seinen Überlegungen sein soll, ließ Steinmeier offen: "Es muss kein Jahr sein." Ohnehin bleibt dem Bundespräsidenten in der Pflichtdienst-Frage nicht mehr, als eine Diskussion in Gang zu setzen. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht in der bis 2011 praktizierten Form wäre verhältnismäßig einfach – Steinmeiers Vorschlag einer generellen Dienstzeit bedürfte jedoch womöglich einer Grundgesetzänderung. Denn die Verfassung sieht bisher nur den Einzug von Männern zum Wehr- oder Zivildienst vor.
Aus der Bundesregierung folgte prompt die erste Absage zu Steinmeiers Idee. "Ein sozialer Pflichtdienst würde einen Eingriff in die individuelle Freiheit eines jeden Jugendlichen bedeuten", erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). "Wir sollten unsere jungen Menschen, die unter der Corona-Pandemie besonders gelitten und sich trotzdem solidarisch mit den Älteren gezeigt haben, weiterhin die Freiheit zur eigenen Entscheidung lassen." Auch im Koalitionsvertrag der Ampel ist ein verpflichtender Dienst für junge Menschen in Deutschland nicht vorgesehen.
Wehrpflicht in Deutschland seit 2011 ausgesetzt
Die Wehrpflicht in der Bundesrepublik existiert seit 1956 für alle Männer ab 18 (in der DDR vom Jahr 1962 an). 2011 – zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges – wurde sie von der damaligen Bundesregierung ausgesetzt, jedoch nicht abgeschafft. Nachdem der Grundwehrdienst in den 1960er- und 1970er-Jahren noch 18 Monate ging, wurde er immer weiter verkürzt auf zuletzt sechs Monate. Wer nicht ausgemustert wurde und aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigerte, wurde zum Ersatzdienst verpflichtet, beispielsweise zum Zivildienst in sozialen Einrichtungen oder bei Hilfsorganisationen. Von 1957 bis 2011 leisteten rund 8,4 Millionen Männer ihren Wehrdienst (ohne DDR) und etwa 2,7 Millionen den Zivildienst.
Menschen, die sich sozial oder ökologisch engagieren wollen, steht seit 2011 unter anderem der Bundesfreiwilligendienst offen. Die Bundeswehr bietet einen freiwilligen Wehrdienst an. Beide Angebote nimmt aber nur ein Bruchteil der jungen Menschen wahr, die zum Wehr- oder Ersatzdienst verpflichtet wären.
Quellen: "Bild am Sonntag" (kostenpflichtiger Inhalt), Artikel 12a des Grundgesetzes, Bundesfreiwilligendienst, Bundeswehr Nachrichtenagentur AFP